Kretinismus
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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In manchen Teilen der Welt verbreitet, in Deutschland nicht, ist eine Fehlfunktion der Schilddrüse von Neugeborenen, der Kretinismus. Diese kann verschiedene Ursachen haben und zu einer lebenslangen Behinderung führen. Die Rede ist von einer Schilddrüsenunterfunktion bei Neugeborenen. Körperliche und geistige Fehlentwicklungen sind die Folge, nicht rechtzeitig Behandlung vorausgesetzt.
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Was ist Kretinismus?
Bei der Entstehung der Krankheit spielt die Schilddrüse eine wesentliche Rolle. Die von ihr gebildeten Hormone (Trijodthyronin, Thyroxin und Calcitonin) haben vielfältige Aufgaben, die sich mit den Aufgaben und Wirkungen anderer Hormone verflechten. Sie beeinflussen den Stoffwechsel und fördern das Wachstum. Des Weiteren sind sie für die Reifung des menschlichen Körpers verantwortlich.
Kretinismus ist eine Störung in der Entwicklung bei Kindern und entsteht bei der Geburt eines Kindes, wenn die Schilddrüsenunterfunktion ausgeprägt ist. Kennzeichen dieser Entwicklungsstörung sind: Zwergwuchs, zurückgebliebene geistige Entwicklung und eine dicke Zunge und kurze Finger.
Grundsätzlich sind Vorsorge, rechtzeitige Diagnose und ärztliche Versorgung wichtig, um die Schilddrüsenunterfunktion einzudämmen und dem betroffenen Kind ein normales Leben zu ermöglichen. Bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung folgt eine normale Entwicklung des Kindes. Haben sich vor der Behandlung Fehlentwicklungen eingestellt, lassen sich weitere Symptome, die letztendlich zum Kretinismus führen, vermeiden.
Ursachen
Ursächlich für einen Kretinismus ist in diesem Zusammenhang eine Schilddrüsenunterfunktion, deren Folge Jodmangel und eine Unterproduktion von Schilddrüsenhormonen ist. Diese Unterfunktion lässt sich hinsichtlich der Entstehung in zwei Gruppen einteilen.
In Gebieten, wo Wasser und Böden wenig oder kein Jod enthalten, tritt Kretinismus als Folge von Jodmangel der Mutter während der Schwangerschaft auf: Endemischer Kretinismus. Hier ist die Schilddrüse des Kindes in der Regel normal entwickelt. Daneben gibt es den sporadischen, einzeln auftretenden Kretinismus, dessen Ursache eine angeborene Fehlfunktion der Schilddrüse ist. Weiterhin sind zu hoch dosierte Medikamente gegen eine Schilddrüsenunterfunktion in vielen Fällen ursächlich für diese seltene Krankheit.
Außerdem kann die gesamte Verlagerung der Schilddrüse für einen Kretinismus verantwortlich sein. In diesen Fällen befindet die Schilddrüse sich nicht in einer Lage, die sie befähigt, ihre Aufgaben zu erfüllten. In einigen Fällen entsteht die Krankheit durch Enzymdefekte. Enzyme steuern den Stoffwechsel und fördern oder hemmen wichtige biochemische Prozesse im menschlichen Körper. Fehlen für die Herstellung von Schilddrüsenhormonen wichtige Enzyme, kommt es zum Hormonmangel, der, ohne entsprechende Behandlung zum Kretinismus führt.
Wann zum Arzt?
Bei einem Kretinismus muss immer ein Arzt aufgesucht werden. Da es bei dieser Erkrankung nicht zu einer Selbstheilung kommt und die Krankheit zu verschiedenen Komplikationen im Erwachsenenalter des Betroffenen führen kann, sollte dabei immer eine ärztliche Behandlung stattfinden. In der Regel ist der Arzt dann aufzusuchen, wenn das betroffene Kind an einer Störung des Wachstums und der Entwicklung leidet. Vor allem die Eltern oder die Angehörigen müssen hierbei diese Störung erkennen und dann einem Arzt mitteilen. Allerdings kann das Kretinismus auch im Kindergarten oder in der Schule auffallen. Vor allem bei einem sehr ungewöhnlichen oder nur schwach ausgeprägten Knochenbau ist der Besuch bei einem Arzt notwendig.
In vielen Fällen leiden die Patienten durch den Kretinismus auch an einer Gelbsucht und nehmen deutlich an Gewicht zu. Ebenfalls kann eine Trinkstörung auf die Erkrankung hindeuten und sollte auf jeden Fall von einem Arzt untersucht werden. In erster Linie kann bei dieser Krankheit ein Allgemeinarzt oder ein Kinderarzt aufgesucht werden. Die weitere Behandlung richtet sich allerdings immer nach den genauen Ursachen der Krankheit und wird dann vom jeweiligen Facharzt durchgeführt. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung wirkt sich dabei sehr positiv auf den weiteren Verlauf der Erkrankung aus.
Diagnose
Eine Funktionsstörung der Schilddrüse stellt der Arzt mittels einer Blutuntersuchung fest. Die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut gibt ihm Aufschluss, ob eine Störung vorliegt. In Deutschland erfolgt am dritten Lebenstag des Säuglings routinemäßig eine Untersuchung des Neugeborenen. Diese hat das Ziel, den Anteil von THS (Thyreoprotin) im Blut zu messen.
THS ist ein Hormon, das die Hormonbildung und die Jodaufnahme der Schilddrüse anregt. Auf diese Weise lässt sich eine Unterfunktion der Schilddrüse leicht diagnostizieren und Kretinismus vermeiden. Ist der gemessene Wert auffällig, entnimmt der Arzt dem Säugling erneut Blut, um die Werte der Hormone T3, T4 und TSH im Blut zu prüfen. Zu niedrige T3- und T4-Werte sind ein Zeichen für eine angeborene Schilddrüsenunterfunktion. Des Weiteren erhöhte TSH-Werte.
