Antidepressiva

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 24. August 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Ein Antidepressivum bzw. Antidepressiva sind Psychopharmaka, die vor allem bei depressiven Erkrankungen (Depression), aber auch z.B. bei Angststörungen, Panikattacken, Zwangsneurosen, Schmerzen, Entzugserscheinungen oder Schlafstörungen zum Einsatz kommen.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Antidepressiva?

Antidepressiva sind Medikamente, die zur Behandlung von Depressionen und anderen psychischen Störungen wie Angststörungen, Zwangsstörungen und posttraumatischen Belastungsstörungen eingesetzt werden. Sie wirken, indem sie die Balance bestimmter Neurotransmitter im Gehirn, wie Serotonin, Noradrenalin und Dopamin, beeinflussen, die für die Regulierung der Stimmung, des Schlafs und der Emotionen verantwortlich sind.

Es gibt verschiedene Klassen von Antidepressiva, darunter selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), wie Fluoxetin und Sertralin, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRIs), wie Venlafaxin, trizyklische Antidepressiva (TCAs), wie Amitriptylin, und Monoaminoxidase-Hemmer (MAOIs), wie Phenelzin. Jede Klasse wirkt auf unterschiedliche Weise, um die Verfügbarkeit von Neurotransmittern im Gehirn zu erhöhen.

Die Wirkung von Antidepressiva setzt in der Regel erst nach einigen Wochen ein. Nebenwirkungen können von Person zu Person variieren und beinhalten häufig Übelkeit, Gewichtszunahme, Schlafstörungen und sexuelle Dysfunktion. Es ist wichtig, die Medikation nur unter ärztlicher Aufsicht zu beginnen oder abzusetzen, da ein plötzliches Absetzen zu Entzugserscheinungen führen kann. Eine regelmäßige Überwachung durch den Arzt ist notwendig, um die richtige Dosis und das geeignete Medikament für die individuelle Situation zu finden.

Wie wirken Antidepressiva?

Weshalb es zu depressiven Erkrankungen kommt, ist noch nicht hundertprozentig wissenschaftlich erwiesen. Doch es gibt verschiedene Thesen dazu. Eine besagt zum Beispiel, dass während einer Depression der Hirnstoffwechsel gestört ist.

Wenn Serotonin, Noradrenalin und andere Botenstoffe nicht im Gleichgewicht sind, ändert sich das emotionale Empfinden und auch die Denkstruktur. Deshalb greifen viele Antidepressiva an dieser Stelle ein und verändern den Hirnstoffwechsel.

Dadurch können die Botenstoffe länger in den Nervenzellen zur Verfügung stehen. Die Antidepressiva haben unterschiedliche Wirkungen und daraus folgend auch unterschiedliche Nebenwirkungen. Eine grobe Unterteilung der Antidepressiva ist die in die Gruppen der klassischen und der modernen.

Anwendungsgebiete

Antidepressiva werden hauptsächlich zur Behandlung von Depressionen eingesetzt, können aber auch bei einer Vielzahl anderer psychischer und manchmal auch körperlicher Erkrankungen hilfreich sein. Hier sind die wichtigsten Anwendungsgebiete:

Depressionen

Der primäre Einsatzbereich von Antidepressiva ist die Behandlung von Major Depression, einer Erkrankung, die durch anhaltende Traurigkeit, Interessenverlust, Schlafstörungen, Appetitveränderungen, und Energielosigkeit gekennzeichnet ist. Antidepressiva helfen, die chemische Balance im Gehirn wiederherzustellen, um die Stimmung zu stabilisieren und Symptome zu lindern.

Angststörungen

Dazu gehören generalisierte Angststörung (GAD), Panikstörung, soziale Angststörung (Soziale Phobie) und Zwangsstörungen (OCD). Antidepressiva, insbesondere SSRIs und SNRIs, können helfen, die Intensität und Häufigkeit von Angstzuständen und Panikattacken zu reduzieren.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Antidepressiva können dazu beitragen, die Symptome von PTBS, wie Wiedererleben von traumatischen Ereignissen, Albträume und erhöhte Erregbarkeit, zu mildern.

