Frühdyskinesie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei Frühdyskinesien handelt es sich um Störungen in der Muskelbewegung, die vorrangig den Kopf und den Hals betreffen. Frühdyskinesien werden in der Regel durch die Einnahme von hochpotenten Neuroleptika ausgelöst und machen sich bereits früh nach Therapiebeginn bemerkbar.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Frühdyskinesie?

Erste Anzeichen einer Frühdyskinesie sind Störungen der Muskelspannung, die eine unnormale Haltung zur Folge haben.

Frühdyskinesie werden auch als initiale Dyskinesien bezeichnet. Sie stellen krankhafte Störungen im Bewegungsablauf dar. Diese Störungen können sich in verschiedenen Körperregionen oder Organen bemerkbar machen und treten als unwillkürliche, spontane und nicht willentlich zu steuernde Bewegungen auf.

Der Zusatz "Früh" bzw. "initial" bezieht sich auf die Tatsache, dass sich die Frühdyskinesien sehr rasch als Nebenwirkungen einer medikamentösen Therapie zeigen; das heißt, bereits innerhalb weniger Tage nach Beginn der Einnahme. Frühdyskinesien können beispielsweise nach einer kontinuierlichen Einnahme stark wirksamer (hochpotenter) Neuroleptika auftreten.

Ursachen

Die bekannteste Ursachen für Frühdyskinesien sind Neuroleptika (griechisch: neuron für Nerv; lepsis für Eingreifen). Für sie wird auch der Begriff Antipsychotika verwendet und es sind Medikamente, die in der Therapie bestimmter psychischer Störungen Anwendung finden und in einigen Fällen zu Frühdyskinesien führen können.

Die Medikamente wirken auf den Stoffwechsel eines wichtigen Botenstoffs im zentralen Nervensystem: dem Dopamin. Dieser ist an verschiedenen Reaktionen beteiligt, die die Konzentration, Wachheit und die Koordination von Bewegungen betreffen. Neuroleptika hemmen die durch Dopamin vermittelte Nerventätigkeit. Diese gewünschte Reaktion kann zu Nebenreaktionen führen, die sich in Abhängigkeit von der Dosis, auf das Bewegungssystem auswirken.

Frühdyskinesien findet man vorrangig bei hochpotenten Arzneimitteln, wie Haloperidol und Chlorpromazin. Einige Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen (Antiemetika) gehören ebenfalls in die Gruppe der auf das Dopamin-System wirkenden Substanzen, z. B. Metoclopramid (MCP) und Domperidon. Wegen des meist sehr kurzen Einsatzes solcher Mittel treten Frühdyskinesien hier eher selten auf.

Wann zum Arzt?

Muskelbeschwerden im Bereich des Kopfes oder des Halses sollten einem Arzt vorgestellt werden, sobald sie über mehrere Tage anhalten und auf keine körperliche Überanstrengung zurückzuführen sind. Kommt es durch die Beschwerden zu einer Schiefhaltung des Kopfes oder der Schultern, ist ein Arzt zu konsultieren. Es drohen dauerhafte Schäden des Skelettsystems, denen vorgebeugt werden muss.

Stellen sich weitere Beschwerden wie Kopfschmerzen, Krämpfe der Muskeln oder Sehstörungen ein, muss ein Arzt aufgesucht werden. Anhaltende Muskelzuckungen, Versteifungen oder Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten sind ebenfalls ärztlich abzuklären. Leidet der Betroffene unter einer Zunahme der Beschwerden oder kommt es zu einer Beeinträchtigung bei der Bewältigung der alltäglichen Verpflichtungen, empfiehlt es sich, einen Arzt aufzusuchen.

Bei der Einnahme von Neuroleptika können verschiedene Nebenwirkungen auftreten, die mit einem Arzt besprochen werden sollten. Die Frühdyskinesie ist eine der potentiellen Beschwerden, die bei der Gabe der neuroleptischen Medikamente eintreten können. Die Rücksprache mit dem Arzt sollte erfolgen, um weitere alternative Möglichkeiten zu besprechen.

Stellt sich eine innere Unruhe ein oder ist ein Unwohlsein vorhanden, ist ein Arztbesuch ratsam. Ungewohnte Augenbewegungen oder auffällige Augenfehlfunktionen müssen ebenfalls einem Arzt vorgestellt werden. Veränderungen der Kaumuskulatur oder unwillkürliche Bewegungen der Kiefer sollten von einem Arzt untersucht und abgeklärt werden.

Symptome und Verlauf

Typische Symptome der Frühdyskinesie:

  • Blickkrampf

Frühdyskinesien fallen durch Störungen der Muskelspannung auf, die den Bereich des Kopfes und des Halses betreffen. Kennzeichnend ist das unwillkürliche Anspannen von Muskeln (Kontraktionen), die als unnormale Haltung, Bewegung oder Fehlstellung wahrgenommen wird. Sogenannte Blickkrämpfe führen zu einer zwanghaften Augenbewegung oder einem starren Geradeausblick.

Verschiedene Patienten leiden unter Krämpfen der Kiefermuskulatur oder der Zunge. Eine andere Störung wirkt sich auf die Schlundmuskulatur aus und kann neben grimassenartigen Verzerrungen Beeinträchtigungen bei der Nahrungsaufnahme zur Folge haben. Dauerhaft "mümmelnde" Kaubewegungen können gleichfalls ein Anzeichen für eine Frühdyskinesie sein. Dieses Anzeichen trägt den Namen "Rabbit-Syndrome". Zu den Symptomen zählt auch innere Unruhe. Die Symptome sind überwiegend harmlos und bilden sich im Allgemeinen zurück.