Bei auffälligen Werten überprüft der Arzt die Lage der Schilddrüse oder ob sie überhaupt vorhanden ist. Dies geschieht durch Tasten oder mittels Ultraschalluntersuchung (Sonografie). Eine Blutentnahme bei der Mutter und eine nachfolgende Untersuchung des Blutes ist eine weitere Möglichkeit, nach Ursachen für den Mangel an Schilddrüsenhormonen zu suchen.
Symptome und Verlauf
Typische Symptome des Kretinismus:
- Myxödem
- Makroglossie
Symptome, die auf Kretinismus hinweisen, sind Bewegungsmangel, Verstopfung, gelb verfärbte Haut. Diese Symptome sind bei Neugeborenen nicht sichtbar, entwickeln sich nach der Geburt und lassen ebenso auf andere Krankheiten schließen. Typische Symptome, die ab der dritten Lebenswoche des Kindes sichtbar auftreten, sind: Eine nicht altersgerechte Entwicklung der Zähne und Knochen, die bei Nichtbehandlung zum Zwergwuchs oder verkürzten Fingern führt.
Des Weiteren kommt es in vielen Fällen zu einem aufgeschwemmten Aussehen, was vor allem an den Augenlidern und Händen zu sehen ist. Ursache ist das für den Kretinismus typische Myxödem, das außerdem die Haut des Kindes gelblich verfärbt und austrocknet. Außerdem schwillt die Zunge nach der dritten Woche stark an (Makroglossie) und es bildet sich ein Nabelbruch aus.
Im späteren Verlauf der Krankheit zeigt sich, dass die Muskeln des Kindes sich nicht altersgerecht entwickeln, was sich an zu schwachen Muskelreflexen zeigt. Eine Bindegewebsschwäche ist ebenfalls ein Symptom für den Kretinismus. Diese äußert sich an einem großen Bauch und in vielen Fällen an einem Nabelbruch. Wichtig bei Kretinismus ist eine rechtzeitige und ärztliche Behandlung.
Komplikationen
Kretinismus kann normalerweise gut behandelt werden und ruft keine größeren Folgeschäden hervor. Komplikationen können auftreten, wenn die Erkrankung zu spät erkannt wird oder nicht ausreichend behandelt wird. Gerade bei Kindern kann es dann zu Entwicklungsstörungen kommen, die in der Regel dauerhafte Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben. Ein gestörtes Wachstum betrifft unter anderem den Knochenbau – es kann zu Osteoporose und anderen Erkrankungen kommen, die ihrerseits mit Komplikationen verbunden sind.
Des Weiteren kann es im Verlauf eines unbehandelten Kretinismus zu einer Verfärbung der Haut kommen. Meistens nehmen die Betroffenen auch an Gewicht zu und entwickeln eine ausgeprägte Trinkstörung, die zu Dehydration und Mangelerscheinungen führen kann. Bei jungen Menschen können die Ausprägungen des Kretinismus zu Hänseleien oder Mobbing führen - es können sich seelische Leiden entwickeln, zum Beispiel soziale Ängste oder depressive Verstimmungen. Bei der Hormonbehandlung kann es zu Nebenwirkungen kommen. Auch Arzneimittel wie Schmerzmedikamente und Antidepressiva rufen unter Umständen Beschwerden hervor.
Behandlung und Therapie
Bei rechtzeitiger Erkennung des Kretinismus leitet der Arzt sofort eine Hormonbehandlung mit künstlich hergestellten Hormonen in Tablettenform ein. Diese verabreicht der behandelnde Arzt dem Säugling in regelmäßigen Abständen. Dadurch lassen sich fortschreitende Symptome der Krankheit verhindern. Der Arzt muss den Hormonspiegel des Kindes regelmäßig mittels einer Blutuntersuchung kontrollieren.
Bei Bedarf ist der Hormonstatus neu einzustellen. Die Aussicht auf Heilung ist bei frühzeitigem Beginn der Behandlung garantiert, sodass das Kind ein normales Leben führen kann. Voraussetzung ist die lebenslange Einnahme der Hormonpräparate, da es im späteren Verlauf der Krankheit noch zu Intelligenz- und Wachstumsstörungen kommen kann. Bereits vorhandene Entwicklungsstörungen sind irreversibel. Behandlungen vor der Geburt des Säuglings sind in Fällen nötig, in denen die Schilddrüse der Mutter krankhaft vergrößert ist. Neugeborene erhalten in der Regel das Hormon T4 in Tablettenform verabreicht.
Vorbeugung
Schwangere mit einer Schilddrüsenunterfunktion erhalten jodhaltige Medikamente, die verhindern, dass ihre Kinder lebenslang an den Folgen von Kretinismus leiden. Ebenso ist eine jodreiche Ernährung während der Schwangerschaft wichtig, um einen möglichen Kretinismus des Kindes vorzubeugen. Jodreiches Salz, Meeresfisch und andere Lebensmittel sind Beispiele für eine jodreiche Ernährung. Grundsätzlich ist schwangeren Frauen anzuraten, sich während der Schwangerschaftsuntersuchungen über einen eventuellen Jodmangel beraten zu lassen.
Quellen
- Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie: DGPI Handbuch: Infektionen bei Kindern und Jugendlichen, 6. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2013
- Schellenberg, I. et al.: Kinderkrankheiten von A-Z: Wo Naturheilverfahren wirken - wann Schulmedizin nötig ist, 2. Auflage, TRIAS, 2012
- Stauber, M., Weyerstahl, T.: Duale Reihe Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart 2013
- Herold, G: Innere Medizin. Eigenverlag, Köln 2014
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
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