Zwanghaftes Essen
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Zwanghaftes Essen kann je nach Schwere und Ausmaß des Symptoms eine Essstörung sein. Bei diesem Symptom handelt es sich um ein komplexes Problem, das zahlreiche verschiedene Ursachen haben kann. Es muss allerdings eine klare Abgrenzung zum harmlosen Überessen an Festtagen oder beim restaurantbesuch unterschieden werden. Nur so kann die Ursache erforscht und eine Diagnose gestellt werden.
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Was ist zwanghaftes Essen?
Zwanghaftes Essen ähnelt in vielen Fällen einem suchtähnlichen Verhalten. Die betroffenen Personen essen übermäßig viel und nehmen auch dann noch Nahrungsmittel zu sich, wenn sie schon völlig übersättigt sind. Das Verhalten der betroffenen Person ist dann häufig unvernünftig: Dem Drang, noch mehr zu essen, kann nicht widerstanden werden. Meistens geht die Entscheidungsfähigkeit beim Essen verloren. Das zwanghafte Essen kann jedoch nicht nur als bloßes Überessen auftreten: In vielen Fällen ist das zwanghafte Essen auch Teil der Bulimie. Hier wird das Essen im Anschluss mutwillig wieder erbrochen.
Zu unterscheiden ist das zwanghafte Essen von klassischen Heißhungerattacken, die bei jeder gesunden Person hin und wieder vorkommen können. Zwanghaftes Essen tritt in der Regel über einen längeren Zeitraum auf und geht bei nicht-bulimischen Szenarien häufig mit Übergewicht einher, was die Problematik für die betroffenen Personen noch schwieriger macht. Die meisten Menschen, die unter zwanghaftem Essen leiden, schämen sich.
Ursachen
Soziale Faktoren spielen bei der Ursachenforschung ebenfalls eine Rolle. Wer als Kind aufgrund eines etwas erhöhten Gewichts gemobbt wurde, neigt später eher zu zwanghaftem Essen. Zu den sozialen Faktoren zählt allerdings auch das verbreitete Schönheitsideal: Da in Werbungen wie auch in den Medien vorrangig schlanke, hübsche Frauen präsent sind, leidet das Selbstbewusstsein vieler Menschen darunter. In den meisten Fällen handelt es sich bei dem zwanghaften Essverhalten daher um junge Frauen, die betroffen sind.
Krankheiten
Wann zum Arzt?
Bei zwanghaftem Essen sollte auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden. Es ist in der Regel nicht möglich und auch nicht ratsam, dieses Symptom zu Hause zu behandeln. Das zwanghafte Essen führt in den meisten Fällen zu einem relativ starken Übergewicht, was einen extrem ungesunden Zustand für den menschlichen Körper darstellt. Daher muss ein Arzt, in der Regel ein Psychologe, diese Störung behandeln.
Oft werden Patienten auch in eine geschlossene Anstalt eingewiesen, falls sie sich selbst Schaden zufügen können oder vom Essen stark abhängig sind. Die Behandlung selbst erfolgt in erster Linie durch einen Psychologen, der die Ursachen und Gründe für die zwanghafte Ernährung auffindet. Darüber hinaus muss sich der Betroffene auch sportlich betätigen, um einen gesunden Körper zu erhalten und damit dem Zwang nach Essen entgegenzuwirken. Oft dauert die Behandlung mehrere Monate und führt nicht in jedem Fall zu einem Erfolg.
Falls keine Behandlung angetreten wird, können durch das verursachte Übergewicht schwere Probleme auftreten. Treten Symptome wie Herzrasen oder Herzstolpern auf, sollte unverzüglich ein Arzt aufgesucht werden. Ebenso wenn eine extreme Müdigkeit, Unwohlsein und Abgeschlagenheit in Verbindung mit zwanghaftem Essen auftreten, ist ein Arztbesuch unerlässlich.
Diagnose und Verlauf
Die Diagnose gestaltet sich bei zwanghaftem Essen als besonders schwierig. Um als die Esstörung Binge Eating Disorder klassifiziert zu werden, müssen die Heißhungerattacken an mindestens zwei Tagen pro Woche über sechs Monate hinweg auftreten. Außerdem muss das zwanghafte Essen weiteren Kriterien standhalten. Das Essen soll für diese Diagnose zum Beispiel schnell und ohne Hungerfühl geschehen, ein unangenehmes Gefühl soll dabei einsetzen und die Heißhungerattacken sollen eine Belastung für die Person darstellen. Auch Scham, Ekel oder Depressionen nach dem Essanfall gehören zu den Kriterien. Mindestens drei dieser Faktoren müssen zutreffen. Erst dann kann die Esssucht diagnostiziert werden.
