Flussblindheit (Onchozerkose)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Onchozerkose (Flussblindheit, Onchozerkiasis) ist eine der heimtückischsten Tropenkrankheiten, die bis zu einer völligen Erblindung des Betroffenen führen kann. Die Erkrankung wird durch Fadenwürmer (Onchocerca volvulus) hervorgerufen. Übertragen werden die Erreger durch den Stich der Kriebelmücke. Neben einem konsequenten Mückenschutz wird die Krankheit medikamentös bekämpft.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Flussblindheit (Onchozerkose)?

Der Fadenwurm wird durch die Kriebelmücke übertragen. Ein Blutbild oder eine Gewebeprobe kann Aufschluss über die Infektion geben.

Die Tropenkrankheit Flussblindheit (Onchozerkose) wird von Fadenwürmern (Onchocerca volvulus) ausgelöst. Kriebelmücken (Simuliidae) sind die Träger dieser infektiösen Würmer. Anzutreffen ist die Flussblindheit vorrangig in den tropischen Regionen Süd- und Mittelamerikas und darüber hinaus auf dem afrikanischen Kontinent.

Sie leben meist nahe fließender Gewässer – deshalb wird die Tropenkrankheit auch mit dem Begriff Flussblindheit definiert. Nach Ausbruch der Krankheit sind die Augen betroffen, deren Schädigung bis hin zu einer vollständigen Blindheit gehen kann.

Ursachen

Die Fadenwürmer, welche die Flussblindheit auslösen können, sind in den Tropen weit verbreitet. In der Vergangenheit tauchten sie auch in feuchtwarmen Gebieten des Jemen und Saudi-Arabiens auf. Sie benutzen kleine Kriebelmücken als Zwischenwirt. Kriebelmücken ähneln beim Betrachten eher Fliegen, die allerdings wie Mücken stechen und Blut saugen. Der Infektionsweg von der Erstaufnahme der Parasiten bis hin zum Krankheitsausbruch beginnt mit dem Stich einer Mücke bei einem bereits infizierten Menschen.

Dabei nimmt das Insekt mit dem Blut Mikrofolarien, die Vorläufer der Wurmlarven, auf. In der Kriebelmücke entwickeln sich anschließend die Wurmlarven. Mit dem Stich der Mücke werden die Wurmlarven in den nächsten Organismus übertragen, wo sie sich vorrangig im Bindegewebe ansiedeln. Nach einem einjährigen Reifeprozess sind geschlechtsreife Würmer entstanden, auch die ersten Symptome der Flussblindheit zeigen sich.

Zu diesem Zeitpunkt rollen sich die Würmer in der menschlichen Unterhaut zu Hautknoten zusammen. Voll ausgereifte weibliche Fadenwürmer sind nun länger als 50 cm. Männliche Würmer bleiben kleiner. Die Würmer sind in der Lage, jahrelang immer neue Mikrofilarien zu produzieren, die insbesondere durch Bindegewebe, Lymphbahnen und Haut des Menschen wandern. Zuweilen sind Mikrofolarien auch im Blut, Speichel oder Urin zu finden. Kriebelmücken können immer wieder neue Würmer übertragen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist allerdings unmöglich.

Wann zum Arzt?

Bei einer Flussblindheit muss in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden. Es kommt bei dieser Krankheit nicht zu einer spontanen Heilung. Sollte keine Behandlung der Flussblindheit eingeleitet werden, so kommt es in der Regel zu erheblichen Beschwerden an den Augen und schließlich auch zu einer vollständigen Blindheit. Diese ist in der Regel irreversibel und kann dann nicht mehr behandelt werden. Sollte es daher zu Beschwerden an den Augen kommen, so muss in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden. Dabei können sich die Augen entzünden und die Betroffenen leiden nicht selten an Pigmentstörungen.

