Künstliches Koma

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das künstliche Koma ist nicht mit dem tatsächlichen Koma zu verwechseln. Es handelt sich um einen kontrollierten Tiefschlafzustand, bei dem sich der Körper erholen soll. Laut Fachleuten sind die Risiken des künstlichen Komas denkbar gering.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein künstliches Koma?

Das künstliche Koma wird eigentlich zu Unrecht als solches bezeichnet. Es handelt sich nicht um ein tatsächliches Koma, sondern viel mehr um eine kontrollierte Langzeitnarkose. Der Patient wird dabei gezielt in einen medikamenteninduzierten Tiefschlaf versetzt. Auf diese Weise wird er von äußeren Stressfaktoren und Schmerzen befreit. Sein Körper kann sich in diesem Zustand besser erholen. Auf der Intensivstation wird er rund um die Uhr von Ärzten überwacht.

Die meisten Organe arbeiten während des Komas zuverlässig weiter. Die Atmung erfolgt maschinell. Die Ernährung erfolgt meist intravenös. Ein künstliches Koma kann unterschiedliche Tiefe erreichen. Schwache künstliche Komas erleichtern das Aufwachen und werden tiefen Formen daher bevorzugt. Der komatöse Zustand hält abhängig vom Einzelfall zwischen Tagen und Monaten an.

Anwendungsgebiete

Das künstliche Koma bietet sich zu unterschiedlichen Indikationen an. Nach schweren Operationen besteht zum Beispiel diese Heilanzeige, so zum Beispiel nach bestimmten Herzoperationen oder Gehirneingriffen. In diesen Fällen profitiert der Patient im Tiefschlafzustand von Schmerzlosigkeit.

Darüber hinaus verschafft der künstliche Tiefschlaf dem Körper des Patienten Zeit, die Eingriffswunden heilen zu lassen. Im Schlafzustand laufen regenerative Prozesse mit wesentlich höherer Geschwindigkeit ab als im Wachzustand.

Da der Körper im Wachzustand mehr Energie für einzelne Körperfunktionen wie Motorik und Wahrnehmung aufwendet, bleibt für Regeneration wesentlich weniger Energie übrig als im schlafenden Zustand.

Auch Gifte werden im Tiefschlaf besser und schneller aus dem Körper abtransportiert als im Wachzustand. All diese Effekte macht sich das künstliche Koma zu Nutze. Eine weitere Indikation auf ein künstliches Koma können schwerwiegende Krankheiten und Unfälle stellen. Besonders nach schweren Schädel-Hirn-Traumata oder Schlaganfällen macht das künstliche Koma oft Sinn, um die Gehirnfunktionen nicht zu gefährden.

Bei Traumata des Schädels sowie bei Krankheitsprozessen wie dem Schlaganfall schwillt das Gehirn des Patienten an. Dadurch steigt der Hirndruck. Nervengewebe und Blutgefäße des Hirns werden so schlimmstenfalls verklemmt und sterben ab, sodass Lebensgefahr bestehen kann. Im künstlichen Koma sinkt der Sauerstoff- und Nährstoffbedarf des Gehirns, wodurch das Hirn abschwillt. Der Hirndruck nimmt wieder ab und die Lebensgefahr geht zurück.

Typische Anwendungsgebiete des künstlichen Komas:

Wie lange dauert ein künstliches Koma?

Um Patienten ins künstliches Koma zu versetzen, kommt in der Regel eine Kombination aus Narkosemedikamenten und Schmerzmitteln zum Einsatz. Die genaue Medikamentenmischung hängt von Zustand des Patienten im Einzelfall ab. Die Dosierung entscheidet außerdem darüber, wie flach oder tief ein künstliches Koma ausfällt. Wie lange Patienten im künstlichen Koma bleiben müssen, unterscheidet sich von Fall zu Fall.

Die Grunderkrankung oder Schwere der Verletzungen hat einen wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung über die Zeitspanne. Der Körper kann sich bei leichteren Grunderkrankungen in wenigen Tagen erholen. Meist dauert ein künstliches Koma allerdings mehrere Wochen. Monate sind möglich, jedoch nicht die Regel. Je länger der Patient nämlich im künstlichen Koma liegt, desto wahrscheinlicher werden Komplikationen wie die Lungenentzündung.

Was geschieht bei einem künstlichen Koma?

