Erhöhte Blutungsneigung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Eine erhöhte Blutungsneigung liegt vor, wenn das fein abgestimmte Blutgerinnungssystem aus dem Gleichgewicht geraten ist. Eine erhöhte Blutungsneigung kann angeboren oder im Laufe des Lebens erworben sein. Beim gesunden Menschen wird bei einer Verletzung der Blutfluss in der Umgebung gestoppt und die Wunde verschlossen. Ist diese Funktion nicht optimal gewährleistet, kommt es zu einer erhöhten Blutungsneigung mit der Gefahr eines vermehrten Blutverlustes.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine erhöhte Blutungsneigung?

Bei Betroffenen einer erhöhten Blutungsneigung kommt es häufiger zu Nasenbluten und Hämatomen.

Der Fachbegriff für eine erhöhte Blutungsneigung heißt hämorrhagische Diathese und bedeutet übersetzt: Blutungen betreffend, Neigung zu einer Krankheit bzw. Symptomen.

Unter einer erhöhten Blutungsbereitschaft werden in diesem Zusammenhang Krankheitszustände zusammengefasst, bei denen das Blutgerinnungssystem gestört ist und die durch schwer stillbare sowie spontan auftretende Blutungen gekennzeichnet sind.

Ursachen

An der Blutgerinnung sind drei Bereiche beteiligt: das Blutgefäßsystem, die Blutplättchen (Thrombozyten) und die im Blutplasma gelösten Gerinnungsfaktoren. Die Ursachen einer erhöhten Blutungsneigung können in allen Bereichen liegen.

Je nach betroffenem Teil des Systems werden thrombozytäre (die Blutplättchen betreffende), vaskuläre (das Gefäßsystem betreffende) Störungen bzw. Koagulopathien (coagulatio: lateinisch "das Gerinnen" und damit die Gerinnungsfaktoren betreffende Störungen) unterschieden werden.

Eine verringerte Blutplättchen-Zahl kann ebenso wie eine Behinderung ihrer Funktion zu einer erhöhten Blutungsneigung führen. Sind die Gerinnungsfaktoren oder deren Reaktionsfähigkeit vermindert oder die Gefäße geschwächt und leichter durchlässig, besteht ebenfalls ein erhöhtes Blutungsrisiko. Zu den bekanntesten erblichen Erkrankungen zählt die Hämophilie, die Bluterkrankheit, bei der durch das Fehlen einzelner Gerinnungsfaktoren die Gerinnung gestört ist.

Häufiger kommt eine erhöhte Blutungsneigung unter dem Einfluss verschiedener Medikamente sowie im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen, beispielsweise der Leber, bei bösartigen Tumoren oder bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen vor. Gerinnungshemmende Medikamente (Antikoagulantien), die zur Behandlung von Thrombosen und bei Vorhofflimmern eingesetzt werden, führen zu einer erhöhten Blutungsneigung.

Wann zum Arzt?

Die Blutungsneigung ist bei jedem Menschen leicht unterschiedlich. Verändert sie sich rapide oder schleichend mit der Zeit, sollte der Arzt untersuchen, woran das liegt. Vorsicht ist dann geboten, wenn es zu einer erhöhten Blutungsneigung kommt und blutende Verletzungen durch Einwirkungen entstehen, die nicht zu einer solchen Verletzung hätten führen dürfen. Dazu gehören natürlich nicht nur offene blutende Wunden, sondern auch blaue Flecke - denn auch bei diesen handelt es sich um blutende Verletzungen, sie liegen lediglich unter der Hautoberfläche.

Oft kann sich der betroffene Patient schon selbst denken, was eine erhöhte Blutungsneigung bedeuten kann, denn das ist abhängig vom betroffenen Körperteil. Bei vermehrter Neigung zu Blutungen des Zahnfleischs sollte etwa der Zahnarzt mit Verdacht auf Zahnfleischentzündung aufgesucht werden. Besonders ernst liegt der Fall, wenn bei einem Kind eine erhöhte Blutungsneigung festgestellt wird und es bereits von etwas festeren Berührungen oder im Spiel mit den Freunden regelmäßig blaue Flecken davonträgt.

