Harnstau

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Harnstau (Obstruktive Uropathie) ist in allererster Linie ein Problem des älter werdenden Mannes und einer zu groß gewordenen Prostata. Doch auch aus anderen Gründen kann das Wasserlassen erschwert oder verhindert werden - auch bei Neugeborenen kann sich das, oft unbemerkt, zu einem ernsten Problem auswachsen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Harnstau?

Harnstau ist eng mit starken Schmerzen beim Wasserlassen verbunden. Ein Arzt sollte dringend aufgesucht werden.

Harnstau wird in der medizinischen Fachsprache als "Obstruktive Uropathie" verschlüsselt, was frei übersetzt eigentlich wiederum genau das bedeutet: Harnstau.

Es geht darum, dass aufgrund eines Abflusshindernisses (Obstruktion) der ableitenden Harnwege (Urogenitalsystem) ein Rückstau des Urins unterschiedlichen Schweregrades zustande kommen kann, welcher wiederum schwere und dauerhafte Krankheiten ("-pathie") hervorrufen kann. Das Wasserlassen selbst kann dabei durchaus noch funktionieren.

Ursachen

Ursachen von Harnstau können auf verschiedenen Ebenen liegen: Im Bereich der Nieren, in einem der beiden Harnleiter, etwas tiefer dann in der Blase und am Blasenausgang, an dem die Prostata sitzt, oder schließlich in der Harnröhre, also ganz unten kurz vor dem Ausgang. Je nach Altersgruppe kommen dann verschiedene Pathologien in Frage. Bei Kleinkindern gibt es angeborene Verengungen oder Fehlbildungen der Harnwege, die noch beim Fetus im Mutterleib zu schwerwiegendem Harnstau und Nierenschäden führen können.

Diese Fehlbildungen sind vor allem Abflusshindernisse des Harnleiters aus dem Nierenbecken, Fehleinmündungen in die Blase mit Reflux in die Harnleiter, und kleine Klappen in der Harnröhre, die dort nicht hingehören. Immerhin 1 Prozent aller Neugeborenen sind betroffen. Im jungen Erwachsenenalter können Nierensteine und Harnleitersteine Harnstau führen, wobei dann zumeist auch kolikartige Schmerzen hinzu kommen und das Problem recht schnell erkennen lassen. Auch Traumata mit Durchtrennung oder Blutkoagelverstopfung der ableitenden Harnwege können über kurz oder lang zu Harnstau führen.

Ebenso kann bei einer Querschnittslähmung oder bei Bandscheibenvorfällen die Entleerungsfunktion der Blase gestört sein, sodass diese immer voller läuft, ohne dass man rechtzeitig Wasserlassen könnte - der Druck wird dementsprechend hoch und der Urin staut sich nach oben in Richtung Nieren zurück. Bei Frauen kommt zudem eine Endometriose, eine recht häufig vorkommende Fehlansiedelung von Gebärmutterschleimhaut in verschiedensten anderen Organen, als Ursache für einen Harnstau in Frage - manchmal ist dann ein Zusammenhang mit der Regelblutung zu erkennen.

Mit zunehmendem Alter geht es dann an die Tumoren: Gut- und bösartige Neubildungen der Schleimhäute von Harnwegen und vor allem Blase können in das Innere hineinwachsen und den Gang verstopfen. Dies kann auch lange Zeit unbemerkt bleiben. Und schließlich ist es die leidige Prostata als einer der Hauptverursacher eines Harnstaus, die bei älteren Männern immer größer wird und den Übergang von Blase in die Harnröhre derart verengt, dass das Wasserlassen im Alter immer schwieriger wird. 90% Prozent der über 80jährigen sind betroffen und bereits mehr als die Hälfte aller 60jährigen. Der Gang zum Urologen ist nicht nur eine Frage der Linderung und Verbesserung des Wasserlassens, sondern auch zum Ausschluss eines bösartigen Prostatakrebsgeschwürs eine gute Idee...