Bei entsprechender Indikation diskutiert ein interdisziplinäres Ärzteteam die Risiken und Nutzen eines künstlichen Komas für den Zustand des einzelnen Patienten genau. Falls die Nutzen überwiegen, wird der Patient intubiert, damit er über eine Hohlsonde mit der Beatmungsmaschine verbunden werden und künstlich beatmet werden kann. Außerdem wird dem Patienten ein Zugang zur intravenösen Verabreichung der Schmerz- und Schlafmittel gelegt.

Außerdem muss der Patient vor Thrombosen geschützt werden. Medikamente mit unterschiedlicher Wirkung werden zur Einleitung des Komas eingesetzt: neben Sedative, Hypnotika, Benzodiazepinen und Propofol kommen Opioidanalgetika und Psychopharmaka zum Einsatz. In der Regel orientieren sich die Ärzte an der Richmond Agitation Sedation Scale. Auf der Intensivstation wird der Patient für die Zeit des Komas genau beobachtet. Einer der wichtigsten Parameter ist in diesem Zusammenhang der Hirndruck. Bei steigendem Hirndruck müssen gegebenenfalls operative Interventionen stattfinden, so zum Beispiel die Eröffnung der Schädeldecke.

Alle Vitalfunktionen des Patienten werden regelmäßig unter die Lupe genommen. Sobald sich der Kreislauf des Patienten stabilisiert hat und die Ärzte den Patienten wieder für stressresistent halten, leiten sie das Ausschleichen des Komas ein. Sie reduzieren Stück für Stück die Schlafmittelzufuhr und behalten die Vitalfunktionen dabei genau im Auge. Bei etwaigen Komplikationen muss die Schlafmitteldosierung gegebenenfalls neu angepasst werden und das Ausschleichen muss verzögert erfolgen.

Wie verläuft die Aufwachphase?

Die Ärzte erwecken den Betroffenen aus seinem künstlichen Koma, sobald sich die Indikation für das Koma beruhigt hat. Die Dosierung der Narkosemittel wird langsam reduziert, damit der Organismus des Patienten nicht überfordert wird. Werden Narkosemittel zu schnell ausgeschlichen, treten Entzugserscheinungen, ein akuter Verwirrtheitszustand oder Krampfanfällen ein.

Die Länge des Komas, das Alter des Patienten, seine Konstitution und sein Gesundheitszustand bestimmten über die Dauer des Ausschleichens. Meist bleibt die künstliche Beatmung weiter bestehen, da sich die Atemmuskeln vor allem bei längeren Komas zurückbilden. Schritt für Schritt werden die Patienten vom Beatmungsgerät entwöhnt. Patienten längerer Komas brauchen teils Wochen, um wieder selbstständig zu atmen. Symptome wie Verwirrtheit, Angststörung, Schlafstörung, Schmerzen und Wahnvorstellungen sind reguläre Beschwerden nach einem künstlichen Koma.

Der Körper steht nach einem künstlichem Koma unter extremem Stress. Damit der Blutdruck des Betroffenen im Normalbereich bleibt und der Patient sich beispielsweise nicht durch das unkontrollierte Entfernen von Kathetern oder Drainagen gefährdet, werden oft Beruhigungsmittel während dem Aufwachen gegeben. Nach dem Koma ist durch Tageslicht und den Einsatz von Uhren, Schlafmasken oder Ohrstöpseln wieder ein geregelter Tag-Nacht-Rhythmus anzustreben. Bekannte Gerüche, alte Fotos, Musik oder bekannte Objekte helfen bei der Überwindung des Delir.

Wer übernimmt die Kosten?

Das künstliche Koma wird bei entsprechender Indikation von der Krankenkasse übernommen. Allerdings kann nach dem Krankenhausaufenthalt abhängig von der Krankenkasse und Versicherungsart eine Selbstbeteiligung vom Patienten verlangt werden. In der Regel beträgt diese Selbstbeteiligung zehn Euro pro Tag und insgesamt höchstens 280 Euro. Patienten mit Zusatzversicherungen müssen meist keine Selbstbeteiligung beisteuern.


Risiken, Komplikationen und Nebenwirkungen

Die Risiken und Nebenwirkungen des künstlichen Komas sind gering. Erst beim Erwachen stellen sich teils Schwierigkeiten ein, da die Regelsysteme oft nicht unmittelbar störungsfrei laufen. Durch das Ausschleichen ist diesem Risiko relativ gut vorzubeugen.

Delir ist die mitunter verbreitetste Nachwirkung des künstlichen Tiefschlafs. Wenn Patienten nicht aus dem künstlichen Koma aufwachen, liegt das in der Regel nicht am Koma selbst, sondern an den Verletzungen.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2011
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2013
  • Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 16. November 2021

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