Tritt das Symptom plötzlich auf, können Veränderungen des Blutes vorliegen, im schlimmsten Fall eine Leukämie. Derartige schwere Erkrankungen lassen sich mit größerer Erfolgsaussicht behandeln, wenn der Besuch beim Arzt und die Diagnose nicht lange auf sich warten lassen. Die meisten Eltern suchen bei erhöhter Blutungsneigung beim Kind aber schon deshalb den Arzt auf, um Sicherheit zu haben.

Symptome und Verlauf

Typische Symptome bei erhöhter Blutungsneigung:

  • Petechie

Die Symptome bei einer erhöhten Blutungsneigung variieren je nach betroffenem Bereich des Blutgerinnungssystems. Bei einer verringerten Zahl von Blutplättchen und bei krankhaften Veränderungen der Blutgefäße werden häufig Petechien festgestellt. Dabei handelt es sich um eine Vielzahl kleinster Blutpünktchen. Aber auch flächenhafte Blutungen unter der Haut und wiederholt und spontan auftretendes Nasen- oder Zahnfleischbluten gehören zu den möglichen Symptomen.

Sind die Gerinnungsfaktoren betroffen, finden sich bei vielen Betroffenen auffällige Hämatome (blaue Flecke) oder Blutungen in den Gelenken, die sich als schmerzhafte Schwellungen äußern. Ungewöhnlich starke und lange Blutungen nach Bagatell-Verletzungen und lang anhaltendes Nachbluten im Zusammenhang mit Operationen können ebenfalls Hinweise auf eine erhöhte Blutungsneigung sein. Großflächige Blutungen mit massivem Blutverlust können zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen (Schock, Verbluten). Sind die Ursachen jedoch behandelbar oder verschwinden von selbst, bildet sich auch die erhöhte Blutungsneigung zurück.

Diagnose

Der Verdacht auf erhöhte Blutungsneigung ergibt sich in vielen Fällen durch die äußerlich sichtbaren Symptome, beispielsweise während einer körperlichen Untersuchung. Im Patientengespräch werden Fragen nach bestimmten Erkrankungen und Medikamenten gestellt. Gefäßschäden als Ursache einer erhöhten Blutungsneigung lassen sich mithilfe einer Blutdruckmanschette am Oberarm erkennen: Treten nach dem Aufblasen stecknadelgroße Blutpünktchen auf, kann das Hinweis auf eine leichte Verletzlichkeit der Blutgefäße und eine erhöhte Blutungsneigung sein.

Die sogenannten Globalteste bei Blut-Untersuchungen erfassen mehrere Gerinnungsfaktoren und damit bestimmte Teile des Gerinnungssystem, allerdings vorrangig bei schweren Störungen. Leichtere Beeinträchtigungen sind oft nur in speziellen Tests nachweisbar. Zu ihnen gehören Untersuchungen zur Anzahl und Funktion der Blutplättchen, zur Quantifizierung bestimmter Zwischenprodukte des Gerinnungssystems und genetische Analysen. In Einzelfällen erhärten Blutparameter, die die Funktion der Leber und der Nieren widerspiegeln, die Diagnose der erhöhten Blutungsneigung oder geben Hinweise auf Begleiterkrankungen.

Komplikationen

Durch eine erhöhte Blutungsneigung können sich verschiedene Komplikationen ergeben. Grund dafür ist das langsame Gerinnen des Blutes. In manchen Fällen bleibt die Gerinnung sogar völlig aus. Das Risiko von Folgeerscheinungen besteht in erster Linie, wenn keine medikamentöse Therapie erfolgt. Ansonsten wird die Blutgerinnung von Medizinern regelmäßig kontrolliert und mit entsprechenden Arzneimitteln behandelt, was die Komplikationsgefahr absenkt. Patienten, bei denen eine erhöhte Blutungsneigung besteht, haben häufig mit Nasenbluten zu kämpfen. Dabei reichen schon kleine Schädigungen in der Nase aus, um eine ausgeprägte Blutung zu verursachen. Ebenso möglich ist verstärktes Zahnfleischbluten.

