Nephritisches Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Begriff Nephritisches Syndrom bezeichnet im Prinzip einen Symptomenkomplex von krankhaften Vorgängen an der Niere, mit dem die Medizin versucht, dieses komplizierte und noch nicht vollständig aufgeklärte Fachgebiet etwas übersichtlicher zu gestalten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein nephritische Syndrom?

Schematischer Aufbau (Anatomie) der menschlichen Niere. Beim nephritischen Syndrom handelt es sich um verschiedene Krankheitsbilder der Niere.

Das nephritische Syndrom ist ein klinisches Syndrom (Symptomkomplex), welches im Rahmen von Schädigungen der Glomeruli der Niere auftreten kann. Ein nephritisches Syndrom ist also keine Krankheit an sich, sondern nur Ausdruck möglicher Nierenprobleme. Bei den Glomeruli handelt es sich um die zentrale Funktionseinheit der Niere, in welcher das Blut filtriert und der primäre Harn abgepresst wird.

Definitionsgemäß spricht man von einem nephritischen Syndrom, wenn die drei Kriterien der "Volhard-Trias" erfüllt sind: Erstens das Vorliegen von Hämaturie (rote Blutkörperchen im Urin), zweitens Ödeme (Wassereinlagerungen im Unterhautgewebe) und drittens ein neu augetretener Hypertonus (Bluthochdruck).

Ursachen

Zum nephritischen Syndrom kommt es meist im Rahmen einer Entzündung der Nierenglomeruli (Glomerulonephritis). Ein akuter nephritischer Verlauf ist dabei typisch für die Unterformen postinfektiöse Glomerulonephritis (Poststreptokokken-GN), rapid-progressive Glomerulonephritis (RPGN) und für die Lupus Nephritis, eine Nierenbeteiligung im Rahmen eines systemischen Lupus erythematodes (SLE).

All diesen Pathologien ist gemein, dass ihre Ursachen noch nicht endgültig und umfassend erforscht sind. Stets spielen jedoch Autoimmunprozesse eine wichtige Rolle (insbesondere bei der Lupus-Nephritis), sodass eigentlich keine konkreten Risikofaktoren für die Entstehung einer solchen Krankheit identifiziert werden können.

Ein Lupus erythematodes ist eine chronisch verlaufende Autoimmunkrankheit, die oft mit Hauterscheinungen beginnt und dann viele weitere Organe betreffen kann - die Nierenbeteiligung ist jedoch ein besonders schwerer Schlag durch die Erkrankung, der unbedingt therapiert werden muss. Die rapid-progressive Glomerulonephritis wiederum ist ihrerseits nur eine Zusammenfassung der Endstrecke (bzw. des besonders aggressiven Verlaufes) anderer glomerulärer Krankheitsprozesse. Das Thema ist komplex.

Relativ klar sind dagegen die Umstände einer postinfektiösen GN, die auch als Poststreptokokken-GN bezeichnet wird. Hier kommt es einige Wochen nach einem banalen Infekt mit dem Bakterium Streptococcus pyogenes (oft eine Mandelentzündung) aufgrund immunologischer Fehlschaltungen des Körpers zum Auftreten von Nierenproblemen. Die Bakterien selbst befallen dabei nicht die Niere, vielmehr sind es Antigen-Antikörper-Komplexe, die im Nachgang der schon ausgestandenen Infektion noch einmal Bakterien-ähnliche Proteine in den Blutkapillaren des eigenen Körpers angreifen und so die kleinsten Gefäße der Niere in den Glomeruli verstopfen.

Da hier jedoch in der Summe aller Glomeruli etwa 20 Prozent des gesamten Blutflusses hindurch müssen, kommt es bei einer Verstopfung schnell zu einem Bluthochdruck (wie bei einem Verkehrs-Rückstau), gleichzeitig werden durch den hohen Druck Blutkörperchen in den Harn abgepresst (die dort nicht hingehören) und es kommt an anderen Körperstellen zu Wasseraustritt aus den gestauten Gefäßen ins Gewebe (Ödemen).

Stehen diese Ödeme arg im Vordergrund der Symptomatik und kommen sie durch einen Proteinverlust über die Niere in den Harn (Proteinurie) zustande, so spricht man übrigens von einem Nephrotischen Syndrom - dies ist dann klinisch eine völlig andere Entität, die für andere Arten von Glomerulonephritiden typisch ist und auch teilweise anders behandelt werden muss.