Wird die Krankheit nicht frühzeitig erkannt, können die Essanfälle mit der Zeit immer intensiver und häufiger auftreten. Dies führt über kurz oder lang zu einer Gewichtszunahme, denn im Gegensatz zur Bulimie werden bei dem zwanghaften, übermäßigen Essen in der Regel keine Versuche unternommen, die Gewichtszunahme – zum Beispiel durch Erbrechen – zu verhindern. Als Folge des steigenden Gewichts nimmt die Scham der betroffenen Person zu und das gestörte Selbstbild intensiviert sich, wodurch das zwanghafte Essen wiederum verstärkt wird. Ohne Diagnose und Behandlung entsteht damit ein belastender Teufelskreis.
Komplikationen
Bei den meisten Menschen ist mit zwanghaftem Essen ein ständiges Überessen mit Lebensmitteln gemeint. Die betroffenen Menschen stopfen sich wie Süchtige mit Unmengen Essen voll. In seltenen Fällen kann das zwanghafte Essen aber auch Dinge betreffen, die man normalerweise nicht isst. Diese Komplikation einer Essstörung nennt man Pica-Syndrom. Dabei verzehren die Betroffenen allerdings keine größeren Mengen Lebensmittel. Sie essen stattdessen ungenießbare oder gar ekelhafte Dinge. Es kann sich dabei um das zwanghafte Aufnehmen von Erde, Kalk, Sand, Lehm, Papierschnipseln, Steinen, Abfall, Haaren oder ungenießbaren Pflanzenteilen handeln. Diese Substanzen haben keinen Nährwert. Als Komplikation können sie zu Vergiftungen, zu Mangelernährung oder Verstopfung führen.
In machen Kulturen ist es üblich, die Asche Verstorbener mit dem Blut eines Tieres zu vermischen und zu trinken. In unserer Kultur wäre ein solches Verhalten nicht angemessen. Die Pica-Syndrom genannte Essstörung wird daher meist bei Menschen diagnostiziert, die ohnehin als psychisch krank oder dement gelten. Auch bei verwahrlosten Personen oder Autisten wurde ein solches Verhalten bereits beobachtet. Zwanghaftes Essen von Ungenießbarem ist also an sich schon eine Komplikation. Häufig zeitigt das zwanghafte Essen von lebensmittelfremden Substanzen Folgen wie Vergiftungen, Nährstoffmängel, Verletzungen innerer Verdauungsorgane oder andere Beeinträchtigungen des Verdauungstraktes. Eine der schlimmsten Komplikationen des Pica-Syndroms ist der Darmverschluss.
Behandlung und Therapie
Die Behandlung richtet sich nach der vorliegenden Ursache. Grundsätzlich ist es wichtig, einen Arzt zu kontaktieren, wenn die Symptome festgestellt werden. Aus eigener Kraft schaffen es die betroffenen Personen meistens nicht, wieder zu einem gesunden Verhältnis dem Essen gegenüber zurückzufinden. Um das zwanghafte Essen therapieren zu können, müssen also Auslöser erkannt werden. Da es sich dabei in der Regel um emotionale und psychische Probleme handelt, ist es ratsam, dem Problem mit einer Psychotherapie entgegenzuwirken. Hier können die Auslöser, die häufig verdrängt werden, aufgearbeitet werden: Missbrauch oder Mobbing der Kindheit, Selbstzweifel oder Depressionen werden hier besprochen und geklärt.
Langfristig lernt die betroffene Person so, mit den eigenen Emotionen umzugehen und die eigenen Gefühle zu managen. Gesunde Ventile für unangenehme Situationen werden gefunden. Häufig wird der betroffenen Person empfohlen, bei Stress oder Wut Sport zu treiben, anstatt Flucht im Essen zu suchen. Auch das normale Hungergefühl und die normale Sättigung werden in den Sitzungen besprochen.
Auf lange Sicht muss die betroffene Person lernen, wieder normal zu essen. Der medizinische Ansprechpartner kann hierzu einen Ernährungsplan erstellen, der gesunde Mengen an ausgewogenen Lebensmitteln beinhaltet. Auch ein Sportprogramm kann auf die individuelle Person zugeschnitten und konzipiert werden. Dadurch wird auch dem häufig vorkommenden Übergewicht entgegengewirkt. Anders als bei anderen Suchtmitteln wie Alkohol oder Drogen ist es bei einem zwanghaften Essverhalten nicht möglich, das Suchtmittel konsequent zu vermeiden, was die Therapie schwierig macht.
Vorbeugung
Quellen
- Payk, T.R.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart
- Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
- Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 14. November 2021
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