Blut-Hirn-Schranke

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Blut-Hirn-Schranke schützt als physiologische Barriere das Gehirn vor Krankheitserregern und Stoffen, die nicht in das Zentralnervensystem (ZNS) gelangen sollen. Gleichzeitig ermöglicht sie die Versorgung des Gehirns mit Nährstoffen sowie den Abtransport entstandener Stoffwechselprodukte.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Die Blutgefäße im Gehirn sind mit spezifischen Zellen, den Endothelzellen, ausgekleidet, die sich von den Endothelzellen in den Blutgefäßen des restlichen Körpers unterscheiden. Gemeinsam mit den sogenannten Perizyten und den Astrozyten bilden sie die Blut-Hirn-Schranke, die als selektiver Filter für die im Blut enthaltenen Stoffe dient. Bei der Behandlung neurologischer Erkrankungen stellt die Blut-Hirn-Schranke eine Herausforderung dar, da Medikamente diese nicht ohne weiteres überwinden können.

Anatomie

Die Endothelzellen der Blut-Hirn-Schranke sind über sogenannte Tight Junctions miteinander verbunden. Diese sorgen für eine feste Zell-Zell-Verbindung benachbarter Endothelien. Hierdurch wird ein Stofftransport durch den Zell-Zwischenraum von benachbarten Endothelzellen verhindert. Im Gegensatz zum Endothel in anderen Körperbereichen haben die Endothelzellen im Gehirn keine Öffnungen, sogenannte Fenestrierungen, und keine Zwischenzellspalten zum Stoffaustausch mit dem umliegenden Gewebe.

Die Endothelzellen im Gehirn sind durch die Tight Junctions in ihrer Ausrichtung fixiert: Als luminale Seite wird die dem Blut zugewandte Seite bezeichnet, die abluminale Seite ist zum Gehirn ausgerichtet. Die luminale und abluminale Seite der Endothelzellen unterscheiden sich wesentlich in ihrer Zusammensetzung.

Ein Teil der äußeren Oberfläche der Endothelzellen ist von Perizyten bedeckt und und das Zytoplasma der beiden Zelltypen ist über sogenannte Gap Junctions verbunden. Zwischen dem Endothel und den Perizyten ist ein Austausch von kleinen Molekülen möglich. Die Astrozyten sind Zellen des ZNS, die mit ihren Fortsätzen die Blutgefäße im Gehirn fast vollständig bedecken. Sie können über die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe direkt mit den Endothelzellen wechselwirken.

Funktion

Die Blut-Hirn-Schranke sorgt dafür, dass keine Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien, in das Gehirn eindringen können. Ebenso kontrolliert sie den Stoffaustausch und verhindert den Transport von toxischen Substanzen, bestimmten Botenstoffen und Antikörpern vom Blut ins ZNS.

Neben der passiven Barriere durch die mit Tight Junctions verbundenen Endothelzellen und die fehlenden Fenestrierungen enthält die Zellmembran dieser Zellen eine hohe Anzahl bestimmter Enzyme zum Abbau verschiedener Substanzen. Endothelzellen ermöglichen jedoch über spezifische Kanäle die freie Diffusion von Wassermolekülen zwischen Gehirn und Blut und regulieren hierüber den Wasserhaushalt des Gehirns.

Einige kleine, fettlösliche Substanzen können die Endothelzellen und die Tight Junctions auch über freie Diffusion passieren. Hierzu zählen beispielsweise Nikotin und Alkohol sowie bestimmte Narkotika. Das Endothel besitzt außerdem aktive Transportsysteme, welche eine aktive Barriere in der Blut-Hirn-Schranke bilden. Über diese Transportsysteme kann das Gehirn mit Nährstoffen versorgt und Stoffwechselprodukte abgeführt werden.

Die Perizyten dienen der Regulierung der Endothelzellen und besitzen eine Makrophagen-Aktivität, durch die sie für das Gehirn giftige Moleküle abwehren können. Außerdem regulieren sie über Kontraktion lokal den Blutdruck. Die Astrozyten versorgen die Neuronen mit Nährstoffen und regulieren die Ionenkonzentration außerhalb der Zellen. Da Cholesterol die Blut-Hirn-Schranke nicht durchdringen kann, muss es im Gehirn produziert werden, was zum großen Teil durch die Astrozyten geschieht.


Erkrankungen

  • Glioblastom

Verschiedene Erkrankungen können die Schutzwirkung der Blut-Hirn-Schranke stören. Hierzu zählen einige neurodegenerative Erkrankungen sowie Gehirnverletzungen. Aber auch Diabetes mellitus oder Entzündungsreaktionen können sich negativ auf die Blut-Hirn-Schranke auswirken.

Bei anderen Erkrankungen wie dem Glioblastom wird die Funktion der Endothelzellen gestört. Außerdem stellt die Blut-Hirn-Schranke für einige Viren und Bakterien keine Barriere dar, so dass diese zu Erkrankungen im Gehirn führen können. Hierzu zählen beispielsweise HIV und das West-Nil-Virus sowie die Bakterien Neisseria meningitidis und Vibrio cholerae.

Die Blut-Hirn-Schranke kann jedoch auch selbst gestört sein und dadurch zu verschiedenen Krankheitsbildern führen. Hierbei handelt es sich um sehr seltene neurologische Erkrankungen. Bei dem autosomal-dominant vererbten GLUT1-Defizit-Syndrom kommt es zu einer Unterversorgung des Gehirns mit D-Glucose.

Bei der Biotin-ansprechenden Basalganglienerkrankung führt ein Gendefekt zu einer mangelhaften Biotin-Versorgung des Gehirns. Bei der autosomal-rezessiv vererbten hereditären Folat-Malabsorption wird das Gehirn mit Folsäure unterversorgt.

Quellen

  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Roskamm, H., et al.: Herzkrankheiten. Springer, Heidelberg 2004
  • Bieber, C. et al.: Duale Reihe Innere Medizin, Georg Thieme Verlag, 3. Auflage, 2012
  • Böhm M, Hallek M, Schmiegel W (Hrsg): Innere Medizin, begr. von Classen M, Diehl V, Kochsiek K, 6. Auflage, München Elsevier Urban & Fischer Verlag 2009

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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