Hämolytisch-urämisches Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das hämolytisch-urämische Syndrom ist eine durch drei Symptome charakterisierte Erkrankung, welche die kleinen Blutgefäße betrifft. Sie tritt meistens bei Säuglingen und Kleinkindern auf und endet in wenigen Fällen tödlich.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das hämolytisch-urämische Syndrom?

Bei dem hämolytisch-urämischen Syndrom (häufig abgekürzt mit HUS) handelt es sich um eine Erkrankung, die typischerweise drei Charakteristika aufweist. Zum Einen besteht eine mikroangiopathische Hämolytische Anämie, also ein durch Schädigung kleinerer Blutgefäße verursachter Mangel an roten Blutkörperchen. Weiterhin kommt es zur Thrombozytopenie. Dies ist eine verminderte Anzahl an Blutplättchen, den Thrombozyten. Das dritte charakteristische Symptom ist ein akutes Versagen der Nieren.

Klinisch wird das hämolytisch-urämische Syndrom in zwei Punkten differenziert. Einerseits wird zwischen einem kompletten HUS (alle drei Symptome) und einem inkompletten HUS (nur zwei der insgesamt drei Symptome treten auf) unterschieden. Die zweite Einteilung findet anhand der Ursache der Erkrankung statt.

Ursachen

Die Ursachen eines kompletten oder inkompletten hämolytisch-urämischen Syndroms können vielfältig ausfallen. In den meisten Fällen wird das HUS durch eine Infektion im Verdauungstrakt ausgelöst. Diese häufig mit Durchfall verbundenen Infektionskrankheiten umfassen Salmonellen, Yersinien, Shigellen, aber auch EHEC. Besonders Kleinkinder sind hierfür anfällig. In seltenen Fällen kann ein HUS auch durch eine virale Infektion mit dem Coxsackie-Virus, dem Varizella-Zoster-Virus, dem Echovirus oder HIV ausgelöst werden.

Als weitere mögliche Ursache kommen Nebenwirkungen bestimmter Medikamente aus unterschiedlichsten Wirkstoffgruppen in Frage. Bekannt sind als Auslöser bisher das Antibiotikum Mitomycin, der Gerinnungshemmer Ticlopidin, das Immunsuppressivum Ciclosporin und das Malariamittel Chinin.

Weiterhin wurde ein HUS bereits bei Schwangeren festgestellt. Hierbei tritt es in der Regel im Rahmen eines bestehenden HELLP-Syndroms auf, das etwa bei 1-2 von 300 Schwangerschaften auftritt. In diesen Fällen spricht man von einem postpartalen HUS. Die vierte mögliche Ursache ist genetisch bedingt. Bei Personen, deren Erbgut eine Störung des komplementären Kontrollproteins H (Faktor H) vorliegt, kommt es teilweise ebenfalls zu einem HUS.

Wann zum Arzt?

Bei Beschwerden wie Durchfall, Erbrechen oder Übelkeit wird ein Arzt benötigt, sobald sie über mehrere Tage auftreten. Nehmen die Beschwerden an Intensität oder Umfang zu, sollte ebenfalls ein Arztbesuch erfolgen. Kommt es zu Inkontinenz, Blut im Urin oder Stuhl, gilt dies als besorgniserregend und eine ärztliche Untersuchung sollte durchgeführt werden. Bei Krämpfen, Anfallsleiden oder Muskelbeschwerden ist es ratsam, diese Auffälligkeiten medizinisch abklären zu lassen.

Eine anhaltende Müdigkeit trotz ausreichendem Schlaf, ein erhöhter Blutdruck oder Störungen des Herz-Rhythmus sind von einem Arzt untersuchen zu lassen. Ohne eine ärztliche Unterstützung kann es zu lebensbedrohlichen Zuständen, wie einem Herzversagen kommen. Beschwerden wie Schwindel, eine innere Unruhe oder ein allgemeines Unwohlsein sind einem Arzt vorzustellen. Bei Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen sollte schnellstmöglich ein Arzt konsultiert werden, um keine dauerhaften Beeinträchtigungen zu erleiden.