Diagnose

Die Diagnose eine Frühdyskinesie wird vorrangig im Patientengespräch gestellt. Wenn in der Anamnese eine Therapie mit bestimmten Neuroleptika oder Medikamenten gegen akutes Erbrechen angegeben wird und die klinischen Anzeichen den Verdacht erhärten, muss auf die Diagnose Frühdyskinesie geprüft werden. Andere mögliche Ursachen für die auftretenden Symptome sollten gleichzeitig abgegrenzt werden.

Bestimmte neurologische Erkrankungen, Tetanus, eine Strychninvergiftung oder eine Hirnhautentzündung können vergleichbare Anzeichen zeigen und erfordern eine spezielle Therapie. Den endgültigen Beweis für das Vorliegen einer Frühdyskinesie stellt das Ansprechen des Patienten auf eine entsprechende Therapie dar.

Komplikationen

Durch die Frühdyskinesie leiden die Betroffenen in der Regel an verschiedenen psychischen und physischen Beschwerden. Diese wirken sich sehr negativ auf den Alltag des Betroffenen aus und können die Lebensqualität deutlich verringern. Die Betroffenen können dabei auch an einer Atemnot leiden und im schlimmsten Falle auch das Bewusstsein verlieren. Es kommt auch zu einer inneren Unruhe und zu einem allgemeinen Unwohlsein.

Es treten weiterhin auch Muskelkrämpfe auf, die ohne Behandlung zu relativ starken Schmerzen führen können. Ebenso kommt es ohne Behandlung zu einer Entzündung im Gehirn, welche zu schwerwiegenden Folgeschäden führen kann. Dadurch kann auch die Lebenserwartung des Patienten deutlich verringert werden.

Nicht selten erstarren die Betroffenen und bewegen sich nicht mehr. Auch für Angehörige sind die Beschwerden der Frühdyskinesie schwer zu ertragen und können dabei nicht selten zu psychischen Verstimmungen und zu Depressionen führen. Weiterhin können auch unwillkürliche Bewegungen oder Zuckungen auftreten und den Alltag des Patienten erschweren.

Die Behandlung der Frühdyskinesie führt nicht zu weiteren Komplikationen und findet dabei mit Hilfe von Medikamenten statt. In der Regel verschwinden die Beschwerden relativ schnell. Gegebenenfalls ist ein Wechsel der Medikamente für den Betroffenen notwendig, damit es nicht erneut zur Frühdyskinesie kommt.

Behandlung und Therapie

In zirka 20 Prozent der Fälle einer Frühdyskinesie handelt es sich um ein vorübergehendes Phänomen, das sich vorwiegend in der ersten Behandlungswoche zeigt und sich bei rascher Dosiserhöhung verschlimmert. Als wirksame Behandlung kommt eine Überprüfung der Dosis in Frage. Frühdyskinesien zählen zu den typischen Nebenwirkungen der Antipsychotika der ersten Generation. Diese auch als klassische Neuroleptika bezeichneten Medikamente haben eine spezielle Wirkung auf das Dopamin im Gehirn.

Um die zu Frühdyskinesie führenden Effekte zu unterdrücken, wird mit den entsprechenden Gegenmitteln behandelt. Zu ihnen gehört das Anticholinergikum Biperiden. Wenn das Mittel intravenös gegeben wird, tritt nach wenigen Minuten eine Verbesserung ein. In Ausnahmefällen muss die Infusion wiederholt werden und die weitere Einnahme von Tabletten wird notwendig.

Ähnliche Wirkungen zeigen Benzodiazepine, die als Schlafmittel verschrieben werden und die Gehirnaktivität vorübergehend dämpfen. Sie finden Anwendung, wenn aus medizinischer Sicht die Gabe von Anticholinergika nicht angezeigt oder das Medikament nicht vertragen wird. Eine weitere Maßnahme zur Unterdrückung von Frühdyskinesien kann die Umstellung auf ein neueres, später entwickeltes Neuroleptikum der zweiten Generation darstellen. Den Medikamenten dieser Gruppe liegt ein verändertes Wirkprinzip zugrunde, so dass weniger Nebeneffekte auftreten. Die Bewegungsstörungen treten bei diesen deutlich seltener auf.


Vorbeugung

Eine echte Vorbeugung gegen Frühdyskinesien ist schwer umzusetzen, da es sich um eine Nebenwirkung bestimmter Medikamente handelt. Eine Abwägung zwischen dem Nutzen und der möglichen Nebeneffekte ist hier wie bei allen Medikamenten notwendig. Bei einer hochdosierten oder längeren Anwendung sollte eine Aufklärung über die möglichen Anzeichen einer Frühdyskinesie erfolgen, um frühe Gegenmaßnahmen einleiten zu können.

Eine rasche Dosiserhöhung bei hochpotenten Antipsychotika und die intravenöse Gabe zählen zu den Risikofaktoren. Bei jüngeren Patienten, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, ist die Gefahr größer, eine Frühdyskinesie auszubilden. Männern entwickeln eher als Frauen Frühdyskinesien, besonders häufig junge Männer.

Quellen

  • Heisel, J.: Physikalische Medizin - Praxiswissen Halte- und Bewegungsorgane, Georg Thieme Verlag, 1.Auflage, 2005
  • Mayer, C. et Siems, W.: 100 Krankheitsbilder in der Physiotherapie, Springer Medizin Verlag, 1.Auflage, 2011
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2012

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021

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