Zwangsstörungen (OCD)

Menschen mit Zwangsstörungen leiden unter wiederkehrenden, unerwünschten Gedanken (Zwängen) und Verhaltensweisen (Zwangshandlungen), die sie nicht kontrollieren können. Antidepressiva, vor allem SSRIs, werden häufig zur Linderung dieser Symptome eingesetzt.

Essstörungen

Antidepressiva können bei der Behandlung von Bulimie nervosa und, in geringerem Maße, bei der Binge-Eating-Störung helfen, indem sie das Verlangen nach Binge-Eating-Episoden reduzieren und die Stimmung stabilisieren.

Chronische Schmerzsyndrome

In einigen Fällen werden Antidepressiva zur Behandlung chronischer Schmerzsyndrome wie Fibromyalgie, neuropathische Schmerzen und chronische Spannungskopfschmerzen verwendet. Sie wirken, indem sie die Schmerzsignale im Gehirn modulieren und die Schmerzschwelle erhöhen.

Prämenstruelle dysphorische Störung (PMDD)

Antidepressiva, insbesondere SSRIs, können bei Frauen, die an schwerer Reizbarkeit, Depression und Angst im Zusammenhang mit dem prämenstruellen Syndrom (PMS) leiden, wirksam sein.

Migräneprophylaxe

In einigen Fällen werden trizyklische Antidepressiva zur Vorbeugung von Migräneanfällen eingesetzt, um die Häufigkeit und Schwere der Anfälle zu verringern.

Antidepressiva sind vielseitige Medikamente, die nicht nur bei Depressionen, sondern auch bei einer Vielzahl anderer psychischer und körperlicher Beschwerden helfen können. Die Auswahl des richtigen Medikaments basiert auf der individuellen Symptomatik, dem Ansprechen auf die Therapie und dem Nebenwirkungsprofil.

Bei welchen Beschwerden zeigen Antidepressiva die stärkste Wirkung?

Antidepressiva sind Medikamente, die in erster Linie zur Behandlung von Depressionen entwickelt wurden. Sie haben sich jedoch auch bei einer Reihe anderer psychischer und körperlicher Erkrankungen als wirksam erwiesen. Hier sind die Beschwerden, bei denen Antidepressiva in der Regel die stärkste Wirkung zeigen:

Major Depression

Antidepressiva zeigen die größte Wirksamkeit bei der Behandlung von Major Depression, insbesondere bei mittelschweren bis schweren Fällen. Sie helfen, die Symptome wie tiefe Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen und Appetitveränderungen zu lindern. Die Medikamente wirken, indem sie die Konzentration bestimmter Neurotransmitter im Gehirn erhöhen, die für die Regulierung der Stimmung und Emotionen verantwortlich sind.

Angststörungen

Antidepressiva, besonders SSRIs (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) und SNRIs (Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer), sind wirksam bei der Behandlung von Angststörungen wie generalisierter Angststörung (GAD), Panikstörung und sozialer Angststörung. Sie helfen, übermäßige Sorgen, Angstgefühle und Panikattacken zu reduzieren und fördern ein Gefühl von Ruhe und emotionaler Stabilität.

Zwangsstörungen (OCD)

Menschen mit Zwangsstörungen profitieren oft stark von Antidepressiva, insbesondere von SSRIs. Diese Medikamente können die Intensität und Häufigkeit von zwanghaften Gedanken und Handlungen reduzieren, was den Betroffenen hilft, ihren Alltag besser zu bewältigen.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Antidepressiva sind häufig eine zentrale Komponente in der Behandlung von PTBS. Sie helfen, Symptome wie das Wiedererleben des Traumas, emotionale Taubheit und übermäßige Erregung zu verringern. Dies trägt dazu bei, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Chronische Schmerzsyndrome

Trizyklische Antidepressiva und SNRIs haben eine starke Wirkung bei der Behandlung chronischer Schmerzen, wie sie bei Fibromyalgie, neuropathischen Schmerzen und chronischen Spannungskopfschmerzen auftreten. Sie wirken, indem sie die Schmerzsignale im Nervensystem modulieren und die Schmerzempfindung verringern.

Essstörungen

Bei Bulimie nervosa und Binge-Eating-Störungen können Antidepressiva die Häufigkeit von Essanfällen verringern und die allgemeine Stimmung stabilisieren, was den Heilungsprozess unterstützt.