Auch ein juckender Hautausschlag kann ein Symptom der Flussblindheit sein und sollte in jedem Fall von einem Mediziner untersucht werden. In den meisten Fällen treten die Symptome erst einige Monate oder Jahre nach der Infektion auf, sodass in vielen Fällen keine sofortige Behandlung möglich ist. Bei den ersten Anzeichen der Symptome sollte allerdings sofort eine Behandlung eingeleitet werden. In der Regel kann der Allgemeinarzt oder der Augenarzt die Flussblindheit behandeln. In akuten Notfällen sollte das Krankenhaus aufgesucht werden.

Symptome und Verlauf

Typische Symptome von Flussblindheit (Onchozerkose):

Eine Flussblindheit (Onchozerkose) beginnt schleichend. Zwischen der Ansteckung durch den Stich der Mücke und dem Ausbruch der ersten Krankheitsanzeichen vergehen zwischen 6 und 12 Monate. Dabei werden die ersten Symptome zum einen durch Gewebeschäden, entstanden aus den Wanderwegen der Mikrofolarien, sichtbar. Andererseits beginnt das körpereigene Abwehrsystem seinen Kampf gegen die Parasiten-Invasion:

  • Unter der Haut des betroffenen Patienten bilden sich tastbare und sichtbare Knoten (Onchozerkome). Sie erreichen eine Größe von einigen Millimetern bis hin zu mehreren Zentimetern und liegen meist in der Nähe von Gelenken, aber auch am Rumpf oder am Kopf. In den Onchozerkome befinden sich die ausgewachsenen Würmer.
  • Die Haut juckt heftig, sie zeigt Ausschläge und Entzündungen, die von absterbenden Wurmlarven generiert werden.
  • Die Lymphknoten, besonders in der Leistengegend, sind schmerzlos vergrößert.
  • Die massive Schädigung der Hautelastizität führt zur Verdickung, Verhornung, zum Austrocknen und zum faltig werden großer Hautareale. Es entsteht die sogenannte Elefantenhaut.
  • Unbehandelte Onchozerkosen führen zusätzlich zu Veränderungen der Hautpigmentierung. Dieses Bild wird auch Leopardenhaut genannt.
  • Wandern die Mikrofolarien in ein Auge ein, werden dessen Gewebsanteile massiv geschädigt. Beschädigungen der Hornhaut bis hin zur Trübung, schmerzhafte Sehnerventzündungen, Linsentrübungen, Bindehautentzündungen (Konjunktivitis), Entzündung der Aderhaut (Uveitis) und grüner Star als Folge angestiegenen Augeninnendrucks sind die Folgen.

Der Sehnerv wird massiv angegriffen. Gesichtsfeldausfälle oder die vollständige Erblindung können nachfolgen. Eine nicht behandelte Flussblindheit schwächt das Immunsystem massiv. Sie erhöht die Anfälligkeit für weitere Erkrankungen und verkürzt somit die allgemeine Lebenserwartung des Erkrankten dramatisch.

Diagnose

Anhand der typischen Symptome und direkter Erregernachweise wird die Flussblindheit (Onchozerkose) diagnostiziert. Zunächst wird der behandelnde Arzt die Krankengeschichte und die relevanten Risikofaktoren, beispielsweise zurückliegende Tropenbesuche, erfragen. Nach einer Kontrolle der Haut und der Lymphknoten entnimmt er Gewebeproben (Biopsien) zur mikroskopischen Untersuchung auf einen Mikrofolarienbefall hin.

Manche Hautknoten müssen chirurgisch entfernt werden. Hier sind meist ausgewachsene Würmer zu finden. Die notwendigen Augenuntersuchungen werden mit einer Spaltlampe ausgeführt. So lässt sich feststellen, ob Mikrifolarien bereits Schäden hervorgerufen haben. Bei einem Onchozerkose-Verdacht werden Blutproben entnommen. Hier sind vermehrt Abwehrzellen (eosinophile Granulozyten), typische Antikörper und bestimmte Wurmbestandteile nachweisbar. Darüber hinaus weisen Diethylcarbamazin-Tests die Erkrankungen nach.