Entzündungen, Durchblutungsprobleme oder Aufmerksamkeitsdefizite gelten als Hinweise, die näher untersucht und behandelt werden müssen. Kommt es zu einem Leistungsabfall, Schlafstörungen oder Antriebslosigkeit, ist ein Arzt aufzusuchen. Eine erhöhte Körpertemperatur, der Verlust des Gewichts oder emotionale Unstimmigkeiten sind ebenfalls mit einem Arzt zu besprechen. Bei einer gedrückten Stimmung, Verhaltensauffälligkeiten oder einem sozialen Rückzug ist Anlass zur Sorge vorhanden, die mit einem Arzt besprochen und abgeklärt werden sollte.

Symptome und Verlauf

Typische Symptome des hämolytisch-urämischen Syndroms:

Das hämolytisch-urämische Syndrom verursacht schwerste Symptome, weshalb Betroffene meistens innerhalb kurzer Zeit ärztliche Hilfe aufsuchen. Als erstes Symptom tritt bei einem durch Infektion verursachten HUS blutiger Durchfall auf. Etwa fünf bis zehn Tage später entwickeln sich Blut im Urin, stark erhöhter Blutdruck und Nierenversagen. Dieses löst eine Vielzahl weiterer Symptome aus, darunter Übelkeit, Erbrechen, Muskelkrämpfe, Inkontinenz und Herzrhythmusstörungen.

Da das ansonsten von den Nieren produzierte Hormon Erythropoetin beim HUS nur noch stark vermindert im Körper vorhanden ist, kommt es wegen der verringert Hämoglobin-Konzentration zur Anämie. Hieraus ergeben sich weitere Symptome wie Müdigkeit, Schwindel, Gedächtnisstörungen sowie Konzentrationsschwierigkeiten.

Im fortgeschrittenen Stadium kann ein hämolytisch-urämisches Syndrom lebensgefährdende Zustände verursachen. Typische Komplikationen sind zum Beispiel Herzinfarkte, Schlaganfälle, Lebernekrose und Entzündungen der Bauchspeicheldrüse. Mehrere Betroffene fielen wegen des HUS in ein Koma.

Bei der Hälfte aller Patienten verursacht das hämolytisch-urämische Syndrom lebenslange Schädigungen in Form von chronischem Bluthochdruck oder einer Proteinurie (übermäßiges Ausscheiden von Proteinen). Zwischen zwei und drei Prozent aller Fälle enden tödlich.

Diagnose

Bei Verdacht auf ein hämolytisch-urämisches Syndrom hat eine Laboruntersuchung vom Blut des Patienten höchste Priorität. Es wird standardmäßig quantitativ auf Hämoglobin, Haptoglobin, LDH, Retikulozyten, Bilirubin und Schistozyten getestet. Um eine Thrombopenie zu bestätigen, wird außerdem die Zahl der Thrombozyten in der Blutprobe gemessen. Weiterhin wird auf eine Beeinträchtigung der Kreatininwerte geprüft, was Rückschlüsse auf mögliche Schädigungen der Nieren zulässt.

Sofern eine Infektion als Ursache des HUS nicht ausgeschlossen werden kann, wird versucht den Erregertyp über eine Stuhlprobe näher zu klassifizieren. Neben der Labordiagnostik wird meistens eine Sonographie der Nieren durchgeführt. Sind diese vergrößert, kann von einer Nierenschädigung ausgegangen werden.

Komplikationen

Im Verlauf des hämolytisch-urämischen Syndroms tritt zunächst eine Schädigung des Darmepithels auf. Dadurch kommt es zu Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall und Erbrechen. Schließlich führt die Schädigung dazu, dass Giftstoffe in den Blutkreislauf eindringen und die Gefäßwände und Nieren angreifen. Mögliche Folgen: Bluthochdruck und Wasseransammlungen in Herzbeutel und Bauchhöhle. Diese Beschwerden können lebensbedrohliche Zustände hervorrufen und beispielsweise zu einem Kreislaufzusammenbruch oder Herzinfarkt führen.

