Phenprocoumon

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Phenprocoumon ist ein gerinnungshemmendes Arzneimittel, das in erster Linie als Antithrombotikum zur Reduzierung eines vorliegenden Thromboserisikos zur Anwendung kommt. In Deutschland ist Phenprocoumon in erster Linie als Marcoumar® bekannt und im Handel erhältlich.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Phenprocoumon?

Phenprocoumon (C18H16O3) gehört als gerinnungshemmender Wirkstoff zur Gruppe der Antikoagulantien (Blutverdünner). Der Vitamin-K-Antagonist hemmt indirekt die Synthese bestimmter Gerinnungsfaktoren und reduziert somit die Blutgerinnungsneigung und wirkt der Bildung von Blutgerinnseln entgegen (Antithrombotikum).

Phenprocoumon stellt ein lipophiles Racemat dar, das der Gruppe der 4-Hydroxycumarine zugeordnet wird. Der Wirkstoff selbst liegt als feines, weißliches Pulver in kristalliner Form vor und ist nahezu wasserunlöslich. In Deutschland ist Phenprocoumon vor allem als Marcoumar® bekannt.

Pharmakologische Wirkung auf Körper und Organe

Phenprocoumon weist eine gerinnungshemmende Wirkung auf, die auf die Hemmung der sogenannten Vitamin-K-Epoxid-Reduktase, eines Enzyms, das an der Synthese verschiedener Blutgerinnungsfaktoren in der Leben partizipiert, zurückgeführt werden kann. Hierzu verdrängt Phenprocoumon kompetitiv das Vitamin K, das als Cofaktor zur Bildung der Gerinnungsfaktoren II; VII, IX sowie X erforderlich ist, von den sogenannten Apoenzymen in der Leber.

In der Folge liegen inaktive bzw. lediglich restringiert funktionstüchtige Gerinnungsfaktoren vor. Phenprocoumon wird im Magendarmtrakt resorbiert und in erster Linie über die Cytochrome CYP2C9 sowie CYP3A4 metabolisiert (verstoffwechselt).

Die Wirkung von Phenprocoumon kann durch unterschiedliche Substanzen beeinträchtigt werden. So erhöhen beispielsweise parallel applizierte nicht-steroidale Antirheumatika, Acetylsalicylsäure, Fibrate (Cholesterinsenker), Triazole und Imidazole (Antimykotika), Allopurinol (Gichtmittel), Amiodaron, Chinidin, Propafenon (Antiarrhythmika), Tamoxifen (Zytostatikum), Sulfonamide und Cephalosporine die Blutungsneigung.

Dagegen korrelieren Substanzen wie Barbiturate, Diuretika, Glukokortikoide, Carbamazepin (Epilepsiemittel), Rifampicin (Antibiotikum), Thiouracil und Mercaptopurin (Krebsmittel) und Colestyramin (Cholesterinsenker) mit einer Wirkungsminderung.

Zudem können bestimmte Kontrazeptiva (insbesondere östrogenhaltige Verhütungsmittel) eine beschleunigte Ausscheidung von Phenprocoumon sowie eine erhöhte Bildung von Gerinnungsfaktoren bedingen und sich entsprechend reduzierend auf die blutverdünnende Wirkung auswirken.

Medizinische Anwendung

Phenprocoumon kommt insbesondere prophylaktisch sowie therapeutisch bei venösen Thrombosen (u.a. Bein-, Beckenvenenthrombosen) und Embolien (u.a. Lungenembolie) zum Einsatz. Zudem kann Phenprocoumon im Rahmen einer Langzeittherapie bei Myokardinfarkten (Herzinfarkten) zur Reduzierung des Risikos für einen Gefäßverschluss sowie bei rheumatisch bedingten Herzkrankheiten mit Klappenfehlern zur Anwendung kommen.