Komplikationen

Im schlimmsten Falle kann es bei der Flussblindheit zu einer vollständigen Blindheit des Patienten kommen. Dieser Fall tritt in der Regel allerdings nur dann auf, wenn die Flussblindheit nicht behandelt wird. Die Betroffenen leiden dabei in erster Linie an einem relativ starken Ausschlag auf der Haut, welcher in der Regel auch mit einem Juckreiz verbunden ist.

Weiterhin kommt es zur Ausbildung von Knoten auf der Haut, die mit starken Schmerzen verbunden sind. Die Betroffenen leiden an Pigmentstörungen und an Entzündungen und Schmerzen an den Augen. Im schlimmsten Falle kommt es dabei dann zur vollständigen Blindheit des Patienten. Vor dem Eintritt der Blindheit kommt es zu starken Sehstörungen, die den Alltag und die Lebensqualität des Betroffenen deutlich einschränken. Die Blindheit ist auch nicht reversibel, sodass dabei keine Behandlung durchgeführt werden kann.

Die Behandlung selbst wird mit Hilfe von Medikamenten durchgeführt und führt in der Regel zu eine Erfolg. Die Therapie dauert allerdings ungefähr einen Monat. Weiterhin kommt es nicht zu Komplikationen. Die Betroffenen sind in der Regel auch noch nach der erfolgreichen Behandlung auf eine weiterführende Therapie angewiesen.

Behandlung und Therapie

Die Flussblindheit wird vorrangig medikamentös behandelt. Dabei kommen die Medikamente Ivermectin, Diethylcarbamazin, Doxycyclin und Suramin zum Einsatz. Der Wirkstoff Ivermectin ist in der Lage, die Fadenwürmer zu lähmen und ihre Larven abzutöten. Ivermectin-Programme generierten in den betroffenen Ländern Afrikas und Südamerikas beachtenswerte Bekämpfungserfolge.

Auch das Medikament Diethylcarbamazin lähmt die Parasiten und ihre Wanderbewegung durch das menschliche Gewebe. Allerdings hat die Substanz auf die voll entwickelten Onchozerka-Würmer wenig Einfluss. Das Medikament ist mit starken Nebenwirkungen bis hin zum anaphylaktischen Schock behaftet.

Das Langzeitantibiotikum Doxycyclin tötet in den Fadenwürmern existierende Bakterien (Wolbachien) zuverlässig ab. Wolbachien werden von den weiblichen Würmern zur Fortpflanzung benötigt, sodass sich der Krankheitserreger nicht mehr weiter vermehren kann. Suramin ist ein altes, überkommenes Medikament, dass ausgewachsene Fadenwürmer bekämpft.

Des massiven Medikamenteneinsatzes zum Trotz kommt es immer wieder zu Krankheitsrückfällen, weil nicht alle Würmer rigoros ausgerottet wurden. Onchozerkome in gefährlicher Augennähe werden herausoperiert. So wird das Einwandern von Larven in die Augen verhindert.


Vorbeugung

Tropenreisende müssen sich wirkungsvoll vor Insektenstichen schützen, da die Gefahr einer Erkrankung an der Flussblindheit (Onchozerkose) besteht. Gegen die Flussblindheit kommen Mittel zur Mückenabwehr (Repellents) zum Einsatz. Den Körper weitgehend bedeckende Kleidung und Moskitonetze halten Kriebelmücken auf Abstand.

Großflächige Bekämpfungsprogramme in den entsprechenden Ländern reduzieren den Bestand an Kriebelmücken – dennoch ist Flussblindheit die weltweit zweithäufigste Ursache infektionsbedingter Erblindungen.

Quellen

  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart
  • Thomas, C. et al.: Atlas der Infektionskrankheiten. Schattauer Verlag, Stuttgart 2010
  • Groß, U.: Kurzlehrbuch Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Thieme, Stuttgart 2009

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021

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