Antidepressiva zeigen die stärkste Wirkung bei den oben genannten psychischen Erkrankungen und einigen körperlichen Beschwerden. Ihre Wirksamkeit hängt jedoch von der genauen Diagnose, der individuellen biologischen Reaktion auf das Medikament und der Kombination mit anderen therapeutischen Ansätzen wie Psychotherapie ab.

Einteilung der Antidepressiva

Antidepressiva werden in verschiedene Klassen eingeteilt, die sich durch ihren Wirkmechanismus und ihre chemische Struktur unterscheiden. Diese Einteilung hilft Ärzten, das passende Medikament für die spezifischen Bedürfnisse eines Patienten auszuwählen.

Klassische Antidepressiva

Die klassischen Antidepressiva sind schon länger auf dem Markt und greifen in mehrere Botenstoffsysteme ein. Sie sind zwar nicht so gut verträglich, doch dafür sehr wirksam. Deshalb werden sie heutzutage im Grunde nur bei schweren Depressionen angewandt.

Trizyklischen Antidepressiva (Trizyklika)

Zu dieser Gruppe gehören die trizyklischen Antidepressiva. Sie werden Patienten mit chronischen Schmerzen, Zwangssyndromen, Panikattacken, Bulimie und Angststörungen verordnet.

Durch diese Trizyklika wird die Wiederaufnahme von Serotonin und Dopamin in ihre Speicher blockiert. Sie wirken stimmungsaufhellend, entspannend und antriebssteigernd. Die Wirkung tritt nach zwei bis sechs Wochen Einnahme ein. Mundtrockenheit, Verstopfung und Gewichtszunahme sind hier die typischen Nebenwirkungen.

Tetrazyklischen Antidepressiva

Eine weitere Gruppe sind die tetrazyklischen Antidepressiva. Diese sind insgesamt etwas schwächer in der Wirkung und besser verträglich. Sie beeinflussen den Noradrenalin-Spiegel im Gehirn und fördern den Antrieb.

In der Regel werden sehr häufig älteren Menschen verabreicht, die unter Antriebsschwäche leiden, weil sie den Kreislauf kaum belasten.

Zusätzlich können sie angstlösend und beruhigend wirken und eine Besserung der Stimmungslage tritt nach circa zwei Wochen ein. Aufgrund der beruhigend Wirkung können diese Antidepressiva auch beim Einschlafen helfen.

MAO-Hemmer (Mono-Amino-Oxikdas-Hemmer)

Die letzte Gruppe der klassischen Antidepressiva sind die MAO-Hemmer (Mono-Amino-Oxikdas-Hemmer). Naturgemäß wird durch die beiden Enzyme MAO-A und MAO-B Noradrenalin und Serotonin im Körper abgebaut. Werden diese Enzyme jedoch durch –Antidepressiva gehemmt, dann steigt der Anteil an Serotonin und Noradrenalin im Gehirn.

Diese Antidepressiva können u. a. dann eingesetzt werden, wenn andere zuvor keine Wirkung gezeigt haben. Allerdings sind sie nicht so gut verträglich, denn der Abbau von anderen Botenstoffen wird ebenfalls gehemmt und es kann beispielsweise zu erhöhtem Blutdruck kommen.

Die Patienten sollten auch, um Gesundheitsstörungen vorzubeugen bestimmte Diätvorschriften einhalten. Auf reifen Käse, Weintrauben und Rotwein sollte beispielsweise verzichtet werden. Auftretende Nebenwirkungen können des Weiteren sein: Übelkeit und Kopfschmerzen.


Moderne Antidepressiva

Antidepressiva (SSRI) und (SNRI)

Zu den modernen Antidepressiva gehören die SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer) und SNRI (Selektive Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer). Die erste Gruppe verhindert, dass der Botenstoff Serotonin wieder in seine Speicher aufgenommen wird.

Diese Antidepressiva werden bei leichten bis mittelschweren Depressionen verschrieben. Sie wirken stimmungsaufhellend, aktivierend und angstlösend und sind gut verträglich. Die zweite Gruppe blockiert die Wiederaufnahme von Noradrenalin durch die Nervenzellen. Auch sie werden bei leichten bis mittelschweren Depressionen verschrieben und steigern den Antrieb.