Auch eine Blutvergiftung ist nicht auszuschließen. Langfristig entwickelt sich eine chronische Nierenfunktionsstörung, die mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Appetitlosigkeit und einer generellen Abnahme des Wohlbefindens verbunden ist. Zudem können sich in Folge einer Niereninsuffizienz weitere Erkrankungen entwickeln. Des Weiteren können im Zusammenhang mit einem HUS Krampfanfälle, Atemnot und chronische Schmerzen auftreten.

Eine Behandlung des hämolytisch-urämischen Syndroms mit Antibiotika kann die Freisetzung der Bakterien-Toxine noch fördern. Wird eine Blutwäsche durchgeführt, so kann dies zu Infektionen und ernsten Kreislaufbeschwerden führen. Ähnliche Risiken bergen Elektrolyt-Infusionen. Gelegentlich treten an der Einstichstelle Hämatome oder Abszesse auf, welche die Infusion verschließen. Selten kann sich im Bereich der Transfusion auch eine potentiell lebensbedrohliche Thrombose entwickeln.

Behandlung und Therapie

Wenn die Diagnose des hämolytisch-urämischen Syndroms abgesichert ist, wird umgehend eine Therapie eingeleitet. Wie diese im konkreten Fall ausfällt, ist abhängig von der Ursache des HUS. Falls es durch ein Medikament ausgelöst wurde, wird dieses zunächst abgesetzt und gegebenenfalls durch eine Alternative ersetzt.

Bei einem infektiösen HUS wird in der Regel symptomatisch behandelt. Zwar könnte die Infektion mit der Gabe von Antibiotika gezielt bekämpft werden, aber dieses Vorgehen ist mit erheblichen Risiken verbunden. Wenn Antibiotika verabreicht werden, kann es in einigen Fällen zunächst zu einem rasanten Anstieg der von den Bakterien abgesonderten Gifte kommen. Da Patienten mit hämolytisch-urämischen Syndrom sich häufig bereits in einem kritischen Zustand befinden, könnte dies lebensbedrohliche Konsequenzen haben und die Wahrscheinlichkeit von Langzeitschäden drastisch erhöhen. Außerdem schädigen viele Antibiotika die Nieren, was bei einer gesunden Person zwar unproblematisch ist, bei bereits angeschlagenen Nieren jedoch unkalkulierbare Komplikationen verursachen kann.

Um das hämoliytisch-urämische Syndrom optimal zu behandeln, ist eine strenge Kontrolle der Elektrolyte und des Flüssigkeitshaushalts notwendig. Bei sehr weit fortgeschrittener Nierenschädigung kann eine Dialyse zur Unterstützung notwendig sein. Weitere mögliche Behandlungsmethoden sind eine Plasmapherese (Austausch von Blutplasma mit gefrorenem Frischplasma), die Gabe von Glukokortikoiden sowie in besonders schweren Fällen die Verabreichung des monoklonalen Antikörpers Eculizumab. Diese Methoden weisen jedoch hohe Risiken auf, sodass auf sie nur zurückgegriffen wird, wenn andere Therapieoptionen nicht ausreichende Besserung verschafft haben.


Vorbeugung

Einem hämolytisch-urämischen Syndrom kann zwar nicht vollständig vorgebeugt werden, aber ein gestärktes Immunsystem verbessert die Prognose bei infektiösem HUS deutlich. Hierzu empfiehlt sich eine gesunde und Ernährung, ausreichend Schlaf und regelmäßige körperliche Betätigung.

Weiterhin sollten wegen der Infektionsgefahr keine verdorbenen Nahrungsmittel konsumiert sowie Obst und Gemüse vor dem Verzehr ausreichend gereinigt werden.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2013
  • Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Siewert, J., Rothmund, M., Schumpelick, V.: Praxis der Viszeralchirurgie: Gastroenterologische Chirurgie. Springer, Berlin 2011

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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