Herzneurose (Herzstolpern)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 18. Oktober 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Herzneurose (Herzstolpern) ist eine hypochondrische Störung, bei der die Betroffenen befürchten und glauben, an einer Herzerkrankung zu leiden. Sie ist für den Betroffenen sehr beeinträchtigend und bringt einen erheblichen Leidensdruck mit sich. Es Können diverse körperliche Symptome auftreten, die alle das Herz betreffen aber nicht auf eine körperliche Ursache zurückzuführen sind. Die Patienten leiden unter einer enormen Angst, die sich akut bis zur Todesangst steigern kann. Die bei der Herzneurose angezeigte Behandlung ist eine Verhaltenstherapie.
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Was ist eine Herzneurose?
Die sogenannte Herzneurose, auch Herzangst, Herzphobie, Cardiophobie, Da-Costa-Syndrom und Effort-Syndrom genannt, ist eine psychische Störung, die im ICD-10 den hypochondrischen Störungen und im DSM-IV den Panikstörungen zugeordnet ist. Die Betroffenen befürchten oder glauben, an einer schwerwiegenden Herzerkrankungen zu leiden, ohne dass es einen objektiven Grund zu dieser Annahme gäbe. Eine körperliche Grunderkrankung besteht nicht. Die Patienten gehen trotzdem davon aus, schwer erkrankt zu sein.
Diese Angst betrifft bei der sogenannten Herzneurose das Herz. Hieraus ergibt sich, dass die Patienten eine schwerwiegende Angst empfinden und von dieser Angst phasenweise komplett übermannt werden können. Sie befürchten eine Erkrankung oder Fehlfunktion ihres Herzens, die ihrer Ansicht nach jeder Zeit zum Einstellen der Herztätigkeit und somit zum Tode führen kann. Einen objektiven Anlass hierzu gibt es nicht. Die meisten der an einer Herzneurose leidenden Patienten haben aufgrund das Herz betreffender Beschwerden eine Vielzahl von Ärzten aufgesucht, die bei Ihnen wiederum eine Reihe von Untersuchungen durchgeführt haben, ohne eine organische Ursache für die Beschwerden der Patienten finden zu können. Dies führt bei den Patienten normalerweise jedoch nicht zu einer Beruhigung, sondern zum Aufsuchen eines weiteren Arztes, da sie der festen Überzeugung sind, an einer Herzkrankheit zu leiden und "endlich die Ursache finden wollen". Dies hat jedoch keine Aussicht auf Erfolg.
Die einzigen vom Arzt feststellbaren Veränderungen sind meist ein hoher oder niedriger Blutdruck und ein schneller oder langsamer Puls. Diese jedoch werden nicht etwa durch eine Erkrankung des Herzens sondern durch die Angst des Patienten ausgelöst. Selbst bei körperlichem Wohlbefinden, wenn keinerlei Symptome oder Beschwerden vorliegen drehen sich die Gedanken des an einer Herzneurose leidenden Patienten um eine mögliche Herzerkrankung. Diese ständig bestehende Angst kann zu einem veränderten Puls und zu einem schwankenden Blutdruck führen, was den Herzphobiker in seiner Annahme einer schweren Herzerkrankung nur noch weiter bestärkt.
Normalerweise achten die Betroffenen penibel auf jede Veränderung ihrer Herztätigkeit. Jedes Stolpern, Drücken und Stechen im Brustraum wird aufgrund dieser Fokussierung bemerkt und als weiteres Indiz für das Vorliegen einer Herzkrankheit gedeutet. Im Regelfall kontrollieren Herzphobiker permanent ihren Puls und Blutdruck, was durch das einfache Erwerben solcher Messgeräte für sie kein Problem darstellt. Im Rahmen der Herzneurose treten diverse körperliche Symptome auf. Zu diesen zählen eine Enge in der Brust, extremes Schwitzen, Tachykardie, Herzstiche, Herzrhythmusstörungen, ein Zittern der Hände, ein kurzfristig erhöhter Puls, Übelkeit, Schwindel, Hyperventilation, Atemnot, Schmerzen in der Herzgegend und vom Herz ausstrahlende Schmerzen. Diese sind bei der Herzneurose jedoch nicht auf organische Ursachen zurückzuführen. Auch Todesangst tritt auf.
Ursachen
Es findet also ein psychischer Abwehrmechanismus, die Projektion, statt. Dieser Mechanismus dient dazu, Ängste und Konflikte abzuwehren und ihre Bedrohlichkeit abzuschwächen. Durch die Projektion der Ängste und Sorgen auf das Herz wird der Betroffene in gewisser Weise von seinen tatsächlichen Ängsten und Konflikten "abgelenkt". Der Abwehrmechanismus führt dazu, dass keine psychischen Sorgen und/oder Ängste wahrgenommen werden. Der betroffene Mensch ist vollkommen auf die seiner Meinung nach existierende Herzproblematik fixiert. In diesem Sinne erfüllt der psychische Abwehrmechanismus seinen Zweck: Die eigentlichen Probleme dringen nicht in das Bewusstsein vor oder werden kaum wahrgenommen.