Antidepressiva (SSNRI)

Als weitere Form von Antidepressiva gibt es die SSNRI. Das sind Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer. Hier ist die Wirkung ebenfalls stimmungsaufhellend und antriebssteigernd.

Atypische Antidepressiva

Und zu guter Letzt gibt es die atypischen Antidepressiva, die die Konzentration von Serotonin und Noradrenalin nicht hemmen, sondern erhöhen. Neben der stimmungsaufhellenden, beruhigenden und angstlösenden Wirkung steigern diese Medikamente die Libido.

Johanniskraut als pflanzliches Antidepressivum sinnvoll?

Johanniskraut (Hypericum perforatum) ist eine Heilpflanze, die seit Jahrhunderten zur Behandlung von verschiedenen gesundheitlichen Beschwerden, insbesondere bei Depressionen, eingesetzt wird. Es ist heute eines der bekanntesten pflanzlichen Antidepressiva und wird oft als natürliche Alternative zu synthetischen Medikamenten betrachtet. Aber wie wirksam und sinnvoll ist Johanniskraut tatsächlich bei der Behandlung von Depressionen?

Wirksamkeit bei leichten bis mittelschweren Depressionen

Studien zeigen, dass Johanniskraut bei der Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen wirksam sein kann. Es wirkt, indem es die Wiederaufnahme der Neurotransmitter Serotonin, Noradrenalin und Dopamin hemmt, ähnlich wie herkömmliche Antidepressiva (z. B. SSRIs). Durch die Erhöhung der Verfügbarkeit dieser Botenstoffe im Gehirn kann Johanniskraut helfen, die Stimmung zu verbessern und depressive Symptome zu lindern. Eine Reihe von klinischen Studien und Metaanalysen hat gezeigt, dass Johanniskraut in seiner Wirksamkeit mit herkömmlichen Antidepressiva vergleichbar ist, jedoch mit einem besseren Nebenwirkungsprofil.

Sicherheit und Nebenwirkungen

Johanniskraut gilt im Allgemeinen als sicher und wird gut vertragen. Es hat weniger Nebenwirkungen als viele synthetische Antidepressiva, wie zum Beispiel Magen-Darm-Beschwerden, Schwindel und Lichtempfindlichkeit. Dennoch können Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auftreten, insbesondere mit Blutverdünnern, Antibabypillen, HIV-Medikamenten und bestimmten Chemotherapien. Diese Wechselwirkungen können die Wirksamkeit anderer Medikamente verringern oder unerwünschte Nebenwirkungen verstärken.

Anwendung und Vorsichtsmaßnahmen

Bevor Johanniskraut als Antidepressivum eingesetzt wird, sollte immer ein Arzt konsultiert werden, insbesondere bei bestehenden gesundheitlichen Problemen oder bei gleichzeitiger Einnahme anderer Medikamente. Johanniskraut kann besonders bei leichten bis mittelschweren Depressionen sinnvoll sein, sollte jedoch bei schweren Depressionen oder wenn keine Besserung eintritt, nicht als alleinige Therapie verwendet werden. In solchen Fällen ist eine ärztliche Überwachung und gegebenenfalls die Kombination mit anderen therapeutischen Maßnahmen notwendig.

Zusammenfassung

Johanniskraut kann eine sinnvolle Option zur Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen sein, insbesondere für Menschen, die eine pflanzliche Alternative zu synthetischen Antidepressiva suchen. Seine Wirksamkeit und sein günstiges Nebenwirkungsprofil machen es zu einer attraktiven Wahl. Jedoch sollten mögliche Wechselwirkungen und individuelle gesundheitliche Bedingungen immer berücksichtigt werden, um die bestmögliche Behandlung zu gewährleisten.

Quellen

  • Payk, T.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Dilling, H. & Freyberger, H.J.: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, Huber Verlag, 6. Auflage 2012
  • Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
  • Bergner, T. M. H.: Burnout-Prävention. Schattauer, Stuttgart 2012
  • Tölle, R., Windgassen, K.: Psychiatrie. Springer, Berlin 2014

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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