Friedreich-Ataxie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Friedreich-Ataxie wird eine genetisch bedingte, neurodegenerative Erkrankung bezeichnet, die insbesondere durch fortschreitende Gangbildauffälligkeiten und Sprachstörungen gekennzeichnet ist. Mit einer Inzidenz von etwa 1:50 000 stellt die Friedreich-Ataxie die häufigste hereditäre (erblich bedingte) Ataxieform dar.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Friedreich-Ataxie?

Die Friedreich-Ataxie (Heredoataxia spinalis, spinozerebellare Heredoataxie) ist eine zum Spektrum der Heredoataxien gehörende Erkrankung des zentralen Nervensystems. Die Ataxieform ist genetisch bedingt und wird über den autosomal-rezessiven Erbgang vererbt.

Initial manifestieren sich Gangataxien (Gangbild mit beeinträchtigter Bewegungskoordination) und Dysarthrie (Sprachstörungen), die einen progredienten (fortschreitenden) Verlauf aufweisen. Erste klinische Symptome zeigen sich bei einer Friedreich-Ataxie in aller Regel vor dem 25. Lebensjahr.

Ursachen

Eine Friedreich-Ataxie ist auf eine Mutation des Gens FRDA (X25) auf dem langen Arm von Chromosom 9 (9q13-21.1) zurückzuführen. Das betroffene Gen codiert das mitochondriale Protein Frataxin. In etwa 98 Prozent der Fälle kann eine pathologisch erhöhte Anzahl des GAA-Tripletts (Expansion des Trinukleotidrepeats GAA) beobachtet werden. Sind beide Gene betroffen, führt diese Trinukleotidexpansion ab der 66. Wiederholung zur Manifestierung des klinischen Erkrankungsbildes.

Zudem hängen Schwere und Beginn der Erkrankung in aller Regel von der Ausprägung der Expansion ab. Bei Vorliegen von weniger GAA-Repeats (40-66) wird von sogenannten Prämutationen gesprochen, die allerdings autosomal-rezessiv an die nächsten Generationen weitergegeben werden können. Die Mutation führt zu einer Hemmung der FRDA-Genexpression, die wiederum einen Ausfall des Proteins Frataxin bedingt. Frataxin ist entscheidend an der Bereitstellung des für die mitochondriale Atmungskette essenziellen Eisens in den ISC (Eisen-Schwefel-Cluster) beteiligt.

Die Dysfunktion der ISC führt zu einer Beeinträchtigung der mitochondrialen Atmungskette sowie einer pathologischen Eisenakkumulation. Infolge des dadurch bedingten oxidativen Stresses und Absterbens von Neuronen kommt es zu einer progressiv fortschreitenden Sklerose der Hinterstrang- und Leitungsbahnen zwischen Cerebellum (Kleinhirn) und Rückenmark. Darüber hinaus können sich Degenerationen der Kleinhirnrinde, der Pyramidenbahn sowie der Kardiomyozyten (Herzmuskelzellen) zeigen.

Wann zum Arzt?

In der Regel ist es nicht möglich die Friedreich-Ataxie kausal zu behandeln. Aus diesem Grund sollte sich der Betroffene immer dann an einen Arzt wenden, wenn es zu spezifischen Beschwerden oder Komplikationen kommt, die durch diese Krankheit ausgelöst werden. In den meisten Fällen können die Beschwerden relativ gut eingeschränkt werden. Ein Arzt sollte dann kontaktiert werden, wenn es zu Störungen der Sensibilität oder der Koordination kommt. Auch Lähmungen oder andere Gefühlsstörungen können ein Zeichen für die Friedreich-Ataxie sein und sollten behandelt werden.

Nicht selten leiden die Patienten auch an Sprachstörungen. Die Eltern sollten bei Sprachstörungen ebenso eine Behandlung durchführen, damit es im Erwachsenenalter nicht zu Komplikationen kommt. Damit können auch Mobbing und Hänseleien im Kindergarten oder in der Schule vermieden werden. Auch bei verschiedenen Spastiken oder bei einer Veränderung der Persönlichkeit können eine ärztliche Untersuchung und Behandlung durchgeführt werden. Je früher die Diagnose und Behandlung der Friedreich-Ataxie eingeleitet wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit auf eine Einschränkung der Beschwerden.

Symptome und Verlauf

Typische Symptome einer Friedreich-Ataxie:

Symptomatisch äußert sich eine Friedreich-Ataxie charakteristischerweise anhand zunehmender Koordinationsschwierigkeiten (Ataxie) sowie weiteren neurologischen Ausfällen wie abnehmender Tiefen- und Oberflächensensibilität, Sprachstörungen, Spastik (Tonuserhöhung der Muskulatur), Nystagmus (gestörte Okularmotorik) und beeinträchtigter Feinmotorik. Zudem können psychiatrische Auffälligkeiten (Wesensveränderungen), Skelettdeformitäten wie Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung), Friedreich-Fuß (Pes cavus bzw. Hohl- und Spitzfußbildung), Friedreich-Hand sowie dilatative Kardiomyopathie (Erkrankung des Herzmuskels) und Diabetes mellitus beobachtet werden.

