Klinefelter-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Klinefelter-Syndrom ist eine vererbbare Mutation im männlichen Genom. Dabei tritt ein zusätzliches X-Chromosom auf, das durch einen niedrigen Testosteronspiegel Veränderungen im Zusammenhang mit den Geschlechtsmerkmalen verursacht. Das Syndrom wurde erstmals 1942 von Harry F. Klinefelter beschrieben und 1959 von Patricia A. Jacobs genetisch nachgewiesen und erklärt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Klinefelter-Syndrom?

Beim Klinefelter-Syndrom ist ein zusätzliches X-Chromosom vorhanden. Die Testosteronproduktion ist dadurch meistens vermindert.

Beim Klinefelter-Syndrom liegt der Chromosomensatz 47 (XXY) in den Chromosomeneigenschaften der Zellen (Karyotyp) vor. Damit zählt das Syndrom zu der Gruppe der Mutationen in der Anzahl der Chromosomen, den sogenannten numerischen Chromosomenaberrationen. Bei Mosaikformen des Syndroms sind nicht alle Zellen betroffen, so daß hier in einigen Zellen der normale Chromosomensatz 46 (XY) vorhanden ist.

Polysomien, bei denen die Karyotypen drei oder mehr X-Chromosome enthalten, werden ebenfalls zum Klinefelter-Syndrom gezählt. Das Syndrom tritt im Durchschnitt bei jedem 500. bis 1000. Mann auf und ist erblich bedingt. Nachweisbar ist das Klinefelter-Syndrom durch eine zytogenetische Analyse. Im englischen Sprachraum bezeichnet der Begriff "Klinefelter-Syndrom" auch das Auftreten eines zusätzlichen Y-Chromosoms bei der Frau.

Ursachen

Das Klinefelter-Syndrom wird durch eine Störung während des ersten Stadiums des Aufspaltungsprozesses (Meiose) von väterlichen und mütterlichen Chromosomenpaaren verursacht. Dabei geben Mutter und Vater nicht jeweils ein Chromosom an das Kind weiter, sondern ein Elternteil zwei Chromosome. Das zusätzliche X-Chromosom kann dabei sowohl vom Vater als auch von der Mutter stammen.

Im zweiten Stadium des Aufspaltungsprozesses kann das Klinefelter-Syndrom durch einen Fehler bei der Trennung des weiblichen Chromosomenstranges auftreten. In diesem Fall stammen beide X-Chromosome des Betroffenen von der Mutter. Außer beim Menschen tritt das Klinefelter-Syndrom auch bei Katern auf. Bei den meisten anderen Säugetieren wird ein zusätzliches X-Chromosom deaktiviert und verursacht deshalb keine Veränderungen. Daher sind Katzen ein wichtiger Modell-Organismus für die Erforschung des Syndroms.

Symptome und Verlauf

Typische Symptome des Klinefelter-Syndroms:

Im Gegensatz zu den meisten anderen Störungen der Geschlechtschromosomenanzahl (Aneuploidien) verursacht das Klinefelter-Syndrom keine körperlichen oder geistigen Behinderungen. Als wichtigste Symptome des Klinefelter-Syndroms gelten eine verminderte Testosteronproduktion und damit verbundene Veränderungen der Geschlechtsmerkmale. Körperliche Anzeichen beim erwachsenen Mann sind verkleinerte Hoden und eine große Statur mit proportional verlängerten Extremitäten.

Das Klinefelter-Syndrom verursacht in den meisten Fällen eine natürliche Sterilität, da die Hoden keine funktionsfähigen Spermien produzieren können. Bei Mosaikformen ist die Fertilität der Betroffenen in seltenen Fällen nicht beeinträchtigt. Der Verlauf des Syndroms ist an die Entwicklung der Geschlechtsreife gekoppelt. Bei betroffenen Kleinkindern treten häufig eine verlangsamte motorische Entwicklung und eine Muskelschwäche auf.

Während er Pubertät äußert sich das Klinefelter-Syndrom durch eine Keimdrüsenunterfunktion, die sich ab der Mitte der Pubertät in einer Verkleinerung der Hoden zeigt, die sich bis dahin normal entwickeln. Ab der Spätpubertät kann eine sognannte Gynäkomastie auftreten, bei der sich Brustansätze beim Mann entwickeln. Kognitive Beeinträchtigungen liegen beim Klinefelter-Syndrom kaum vor.

In der Regel liegt der Intelligenzquotient der Patienten im Normbereich mit maximal 10 Punkten Abweichung zu Nicht-Betroffenen. Lediglich die Ausdrucksfähigkeit und die Sprachverarbeitung sind beim Klinefelter-Syndrom statistisch signifikant häufiger Behandlungsbedürftig als bei Nicht-Betroffenen.