Wann zum Arzt?

Mit einem Harnstau sollte grundsätzlich zu einem Arzt gegangen werden. Sollte die Urinmenge trotz normalen Trinkens abnehmen, liegt der Verdacht auf einen Harnverhalt nahe – ein Arztbesuch ist anzuraten. Leichte Schmerzen beim Wasserlassen sind ebenfalls von einem Mediziner zu prüfen. Wenn krampfartige Schmerzen auftreten, muss sofort ein Arzt konsultiert werden. Die Beschwerden treten meist im Bereich der Nieren auf und breiten sich im weiteren Verlauf auf den gesamten Bauchraum aus.

Spätestens wenn zu den Schmerzen ein Krankheitsgefühl hinzukommt, ist eine umgehende Untersuchung durch einen Mediziner erforderlich. Bleibt der Harnstau unbehandelt, kann es zu einer Blutvergiftung kommen. Diese ist für den Betroffenen lebensbedrohlich und muss umgehend im Krankenhaus behandelt werden. Ansonsten kann ein septischer Schock auftreten, welcher dauerhafte Organschäden und mitunter auch den Tod des Patienten zur Folge hat. Aus diesem Grund sollte mit dem Verdacht auf einen Harnstau direkt der Hausarzt aufgesucht werden. Dieser kann die Erkrankung rasch feststellen und behandeln.

Symptome und Verlauf

Typische Symptome des Harnstaus:

Bei den Symptomen und dem Krankheitsverlauf des Harnstaus muss man zunächst den akuten vom chronischen Harnstau unterscheiden. Bleibt das Wasserlassen akut aus, zum Beispiel aufgrund eines Steines oder einer neurologischen Fehlfunktion der Blase, so merkt man dies erstens daran, dass man nicht mehr Pinkeln kann und zweitens meist daran, dass es arg weh tut, wenn die Blase überdehnt wird.

Bei chronischen Verengungen ist eine Restmiktion oft lange Zeit erhalten, während sich die ableitenden Harnwege langsam an die höheren Drücke adaptieren und sich dehnen. Dies ist vor allem für die Niere fatal, welche sich immer weiter dilatiert und zur Wasserniere (Hydronephrose) wird, bevor sie schließlich vernarbt und schrumpft (Schrumpfniere).

Häufig kommen Harnwegsinfekte vor, da der gestaute Urin den Aufstieg der Bakterien erleichtert. Dies kann bis zur schweren Urosepsis führen. Stück für Stück geht die Nierenfunktion verloren und es kommt zur irreversiblen chronischen Niereninsuffizienz, deren Erstsymptom auch mal ein Bluthochdruck, Verwirrtheit oder Ödeme am ganzen Körper (Wassersucht) sein kann.

Bei kleinen Kindern und Neugeborenen ist die Diagnose umso schwieriger: Trinkstörungen, Entwicklungsstörungen und vor allem häufige Infekte der Harnwege können Anzeichen eines Harnstaus sein und sollten zu weiterer Diagnostik beim Kinderarzt veranlassen.

Diagnose

Die Diagnostik ist recht einfach und bedarf in erster Linie eines Ultraschallgerätes, mit dem man einen Harnstau gut abbilden und, je nach Ausmaß der Dilatation der Harnwege und Nierenkelche, in verschiedene Schweregrade einteilen kann. Manchmal kann man mit der Sonografie auch gleich die Ursache identifizieren: Ein Tumor, welcher die Blase ausfüllt, sollte dem Untersucher zum Beispiel sofort ins Auge springen.

Bleibt die Ursache unklar, so kann der nächste Schritt eine Spiegelung der Harnwege oder verschiedene radiologische Untersuchungsmethoden sein, bei denen man mit Hilfe von Durchleuchtung und Kontrastmittel die Harnwege darstellen und Verengungen aufdecken kann. Auch eine Blut- und Urinuntersuchung gehört natürlich zum Standardprogramm.