Jedoch entsteht dem Betroffenen durch diesen Abwehmechanismus ein erheblicher Leidensdruck, weshalb die Aufarbeitung der eigentlichen Ängste und Konflikte zentral ist, um die Herzneurose zu beheben: besteht keine psychische Problematik mehr, muss diese auch nicht abgewehrt werden. Aus diesem Grund verschwindet die Symptomatik nach einer erfolgreichen psychotherapeutischen Behandlung. Die auftretenden körperlichen Symptome, zu denen eine umfangreiche Herzsymptomatik mit Schmerzen und Engegefühl im Brustbereich, Schwankungen des Pulses und des Blutdrucks und allgemeinere Symptome wie Schwindel, Übelkeit und Atemnot genauso zählen wie eine auftretende Todesangst aufgrund der vorhandenen Symptomatik sind psychosomatisch begründet, das heißt die körperlichen Beschwerden sind auf psychische Ursachen zurückzuführen.
Krankheiten
- Hypochondrische Störung
- Panikstörung
Wann zum Arzt?
Wenn ein Herzstolpern gelegentlich auftritt, so gilt es als harmlos und normal. Sogar bei jungen Menschen kann der Herzrhythmus manchmal aus dem Takt geraten, ohne dass ernsthafte Erkrankungen dahinterstecken. Wer Herzstolpern als unangenehm empfindet, kann versuchen - in Absprache mit einem Mediziner - der Herzneurose mit Hilfe von Präparaten wie Magnesium oder Kalium entgegenzusteuern.
Herzstolpern sollte aber von einem Arzt auf jeden Fall abgeklärt werden, wenn es mehrere Minuten oder oftmals sogar mehrere Stunden lang anhält. Außerdem sollte ein Mediziner hinzugezogen werden, wenn zusätzlich zum Herzstolpern Schwindel, eine Bewusstseinstörung oder Atemnot auftreten. Dann handelt es sich sehr häufig nicht mehr nur um eine Herzneurose, sondern um Herzrhythmusstörungen, die möglicherweise auf eine Herzerkrankung hinweisen können.
Außerdem kann auch eine Herzmuskelentzündung oder ein Herzklappenfehler für das Auftreten von stärkeren Herzrhythmusstörungen verantwortlich sein. Diese Erkrankungen sollten auf jeden Fall rechtzeitig erkannt bzw. behandelt werden, sodass ernste oder oftmals sogar lebensbedrohliche Folgen verhindert werden können.
Diagnose und Verlauf
Die Diagnose ist dann zu stellen, wenn der Betroffene trotz klar ausgeschlossener organischer Ursache weiterhin an Herzbeschwerden leidet und zudem eine große Angst vor einer Herzkrankheit aufweist, fest davon überzeugt ist, an einer solchen zu leiden und weitere hypochondrische Verhaltensweisen an den Tag legt. Zuerst müssen aber auf jeden Fall alle möglichen körperlichen Ursachen der Symptomatik ausgeschlossen werden.
Zum Verlauf der Erkrankung ist zu sagen, dass Betroffene Patienten häufiges ein sehr vorsichtiges Verhalten sowie ein Vermeidungsverhalten an den Tag legen. Sie suchen sehr häufig verschiedene Ärzte auf, schränken ihre körperliche Aktivität teilweise erheblich ein, da sie davon ausgehen, andernfalls ihrem Herzen zu schaden. Zudem planen sie Ihren Alltag so, dass für den ,ihrer Meinung nach ständig möglichen, Notfall vorgesorgt ist. Dazu planen sie beispielsweise Autofahrten so, dass sie möglichst häufig an Arztpraxen oder Krankenhäusern vorbeifahren, um im Notfall sofort versorgt werden zu können. Auch Telefonnummern von Ärzten werden häufig mitgeführt.
Weiterhin ist es für die Betroffenen schwierig bis unmöglich, sich in einer Region aufzuhalten, in der ärztliche Versorgung eingeschränkt oder nicht vorhanden ist. Dies erschwert beispielsweise die familiäre Urlaubsplanung erheblich. Weiterhin prägt sich mit der Zeit häufig eine "Angst vor der Angst" aus. Das bedeutet, die Betroffenen haben Angst davor, eine akute Angst zu verspüren und meiden daher jeglichen möglichen Auslöser der Angst. Haben sie an einem Ort einmal ein Herzrasen verspürt, wird dieser Ort künftig gemieden. Gibt es in einem Ort wenige oder keine Ärzte, wird dieser Ort nicht aufgesucht. Zudem ist es typisch, dass die Gegenwart eines Arztes zu einer sofortigen Besserung der Beschwerden und auch zur Beruhigung des Patienten führt.