Diagnose

Laut Schätzungen der Deutschen Klinefelter-Syndrom Vereinigung werden nur ca. 10 bis 15% aller Fälle diagnostiziert, da die Symptome häufig unspezifisch sind und keine Beschwerden verursachen. Ein Großteil der Diagnosen wird im Zusammenhang mit einem unerfüllten Kinderwunsch oder nach einer urologischen Untersuchung der Hoden gestellt.

Wichtig ist dabei die Abgrenzung zum Pseudo-Klinefelter-Syndrom, bei dem lediglich eine Verkleinerung der Geschlechtsmerkmale aus unbekannten Gründen ohne Mutation der Chromosomen vorliegt. Ob ein Patient vom Klinefelter-Syndrom betroffen ist, wird über eine genetische Untersuchung des Chromosomensatzes mit Hilfe einer Blutprobe bestimmt. Die Diagnose ist auch bereits pränatal beim Embryo im Mutterleib möglich.

Komplikationen

Durch das Klinefelter-Syndrom leiden die Betroffenen an verschiedenen Fehlbildungen und Missbildungen, die das Leben deutlich erschweren. Allerdings sind auch die Eltern und die Angehörigen des Patienten häufig von diesem Syndrom betroffen und leiden dabei an psychischen Beschwerden oder an Depressionen. In erster Linie kommt es beim Klinefelter-Syndrom schon im Kindesalter zu einer Muskelschwäche und zu einem starken Hochwuchs der Beine und der Arme. Auch die motorische Entwicklung ist dabei stark verzögert, sodass die Kinder auf eine spezielle Förderung in ihrem Leben angewiesen sind. Sie sind häufig gereizt oder leiden an starken Stimmungsschwankungen.

Weiterhin kommt es auch zu einer Zeugungsunfähigkeit und zu einer Unfruchtbarkeit. Die Pubertät der Betroffenen setzt oft erst verspätet ein und es kommt zu einem deutlich femininen Körperbau des Patienten. Oft leiden dabei vor allem Kinder an Hänseleien oder an Mobbing. Da es keine ursächliche Therapie des Klinefelter-Syndroms gibt, werden in der Regel nur die Symptome behandelt. Besondere Komplikationen treten dabei nicht auf. Ein vollständig positiver Krankheitsverlauf kann allerdings nicht erzielt werden.

Behandlung und Therapie

Zur effektiven Behandlung des Klinefelter-Syndroms ist eine frühe Diagnose wichtig, die es ermöglicht eine normale Entwicklung des Betroffenen durch eine Hormontherapie ab Einsetzen der Pubertät zu unterstützen. Mit Beginn der Pubertät sollte die verminderte Testosteronproduktion medikamentös ausgeglichen werden um eine normale Ausbildung von Muskulatur und Körpergröße zu erreichen. Dazu sind regelmäßige Kontrollen der Hormonwerte ab ca. elf Jahren notwendig.

Bei einer starken Gynäkomastie kann die Brust operativ entfernt werden, sofern sie den Patienten physisch oder mental beeinträchtigt. Diese Operation wird häufig bereits im jugendlichen Alter vorgenommen um eine normale psychische Entwicklung zu fördern. Jugendliche Patienten haben als Erwachsene die Möglichkeit eigene Kinder zu zeugen, wenn vor Beginn der Hormontherapie ihre noch funktionsfähigen Spermien mit Hilfe der Kryokonservierung für eine spätere in-vitro-Befruchtung eingelagert werden.

Diese Spermien werden mit Hilfe einer Hodenbiopsie aus dem Hodengewebe entnommen. Bei erwachsenen Klinefelter-Syndrom-Patienten sind die Chancen funktionsfähige Spermien aus dem Hodengewebe gewinnen zu können wesentlich geringer. Betroffene, bei denen das Klinefelter-Syndrom erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird, können durch die Gabe von Testosteron Spritzen oder Tabletten eine Steigerung ihrer Lebensqualität erreichen.

Bei einem Teil der Klinefelter-Patienten ohne Testosteronbehandlung im jugendlichen Alter liegt eine unvollständige Pubertätsentwicklung vor. Die Gabe von Testosteronpräparaten kann diesen Patienten dabei helfen eine normale Sexualität auszubilden.


Vorbeugung

Da es sich bei dem Klinefelter-Syndrom um eine genetische Mutation handelt, gibt es aktuell keine Möglichkeit dem Auftreten des Syndroms durch vorbeugende Maßnahmen entgegenzuwirken. Im Rahmen der Pränataldiagnostik wird vereinzelt zu einem Schwangerschaftsabbruch im Falle eines diagnostizierten Klinefelter-Syndroms beim Embryo geraten.

Quellen

  • Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie: DGPI Handbuch: Infektionen bei Kindern und Jugendlichen, 6. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2013
  • Schellenberg, I. et al.: Kinderkrankheiten von A-Z: Wo Naturheilverfahren wirken - wann Schulmedizin nötig ist, 2. Auflage, TRIAS, 2012
  • Stauber, M., Weyerstahl, T.: Duale Reihe Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G: Innere Medizin. Eigenverlag, Köln 2014
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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