Gang- und Gleichgewichtsstörungen, eine beeinträchtigte Armkoordination sowie langsame und unpräzise Gesten stellen die ersten symptomatischen Anzeichen einer Friedreich-Ataxie dar. Wenngleich der Verlauf der Erkrankung interindividuell äußerst variabel ausfallen kann, weisen die physischen Symptome in aller Regel einen irreversiblen und progredienten Verlauf auf. Die progressiven neurologischen Ausfälle führen zu einem sukzessiven Autonomieverlust bis hin zur Rollstuhlpflichtigkeit. Als lebenslimitierend erweist sich für von einer Friedreich-Ataxie Betroffene üblicherweise eine Kardiomyopathie.

Diagnose

Der Verdacht auf eine Friedreich-Ataxie resultiert zunächst aus den für die Erkrankung charakteristischen Symptomen. Mit Hilfe einer Magnetresonanztomographie können die fortschreitende Verengung des Rückenmarks sowie mögliche morphologische Veränderungen in den Hinterstrangbahnen bildlich dargestellt werden. Elektrophysiologisch kann in den fortgeschrittenen Erkrankungsstadien eine ausgeprägte Beteiligung der Nerven nachgewiesen werden, während das EKG (Elektrokardiogramm) Rhythmus- und Repolarisationsstörungen aufzeigen kann.

Die Diagnose einer Friedreich-Ataxie wird in aller Regel durch den Nachweis des korrespondierenden Gendefekts bestätigt. Invasive und früher übliche Diagnosemethoden wie Lumbalpunktion oder Muskelbiopsie sind mittlerweile obsolet geworden.

Komplikationen

Durch die Friedreich-Ataxie leiden die Patienten an einer Reihe verschiedener Beschwerden, die das Leben des Betroffenen deutlich einschränken und die Lebensqualität verringern können. Die Betroffenen leiden dabei in erster Linie an starken Lähmungen und damit auch an Störungen der Koordination. Weiterhin treten am gesamten Körper Sensibilitätsstörungen auf, die den Alltag deutlich erschweren, sodass die Patienten eventuell auf die Hilfe anderer Menschen in ihrem Alltag angewiesen sind. Nicht selten führt die Friedreich-Ataxie auch zu Sprachstörungen.

Weiterhin treten auch psychische Störungen auf, sodass sich die Persönlichkeit und das Auftreten des Patienten deutlich verändern und die Betroffenen dadurch nicht selten aggressiv oder gereizt wirken. Durch ein geschwächtes Herz kann auch spontan ein Herztod eintreten.

Weiterhin führt die Friedreich-Ataxie auch zu Gleichgewichtsstörungen und der Tastsinn des Betroffenen lässt deutlich nach. Die Behandlung dieser Krankheit erfolgt in der Regel mit Hilfe von Medikamenten und verschiedenen Therapien. Die meisten Beschwerden können damit eingeschränkt werden. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die Lebenserwartung des Patienten durch diese Krankheit verringert wird.

Behandlung und Therapie

Für eine Friedreich-Ataxie ist bis heute keine kausale und suffiziente Therapie bekannt, weshalb sich diese in aller Regel auf begleitende symptomatische sowie in den Erkrankungsverlauf eingreifende Maßnahmen beschränkt. Hierzu gehören insbesondere physiotherapeutische, ergotherapeutische und logopädische Therapiemaßnahmen, die die Beschwerden minimieren und die Lebensqualität sicherstellen sollen.

Vorliegende spastische Symptome können mit unterschiedlichen Medikamenten reduziert werden, während orthopädische Beschwerden wie ein Friedreich-Fuß oder eine Skoliose konservativ bzw. operativ therapiert werden können. Aufgrund des progredienten Erkrankungsverlaufs werden mittelfristig Gehilfen erforderlich. Im Rahmen einer medikamentösen Therapie wird auf die Beeinflussung der Stoffwechselprozesse innerhalb der Mitochondrien abgezielt (krankheitsmodifizierende Therapie).

Hierzu kommen unter anderem antioxidativ wirkende Substanzen wie Coenzym Q10 und/oder Vitamin E zum Einsatz, die in die Oxidationsprozesse in den Mitochondrien eingreifen. Darüber hinaus kann neuerdings mit Idebenone ein Analogon des Coenzyms Q10 appliziert werden, das besser die Bluthirnschranke passieren kann. Die Therapie kann zu gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Diarrhö (Durchfall) und Abdominalschmerzen führen, die entsprechend mittherapiert werden sollten.

In neueren Studien wird ferner die Wirksamkeit von cEPO (carbamyliertes Erythropoetin) geprüft. Zudem sollten von einer Friedreich-Ataxie Betroffene in regelmäßigen Intervallen echokardiographischen Kontrollen (Herzultraschall) unterzogen werden, um eine potenzielle Verdickung des Herzmuskels sowie entsprechende kardiale Beteiligung frühzeitig evaluieren zu können. Bei Vorliegen eines Kinderwunsches sollte eine genetische Beratung des Betroffenen erfolgen.


Vorbeugung

Für eine Friedreich-Ataxie existieren bislang keine vorbeugende Maßnahmen.

Quellen

  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Payk, T., Brüne, M.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Bewermeyer, H.: Neurologische Differenzialdiagnostik, Schattauer Verlag, 2011

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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