Komplikationen
Wenn die der Herzneurose zugrunde liegenden Ängste nicht in einem frühen Stadium psychologisch behandelt werden, können sich bereits bestehende Ängste so verschlimmern, dass eine Art Angst vor der Angst auftreten kann mit der Folge, dass Betroffene im Alltag ängstlich Situationen vermeiden, von denen sie meinen, dass sie ihrem Herzen schaden können. Diese Vermeidung kann so weit gehen, dass sie sich aus ihrem sozialen Umfeld völlig zurückziehen und keinen Kontakt mehr zur Familie und zu Freunden und Bekannten mehr pflegen. Die ständige Schonhaltung kann wiederum dazu führen, dass die körperliche Fitness zurückgeht, wodurch das Gefühl bestärkt werden kann, tatsächlich krank und weniger leistungsfähig zu sein. So kann langsam ein Teufelskreis aus Angst, Vermeidung und funktionellen Symptomen entstehen.
Manchmal liegen einer Herzneurose mehrere Ängste zugrunde. Manchen Betroffenen gelingt es nicht, sich zu beruhigen, wenn sie vom Arzt hören, dass sie organisch nicht krank sind und ihr Herz völlig in Ordnung ist, dass es sich um eine funktionelle Störung auf der Basis von Ängsten handelt. Dann können sich Ängste so verselbstständigen und verschlimmern, dass es zu einem chronischen Verlauf kommen kann, bei dem sich die Betroffenen ständig ängstlich beobachten und auf Symptome warten, die dann auch prompt auf der Basis der Ängste entstehen können.
Behandlung und Therapie
Zur Behandlung einer akuten Angstsituation reicht häufig die Gegenwart eines Arztes aus, da diese den Betroffenen beruhigt. Sollte dies nicht ausreichen, können Sedativa verabreicht werden, um den Patienten zu beruhigen. Wichtig ist die möglichst frühzeitige Aufnahme einer Psychotherapie um die weitere Ausprägung der Herzangst zu verhindern. Letztendlich ist eine Psychotherapie der effektivste und auch einzige Weg, die Erkrankung zu heilen. Hier bietet sich vor allem die Verhaltenstherapie an. Wird die Behandlung direkt nach dem ersten Auftreten der Angst begonnen, kann ein weiterer phobischer Verlauf eventuell verhindert werden.
Die psychotherapeutische Behandlung dient der Aufarbeitung und Bearbeitung der zugrundeliegenden psychischen Konflikte, die unbewusst bestehen und im Zuge einer Abwehr auf das Herz projiziert werden. Mit Hilfe einer Verhaltenstherapie lernt der Patient, dass seine Beschwerden keine organische Ursache haben sondern auf psychischen Konflikten und Ängsten beruhen, die auf das Herz projiziert werden. Hat der Patient bereits ein Vermeidungsverhalten entwickelt, ist es wichtig, dieses langsam wieder aufzulösen, damit der Betroffene in seinem Alltag ohne Einschränkungen leben kann.
Aussicht und Prognose
Für viele Patienten, die an einer Herzneurose (Herzstolpern) leiden, ist die Prognose eine ganz entscheidende Information. Allerdings beziehen diese Betroffenen die Prognose leider häufig auf eine vermeintliche Herzerkrankung, an der sie zu leiden glauben. In diesem Zusammenhang ist natürlich ein gutartiger Verlauf zu erwarten. Denn das Herzstolpern, das bei vielen Patienten große Angst vor einem plötzlichen Herztod auslöst und oft auch mit Schwindel und Übelkeit verbunden sein kann, ist absolut harmloser Natur und wird von den Betroffenen nur als bedrohlich bewertet. So ist es für den Herzneurotiker nach gründlicher internistischer Abklärung seiner Beschwerden wichtig, das Problem psychologisch anzugehen.
Die Prognose für die Heurzneurose und das damit verbundene Herzstolpern hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Zum einen kann die Krankheit in der Regel umso effektiver behandelt werden, je eher sich der Patient der Tatsache stellt, dass die Ursache nicht im kardiologischen, sondern im psychologischen Bereich liegt. Zum anderen hängt die Therapie der Herzneurose auch ganz entscheidend von der Mitarbeit, der sogenannten Compliance, des Patienten ab. Er muss wieder lernen, seinen Alltag auch mit dem lästigen Herzstolpern zu bewältigen und sich dadurch nicht einschränken zu lassen. Wenn er dies, gegebenenfalls durch therapeutische Unterstützung in schwierigen Fällen, schafft und sich zunehmend mit den angstauslösenden Situationen konfrontiert, stehen die Chancen auf eine Reduzierung der Angst gut.
Vorbeugung
Eine Vorbeugung ist nicht möglich.
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin, Gerd Herold, 1. Auflage, 2013
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Roskamm, H., et al.: Herzkrankheiten. Springer, Heidelberg 2004
- Kindermann, W., et al.: Sportkardiologie. Steinkopff, Darmstadt 2007
- Bieber, C. et al.: Duale Reihe Innere Medizin, Georg Thieme Verlag, 3. Auflage, 2012
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 18. Oktober 2024
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