Grundsätzlich fallen die Blutungen zu intensiv aus und halten zu lange an. Darüber hinaus besteht die Gefahr von großflächigen Blutungen, Einblutungen in die Muskeln oder Gelenke sowie das Entstehen von ausgeprägten Blutergüssen (Hämatomen), obwohl es sich nur um leichte Verletzungen handelt. Als typisches Merkmal gilt eine scharfe Begrenzung der großflächigen Blutungen.

Eine weitere mögliche Folgeerscheinung ist das Auftreten einer Zahnfleischentzündung. Dies kann geschehen, wenn Bakterien zu den beeinträchtigten Stellen vordringen. Schlimmstenfalls eitert die Entzündung und weitet sich zu einem Abszess aus. Im Extremfall drohen durch die hämorrhagische Diathese eine Blutvergiftung (Sepsis) oder schwer zu stillende innere Blutungen.

Komplikationen sind zudem bei der Abheilung von Blutergüssen im Bereich des Möglichen. Zum Beispiel entsteht durch die Ansammlung von Blut unterhalb der Haut Unterdruck.

Behandlung und Therapie

Die Behandlung einer erhöhten Blutungsneigung erfolgt in Abhängigkeit von der Ursache und der Ausprägung. Leichte Blutungsneigungen sind nicht in jedem Fall behandlungsbedürftig. Tritt eine erhöhte Blutungsneigung infolge einer anderen Erkrankung auf, ist die Beseitigung dieser Ursachen das vorrangige Ziel. Funktionsstörungen der Blutplättchen, z. B. auf Grund von autoimmunen Reaktionen, werden durch die Gabe von Immunsuppressiva zur Herabsetzung der selbstzerstörerischen Immunreaktion behandelt.

Sind Medikamenten-Nebenwirkungen für die erhöhte Blutungsneigung verantwortlich, muss abgewogen werden, ob eine angepasste Anwendung oder das Absetzen zielführend ist. Zu den klassischen Medikamenten, die ein Blutungsrisiko hervorrufen, gehören Cumarin-Abkömmlinge in der Antikoagulantien-Therapie. Die richtige Dosierung wird über regelmäßige Blutkontrollen eingestellt. Bei Über-Dosierung oder akuten Operationen muss die Wirkung des Medikaments durch das entsprechende Gegenmittel (Vitamin K) neutralisiert werden.

Bei einem Gerinnungsfaktor- oder Thrombozyten-Mangel kann bei geplanten Operationen eine Ersatztherapie notwendig sein. Treten akute Blutungen auf, muss bei Patienten mit erhöhter Blutungsneigung schnell gehandelt werden. Für die lokale Blutstillung eigenen sich Wundauflagen und Druckverbände. Blutstillende Gaze, die mit gerinnungsfördernden Substanzen getränkt ist, wird direkt auf die blutende Wunde gelegt und unterstützt auf diese Weise den Wundverschluss.


Vorbeugung

Es ist schwierig, einer erhöhten Blutungsneigung vorzubeugen. Eine bewusste Lebensführung hilft den Betroffenen, die Gefahren akuter Blutungen zu minimieren. Riskante Situationen und gefährliche Sportarten zu vermeiden sowie die Geschicklichkeit und den Gleichgewichtssinn zu trainieren, hilft, von Verletzungen verschont zu bleiben.

Größere Wunden benötigen zur Wundheilung neben Eiweiß auch Zink und Vitamine. Ein Mangel behindert die Blutstillung. Eine gute Durchblutung unterstützt die Wundheilung. Gesunde Ernährung und Bewegung können deshalb zu den vorbeugenden Maßnahmen gegen eine verzögerte Blutstillung gezählt werden.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2013
  • Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021

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