Tangier-Krankheit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Tangier-Krankheit handelt es sich um eine sehr seltene Erbkrankheit, bei welcher die Betroffenen an einer Fettstoffwechsel-Störung und einer zu geringen Produktion von HDL-Cholesterin leiden. Die Erbkrankheit wird daher zum Teil auch als familiärer HDL-Mangel bezeichnet. Bisher konnten noch keine kausalen Therapiemethoden entwickelt werden, um die Tangier-Krankheit zu behandeln.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Tangier-Krankheit?

Die Tangier-Krankheit, der extrem seltene Gendefekt, löst beim Patienten einen gestörten Fettstoffwechsel aus. Das Cholesterin wird aus den Körperzellen gestört freigesetzt, wodurch sich weniger HDL-Proteine (High Density Lioproteine) bilden. Diese dienen in erster Linie dazu, Cholesterin abzutransportieren. Durch den gestörten Abtransport des Cholesterins lagert sich der Stoff vermehrt im Bindegewebe ein. Es wurde bisher nur von rund 100 Betroffenen berichtet, die unter dieser Erkrankung leiden. Donald S. Frederickson benannte im Jahr 1961 die Krankheit nach der Insel Tangier (amerikanische Ostküste), von der die zwei ersten Patienten stammten. Der Arzt-Wissenschaftler trug erheblich zu den medizinischen Durchbrüchen bei, die das Verständnis des Fettstoffwechsels geprägt haben.

Ursachen

Die Tangier-Krankheit wird autosomal-rezessiv vererbt. Dies bedeutet, dass sie lediglich von zwei Partnern mit diesem Defekt weitervererbt werden kann. Es wird vermutet, dass der Gendefekt, der die Erkrankung auslöst, im Chromosom neun liegt und das ABCA 1-Gen betrifft. Letzteres hat die Aufgabe der Codierung der Transportproteine, die an der Ausschleusung des Cholesterins aus den Zellen beteiligt sind. Cholesterin kann aufgrund der Erkrankung nicht mehr aus der Körperzelle mobilisiert werden und demzufolge auch nicht dazu beitragen, dass das HDL gebildet wird.

Bei der Tangier-Krankheit wird zwischen den Defektträgern und den tatsächlich Erkrankten unterschieden. Sind beide Elternteile vom Gendefekt betroffen, ist es im Verhältnis von eins zu vier wahrscheinlich, dass das geborene, kranke Kind ebenso darunter leidet.

Symptome und Verlauf

Typische Symptome der Tangier-Krankheit:

  • gelb-orange Flecken auf der Haut

Die Tangier-Krankheit beginnt meist im Kindes- oder teilweise im jungen Erwachsenenalter und schreitet anschließend langsam fort. Das typische Merkmal sind die gelb-orangenen Flecken auf der Haut, die insbesondere auf den lymphatischen Organen im Bereich der Mund- und Rachenhaut auftreten. Vor allem die Mandeln sind von diesen Verfärbungen durch das eingelagerte Cholesterin betroffen. Zum Teil sind diese sowie weitere innere Organe aufgrund der Erkrankung zudem vergrößert, beispielsweise die Leber, Milz oder Bauchspeicheldrüse.

Der geringe HDL-Spiegel kann des Weiteren zu einer Arteriosklerose führen. Hierbei sind die Adern verkalkt. Daraus können wiederum Hornhauttrübungen oder anämische Veränderungen des Blutbilds resultieren, beispielsweise ein Mangel an Blutplättchen. Im fortgeschrittenen Alter kann zudem eine koronare Herzkrankheit auftreten. Ein geringer Teil der Patienten berichtete neben den genannten Symptomen auch von neurologischen Beschwerden. Dazu gehören anfangs insbesondere Muskelschwächen sowie Gefühls- und Bewegungsstörungen im Bereich der Arme und Beine. Meist sind diese Symptome rückläufig, treten jedoch während der Erkrankung häufig wieder auf. Der Verlauf ist jedoch generell individuell verschieden.

Diagnose

Zur Beurteilung der Tangier-Krankheit genügt durch die typischen gelb-orangenen Schleimhautveränderungen häufig bereits eine Blickdiagnose durch den Arzt. Im Serum geben ihm zudem das Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin und das Apolipoprotein A-I weitere Hinweise auf die Erkrankung, um den Verdacht zu bestätigen. In der Lipoprotein-Elektrophorese (Methode, um die Lipoproteine zu trennen) finden sich beispielsweise die α- oder Prä-β-Bande nicht. In Bezug auf den Cholesterinspiegel sprechen Werte unter 100 mg/dl dafür, dass der Betroffene unter der Tangier-Krankheit leidet.

Das HDL-Cholesterin fehlt bei einem großen Teil der Patienten komplett oder es weist eine Fehlstrukturierung auf. Des Weiteren ist häufig das Apolipoprotein A-II zu niedrig. In den meisten Fällen sichert eine humangenetische Untersuchung die Diagnose. Eine humangenetische Beratung ist generell sinnvoll, wenn in der eigenen Familie oder der des Partners eine Erkrankung über Generationen vererbt wurde oder auch, wenn nur der Verdacht besteht.

Bei neurologischen Ausfällen können zudem Nervenbiopsien aufschlussreich sein. Für die Tangier-Krankheit wird im Allgemeinen eine ziemlich günstige Prognose abgegeben. Anders verhält es sich jedoch, wenn es im Erwachsenenalter zu Gefäß- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen gekommen ist. In diesen Fällen ist die Prognose ungünstiger.

Behandlung und Therapie

Zur Behandlung der Tangier-Krankheit wurden bisher leider kaum therapeutische Maßnahmen entwickelt. Einerseits liegt dies an den genetischen Ursachen und andererseits an der Seltenheit des Auftretens der Erkrankung. Dadurch sind die Forschungsmöglichkeiten in diesem Bereich stark eingeschränkt. Bislang wird vermutet, dass ein spezieller Ernährungsplan ein möglicher Therapieansatz sein könnte, um der Tangier-Krankheit entgegen zu wirken.

Vor allem eine fettarme Ernährung ist empfehlenswert. Gentechnische Therapieformen werden für die Zukunft angestrebt, um das defekte Gen mit einem Gesunden zu ersetzen. Die Gentherapie ist jedoch noch gegenwärtig und gehört zu den wichtigsten medizinischen Forschungsgebieten.


Vorbeugung

Eine Vorbeugung der Tangier-Krankheit ist nicht möglich. Paare, die sich ein Kind wünschen, können sich jedoch über eine Sequenzanalyse der eigenen DNA untersuchen lassen, um zu prüfen, ob der Gendefekt vorliegt. Auf diese Weise kann zumindest das Risiko besser eingeschätzt werden, ob das Kind unter der Tangier-Krankheit leiden wird.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2011
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Arastéh, K., et al.: Duale Reihe. Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021

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