Anders als Heparine, die ebenfalls eine gerinnungshemmende Wirkung aufweisen, kann Phenprocoumon in Tablettenform appliziert werden und muss nicht subkutan (unter die Haut) injiziert werden. Hierbei setzt nach etwa 36 bis 72 Stunden die Wirkung ein, die nach circa 36 bis 48 Stunden ihr Maximum erreicht und nach dem Absetzen noch bis etwa 5 Tage anhält. Entsprechend kann durch Phenprocoumon in sehr geringer Dosierung eine lang anhaltende und gleichmäßige Wirkung erzielt werden, während bei einer raschen Blutgerinnungshemmung eine zusätzliche Heparintherapie indiziert sein kann.

Die individuelle Dosierung wird anhand der Resultate der Blutuntersuchung, insbesondere der spezifisch vorliegenden Thromboplastinzeit (Quick-Wert, INR-Wert), bestimmt und im Verlauf der Therapie fortlaufend kontrolliert und gegebenenfalls angepasst.

Vor allem bei Vorliegen einer Leberfunktionsstörung sowie chronischem Alkoholabusus ist eine engmaschige Kontrolle des Therapieerfolgs und der Dosierung angezeigt, da durch eine parallele Phenprocoumon-Therapie unter anderem die Thrombozytenfunktion beeinträchtigt werden kann.

Eine Schwangerschaft, Überempfindlichkeit gegenüber Phenprocoumon, erhöhte Blutungsneigung, ein nicht kontrollierbarer Bluthochdruck, eine ausgeprägte Schädigung des Leberparenchyms, manifeste Beeinträchtigung der Leberfunktion, Magen-Darm-Geschwüre, Thrombozytenmangel, Blutungen im gastrointestinalen oder Urogenitaltrakt, bakteriell bedingte Entzündungen der Herzinnenhaut oder des Herzbeutels, perikardiale Ergüsse oder erhöhte Fragilität der Gefäße stellen Kontraindikationen für eine Phenprocoumon-Therapie dar.


Risiken und Nebenwirkungen

Eine Phenprocoumon-Therapie kann sehr häufig mit Blutungen wie Nasenbluten, Zahnfleischbluten, Blut im Urin sowie Hämatomen (Blutergüssen) nach Verletzungen assoziiert werden. Häufig können zudem Leberentzündungen, partiell in Kombination mit Gelbsucht, beobachtet werden.

In seltenen Fällen können ferner allergische Hautreaktionen (u.a. Pruritus, Ekzem, Urticaria, Haarausfall), Blutungen an unterschiedlichen Organen (u.a. im Bereich der Nebennieren, der Bauchspeicheldrüse, des Rückenmarks, Herzbeutels, Brustfells, Magen-Darm-Trakts, der Gelenke, Muskel), eine reduzierte Leberfunktion, Appetitlosigkeit, Diarrhoe und/oder Übelkeit festgestellt werden.

Der Wirkstoff kann darüber hinaus die Wirkung von Sulfonylharnstoffen (u.a. Glimepirid), die den Blutzuckerspiegel senken und bei Diabetes mellitus Typ 2 zum Einsatz kommen, erhöhen und entsprechend eine Hypoglykämie bedingen.

Zudem sollte während einer Phenprocoumon-Therapie wegen des Vitamin-K1-Gehaltes gegebenenfalls auf bestimmte Gemüsesorten (u.a. Spinat, unterschiedliche Kohlarten) verzichtet werden, da diese die gerinnungshemmende Wirkung mindern können.

Sehr selten können eine Beeinträchtigung des Oberschenkelfunktionsnervs infolge einer Bauchfellblutung, Leberversagen und Purpura fulminans mit einer Phenprocoumon-Therapie in Verbindung gebracht werden. Darüber hinaus kann sich im Rahmen einer langfristigen Therapie mit Phenprocoumon bei entsprechender Veranlagung eine Osteoporose oder Knochenmassereduzierung manifestieren.

Quellen

  • Aktories, K. et al.: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 12. Auflage, Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH, 2017
  • E. Burgis: Allgemeine und spezielle Pharmakologie. 3. Auflage, Elsevier GmbH, München 2005
  • Lüllmann, H. et al.: Pharmakologie und Toxikologie: Arzneimittelwirkungen verstehen - Medikamente gezielt einsetzen. 18. Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart 2016

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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