Nabelschnurblut

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Schon die Kleinsten unserer Gesellschaft können inzwischen Leben retten – und zwar mit den Stammzellen aus ihrem Nabelschnurblut. Es ist der Teil des kindlichen Blutes, der noch in Nabelschnur und Plazenta zu finden ist, nachdem das Kind abgenabelt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Bei Nabelschnurblut handelt es sich um das Blut eines neugeborenen Kindes, das nach der Abnabelung noch in Nabelschnur und Plazenta vorhanden ist. Forscher haben schon gegen Ende der 1980er Jahre festgestellt, dass der Gehalt an Stammzellen im Nabelschnurblut sehr hoch ist. Diese Stammzellen aus dem Nabelschnurblut eignen sich optimal für die Differenzierung (Entwicklung) sämtlicher Blutzellen im menschlichen Organismus.

Alle Faktoren, die für die Blutbildung notwendig sind, gehen während der Entwicklung im Mutterleib über die Nabelschnur auf das Kind über. Deshalb ist der Anteil an so genanntem pluripotentem Zellmaterial sowohl in der Nabelschnur als auch in der Plazenta sehr hoch. Dabei handelt es sich um Stammzellmaterial, welches die Fähigkeit besitzt, sich zu Zellen der Keimblätter (Ekto-, Endo- und Mesoderm) sowie der Keimbahn im Organismus zu entwickeln.

Anatomie

Nabelschnurblut hat eine bedeutende Eigenschaft: Es kann ohne jegliches Risiko gewonnen werden. Es ist außerdem so gut wie nicht durch Viren, Bakterien oder Tumorzellen verseucht und besitzt ein hohes Vermehrungspotenzial. Die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut können sich zu sämtlichen Blutzellen im menschlichen Körper entwickeln und chromosomale Anormalitäten sind sehr gering.

Gewonnen werden kann das Nabelschnurblut nur zum Geburtszeitpunkt eines Kindes in begrenzter Menge. Es ist nicht ausgeschlossen, dass im Nabelschnurblut bestimmte Gendefekte vorhanden sind. Die Stammzellen können sich nicht nur zu Blutzellen, sondern auch zu anderen Zelltypen entwickeln. Dazu gehören unter anderem Nerven-, Muskel-, Knochen-, Leber-, Knorpel- und Gefäßzellen.

Es handelt sich dabei um so genannte adulte Stammzellen, die außerdem multipotent sind und deshalb unterschiedliche Möglichkeiten der Entwicklung in sich tragen. Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften können Stammzellen aus dem Nabelschnurblut auch dann transplantiert werden, wenn die Übereinstimmung des Gewebes weniger als 100 Prozent beträgt. In diesem Fall ist die Abstoßungsgefahr nicht ganz so hoch.

Funktion

Vor allem die Stammzellen im Nabelschnurblut sind von großem Nutzen und können bei Blutkrebs (Leukämie) lebensrettend sein. Da die Menge der Stammzellen jedoch gering ist, eignet sich die Therapie vorrangig für Kinder. Bei Erwachsenen muss unter Umständen eine zweite Dosis von Nabelschnurblutzellen mit entsprechender Kompatibilität verabreicht werden.

Ein Vorteil der Stammzellen aus dem Nabelschnurblut: Sie halten sich über einen Zeitraum von teilweise mehr als 20 Jahren, ohne dass sie dabei Vitalität und Proliferationsfähigkeit verlieren.

So genannte allogene Transplantationen (Fremdtransplantationen) sind bei einer Therapie der Regelfall. Sowohl bei der Behandlung von Leukämie als auch bei einigen Blutgerinnungsstörungen erfolgt die Behandlung in dieser Form. Hierbei werden einem Patienten Stammzellen von einem geeigneten Spender übertragen.

Die antogene Transplantation (Eigentransplantation) kommt hingegen wesentlich seltener vor. Bei Erkrankungen wie dem Neuroblastom, Diabetes mellitus Typ I, dem Retinoblastom und der aplastischen Anämie sowie bei frühkindlichen Hirnschädigungen ist die Eigentransplantation durchaus geeignet.

Dennoch ist die private Einlagerung von Nabelschnurblut umstritten, denn gerade bei Erkrankungen wie Leukämie wird vorrangig fremdes Nabelschnurblut verwendet, da das eigene Blut und somit die Stammzellen auch erkrankte Zellen enthalten kann.

Für eine Transplantation eignen sich vorzugsweise Stammzellen aus Nabelschnurblut von Geschwistern, da die Gewebeübereinstimmung wesentlich höher ist. Liegt also bereits eine Erkrankung bei einem Kind vor, kann bei einem zweitgeborenen Kind gezielt Nabelschnurblut entnommen werden, um es für eine spätere Behandlung des erkrankten Kindes aufzubereiten.

Eine solche so genannte gerichtete Spende von Nabelschnurblut ist für Eltern kostenfrei, so dass flächendeckend eine Nabelschnurblutspende für Familienmitglieder möglich wird.

Nabelschnurblut und dessen enthaltene Stammzellen können auch für die Stammzellforschung gespendet werden. Hier wird die Wirkungsweise der Stammzellen untersucht, um neue Erkenntnisse zu Therapien von Krankheiten zu entwickeln, die auf Stammzellen basieren. Für Eltern sind Spenden an die Stammzellforschung kostenfrei, jedoch nicht flächendeckend durchführbar. Eine solche Spende ist auch nicht möglich, wenn die Mutter in den Wochen vor der Geburt zum Beispiel die Anti-D-Prophylaxe bei Rhesus-Inkompatibilität erhalten hat.



Erkrankungen

Die Behandlung mit Stammzellen aus dem Nabelschnurblut ist weitgehend frei von Nebenwirkungen. Relativ häufig wird jedoch eine feingeweblich fassbare sowie chronische Entzündung des Dickdarms beobachtet. Diese geht nicht selten mit einer granulomatösen Entzündung einher.

Stammzellen können zudem familiär vererbbare, nicht erkennbare Krankheiten oder auch eine bei der Geburt aufgetretene Verunreinigung mit Bakterien aufweisen.

Bei der Behandlung von Leukämie ist eine so genannte „Transplantat-gegen-Leukämie-Reaktion“ (Abwehrreaktion gegen die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut) grundsätzlich erwünscht. Bei Stammzellen aus Nabelschnurblut kann diese möglicherweise nicht stattfinden, weshalb es bei der Therapie von Leukämie auch kontraproduktiv sein kann.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Ludwig, M.: Gynäkologische Endokrinologie. Ein Handbuch für die Praxis, 2.Auflage, optimist Fachbuchverlag, 2011
  • Weyerstahl, T., Stauber, M. (Hrsg.): Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart 2013
  • Kirschbaum, M., et al.: Checkliste Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart 2005

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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Letzte Aktualisierung am: 16. November 2021

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