Trichotillomanie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei Trichotillomanie handelt es sich um eine Zwangsneurose, die mit dem freiwilligen Ausreißen von Haaren einhergeht. Betroffene weisen häufig kahle Stellen am Kopf auf. Viele Erkrankungen sind nicht immer physischer Natur. Psychische Krankheiten werden meistens sowohl von den Betroffenen als auch ihrem Umfeld als unangenehm wahrgenommen.
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Was ist eine Trichotillomanie?
Der Begriff Trichotillomanie kommt aus dem Französischen. "Thrix" kann mit Haar übersetzt werden, "tillo" mit rupfen und "Manie" mit Wahnsinn. Letztendlich zeigt sich das Krankheitsbild dahingehend, dass Betroffene sich Haare ausreißen. Das Verhalten taucht mindestens in Form von Episoden oder dauerhaft auf. Dabei werden meistens nicht nur einzelne Haare mit Gewalt entfernt, sondern ganze Büschel und Strähnen.
Einige Erkrankte verfolgen ein bestimmtes Muster und ziehen vor allem an grauen, abstehenden oder rauen Haaren. Andere wiederum machen keinen Unterschied zwischen der Struktur und Beschaffenheit und reißen die Strähnen wahllos heraus. Im Rahmen von Trichotillomanie spielen die Patienten anschließend sehr oft mit den Haaren, indem sie mit diese zum Beispiel über ihre Lippen streichen. Entgegen früherer Vermutungen sind mehr Menschen von Trichotillomanie betroffen als zunächst angenommen. So sollen in den USA insgesamt 1,2 Prozent der Bevölkerung unter der Erkrankung leiden. Niedrigere Angaben lassen sich insbesondere auf das Schamgefühl der Patienten zurückführen.
Ursachen
Viele empfinden ihr Verhalten als entspannend, tröstend und ablenkend. In einem solchen Rahmen werden bestimmte Gefühle über die Trichotillomanie reguliert, ohne dass es den meisten Betroffenen bewusst ist. Weil die Entfernung der Haare positive Empfindungen hervorruft, wird das Verhalten beibehalten. Das anschließende Spielen mit der Haarsträhne bestärkt den regulierenden Effekt. So können Ängste, Hemmungen und soziale Schwierigkeiten zur Trichotillomanie führen.
Die Gewohnheit hält viele Patienten schließlich davon ab, ihr Verhalten loszuwerden. Neben psychischen Ursachen können auch biologische Faktoren hinter der Entstehung der Erkrankung stecken. So tritt diese vermehrt auf, wenn andere Familienmitglieder dieselbe Angewohnheit haben. Dabei muss es sich jedoch nicht zwingend um genetische Gegebenheiten handeln. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Kinder das Verhalten nachahmen und so lernen.
Symptome und Verlauf
Das prägendste Symptom der Trichotillomanie ist das Ausreißen der Haare. Es lassen sich häufig kahle Stellen auf der Kopfhaut finden. Weiterhin gelingt es den meisten Patienten nicht, dem Drang zu widerstehen, sobald dieser einsetzt. Generell sind Frauen öfter von der Krankheit betroffen als Männer. Während von 1000 weiblichen Personen 35 Trichotillomanie aufweisen, sind es bei Männer lediglich 16.
Die kahlen Regionen führen bei Betroffenen häufig zu weiteren Schamgefühlen, woraus psychische Belastungen resultieren, so dass sich die Patienten in einem Teufelskreis wiederfinden. Betroffene bemühen sich oft, die sichtbaren Anzeichen zu verstecken, indem sie zum Beispiel ein Kopftuch tragen oder einen Schwimmbadbesuch vermeiden. Obwohl das Herausreißen der Haare zunächst zu Entspannung führt, leidet der größte Teil der Patienten unter ihrer Erkrankung.
Auffällig ist zudem, dass die Phasen meistens dann eintreten, wenn der Betroffene unter innerer Anspannung leidet. Der Verlauf von Trichotillomanie kann nicht verallgemeinert werden. Letztendlich ist es wichtig, dass die Therapie bei dem Patienten selber ansetzt und auf Bereitschaft stößt. Den meisten Betroffenen fällt die komplette Überwindung ihres Zustandes schwer.
Diagnose
Die Diagnose kann in der Regel bereits durch die äußere Betrachtung der kahlen Stellen getroffen werden. Um sicherzugehen, dass keine organischen Ursachen hinter dem Haarverlust stehen, ist ein ausgiebiges Gespräch mit dem Betroffenen wichtig. Hier versucht der Arzt insbesondere, den psychischen Zustand zu ermitteln. Besonders ausschlaggebend kann die Offenheit des Betroffenen sein. Ehrliche Antworten führen zügig zur richtigen Diagnose.
Behandlung und Therapie
Die Behandlung der Trichotillomanie kann verschiedene Ausprägungen annehmen. Letztendlich handelt es sich bei diesen um Ansätze, die auf die Psyche des Betroffenen einwirken. So lassen sich die Beschwerden zum Beispiel durch das Erlernen einer Entspannungstechnik kontrollieren. Sobald der Patient eine innere Unruhe oder Stress spürt, die ihn dazu verleiten wollen an den Haaren zu rupfen, kann er die gelernten Maßnahmen anwenden, um sich zu beruhigen. Dabei nimmt eine solche Technik jedoch häufig viel Zeit in Anspruch, bis sie ausreichend beherrscht wird.
Grundsätzlich in Frage kommt jedoch autogenes Training oder Muskelrelaxation. Im Rahmen der Verhaltenstherapie können dem Betroffenen zudem Ersatzhandlungen auf den Weg gegeben werden. So wird der Patient zum Beispiel dazu animiert, erste Anzeichen zu erkennen, die auf eine einsetzende Phase der Trichotillomanie hinweisen. Wenn es ihm gelingt, diese bewusst wahrzunehmen, kann er erlernen, dem Drang entgegenzusteuern, in dem er stattdessen die Faust fest zusammenballt oder eine andere Handlung vollzieht.
Eine solche Maßnahme wird als Reaktionsumkehr bezeichnet. Nach dem Beherrschen der Reaktionsumkehr kann die Entkopplung stattfinden. Hier soll das Verhalten Schritt für Schritt ersetzt und anschließend verlernt werden. Es kann jedoch viel Zeit in Anspruch nehmen, die Trichotillomanie auf diese Weise zu überwinden. Bestehen schwerwiegende psychische Probleme im Leben des Patienten, so müssen diese eigenständig behandelt werden, zum Beispiel durch eine Psychotherapie oder Medikamente. Das Abschaffen der Auslöser für Trichotillomanie kann bereits dabei helfen, die Erkrankung in den Griff zu bekommen.
Vorbeugung
Quellen
- Dilling, H. & Freyberger, H.J.: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, Huber Verlag, 6. Auflage 2012
- Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2012
- Tölle, R., Windgassen, K.: Psychiatrie. Springer, Berlin 2014
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
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