Symptome und Verlauf

Typische Symptome des ephritischem Syndroms:

Der zentrale Punkt in der Symptomatik des nephritischen Syndroms ist die Hämaturie, also das Auftreten roter Blutkörperchen im Urin, die entweder mit bloßem Auge sichtbar oder nur im Labor messbar sein können. Dazu findet sich eigentlich immer auch eine mehr oder weniger ausgeprägte Proteinurie, also das Auftreten von Eiweißen im Urin. Mancher Verlauf einer postinfektiösen GN kommt allein mit diesen Symptomen aus und kann so für den Betroffenen auch beschwerdearm bis unbemerkt verlaufen.

Die Kriterien für das nephritische Syndrom sind jedoch erst erfüllt, wenn Bluthochdruck und Ödeme hinzukommen. Letztere finden sich zuerst vor allem an den Augenlidern - das Gesicht des Betroffenen wirkt dann seltsam angeschwollen und aufgeplustert, was oft anderen Personen als erstes auffällt (und dann zur Erstvorstellung beim Arzt führt, der die restlichen Symptome nur mit Gerätediagnostik aufdecken kann).

Andere mögliche Symptome sind Flankenschmerzen (Nierenkapselspannung), Kopfschmerzen und Gliederschmerzen, bei schweren Elektrolytverschiebungen kann es zu epileptischen Anfällen, bei schwerer Hochdruckkrise zu Luftnot und Lungenödem kommen.

Unbedingt zu verhindern muss man eine drastische Verschlechterung der Nierenfunktion, die sich innerhalb von Tagen entwickeln (bei der RPGN) und ins akute Nierenversagen führen kann. Die Urinproduktion versiegt dann.

Diagnose

Die Diagnose des nephritischen Syndroms wird durch den Nachweis der drei Kriterien der Volhard-Trias und durch den gesamten klinischen Eindruck gestellt. Eine richtige Diagnose ist aber eigentlich erst gestellt, wenn die Ursache gefunden werden kann. Neben der Anamnese (Mandelentzündung in der Vorgeschichte), körperlichen Untersuchung (Ödeme, Flankenklopfschmerz) sind dazu vor allem die Blut- und Urin-Untersuchung vorrangig.

Ein Ultraschall der Niere kann nähere Hinweise über ein dortiges Geschehen geben, eine klare Zuordnung der Pathologie gelingt aber erst nach Entnahme einer Gewebeprobe aus der Niere (Nierenbiopsie), welche bei allen schweren oder nicht einschätzbaren Verläufen durchgeführt wird.

Behandlung

Die Therapie des nephritischen Syndroms richtet sich dann wiederum nach der genauen Diagnose. Symptomatisch können der Blutdruck und die Proteinurie mit ACE-Hemmern medikamentös behandelt werden, bei Anzeichen von Flüssigkeitseinlagerung sind Salz- und Flüssigkeitsentzug entweder durch strenge Diät oder Diuretika (harntreibenden Mitteln) wichtige Maßnahmen.

Salz- und eiweißarme Kost, Bettruhe und körperliche Schonung sind stets angezeigt. Währenddessen sollten die Blutwerte, vor allem das Kreatinin, regelmäßig kontrolliert werden. Ein Kreatinin-Anstieg ist Hinweis auf ein beginnendes Nierenversagen.

Wenn ein Streptokokkeninfekt als Ursache zu identifizieren ist, so wird dieser vorsichtshalber noch mit Penicillin über zehn Tage antibiotisch behandelt. Nachuntersuchungen über Jahre sind oft nötig, um chronische Verlaufsformen nicht zu übersehen.


Vorbeugung

Maßnahmen zur Vorbeugung des konkreten nephritischen Syndroms gibt es eigentlich nicht, da es sich um autoimmunologische Phänomene handelt. Lediglich die sofortige antibiotische Behandlung von Streptokokkeninfekten ist stets ratsam, da Folgeerkrankungen und Komplikationen wie die Poststreptokokken-GN damit wirksam unterbunden werden können.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Arastéh, K., et al.: Duale Reihe. Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021

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