Komplikationen

Als erste mögliche Komplikation eines Harnstaus ist die Überdehnung der Blase zu erwähnen. Dadurch kann das Gewebe beschädigt werden, was zu einer behandlungsbedürftigen, überdehnten Blase führt, die sich alters- und krankheitsabhängig wieder regenerieren lässt. Ist sie irreparabel geschädigt, wird mindestens eine dauerhafte Katheterisierung notwendig. Auch können Bakterien sich schnell ausbreiten, wenn die Blase überdehnt ist. Sie führen unter Umständen zu einer Infektion. Ein weiteres Anstauen des Urins lässt Bakterien ungehindert bis zu den Nieren wandern, was im schlimmsten Falle zu einer Blutvergiftung führen kann, da die Bakterien vom Nierengewebe aus in die Blutbahn gelangen. Eine solche Sepsis ist akut lebensbedrohlich.

Die Infektion der Niere kann zu einer Niereninsuffizienz führen. Der Körper ist dann auf eine Dialyse angewiesen. Auch eine Nierentransplantation kann notwendig werden. Urin, der aus dem Körper nicht abgelassen werden kann, begünstigt dabei immer Nierenschäden, weshalb das Auftreten von Komplikationen mit anhaltender Dauer des Harnstaus wahrscheinlicher wird.

Nicht funktionierende Nieren führen zu einem erhöhten Blutvolumen und damit zu einem erhöhten Blutdruck, was Herzschädigungen verursachen kann. Auch kommt der Stoffwechsel durch die mangelnde Filtration des Blutes zum Erliegen. Die Maßnahmen zum Ablassen des Urins durch die Haut oder einen Katheter (bei Harnverhalt, der blasenbedingt ist) bergen zudem immer das Risiko einer Infektion.

Behandlung und Therapie

Die Behandlung von Harnstau richtet sich natürlich nach der Ursache: Eine rasche Entlastung mittels Katheterisierung kann oft versucht werden. Manchmal muss der Katheter auch etwas höher eingesetzt werden, zum Beispiel zur Überbrückung einer Engstelle der Harnleiter: Hier nutzt man einen sogenannten Doppel-J-Katheter, welcher unter Umständen in einem kleinen operativen Eingriff einpflanzt werden muss.

Die Entlastung kann sonst, im Notfall, auch durch eine direkte Nephrostomie, also das Einbringen eines Rohres von der Lende aus durch die Haut ins Nierenbecken, erfolgen. Dies ist natürlich keine Dauerlösung, sondern zur schnellen Entlastung der Niere gedacht. Das Problem, zum Beispiel ein Stein oder ein Tumor, muss in einem weiteren Eingriff dann beseitigt werden.

Eine vergrößerte Prostata lässt sich heutzutage sehr elegant mit einer Blasenspiegelung auch therapieren (TUR-P). Harnwegsinfekte werden derweil mit Antibiotika behandelt.

Kinder mit schweren angeborenen Harnwegsfehlbildungen sind oft von Geburt an niereninsuffizient und im Kindesalter dialysepflichtig, bis sie eventuell eine neue Niere bekommen können. Spenderorgane sind leider rar.


Vorbeugung

Zur Vorbeugung von Harnstau kann eigentlich nur der regelmäßige Arztbesuch bei Beschwerden empfohlen werden, um Krankheiten schnell zu erkennen, konsequent zu behandeln und eine schwere Dauerschädigung der Niere zu vermeiden.

Quellen

  • Gasser, T.: Basiswissen Urologie. Springer, Berlin 2015
  • Hof H, Dörries R. Duale Reihe: Medizinische Mikrobiologie. Thieme Verlag. 4. Auflage(2009)
  • Hofmann, R., (Hrsg.): Endoskopische Urologie. Springer, Berlin 2009
  • Schmelz, H.-U. et al.: Facharztwissen Urologie, Springer Verlag, 2014
  • Jocham, D. & Miller, K.: Praxis der Urologie, Georg Thieme Verlag, 2007

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021

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