Aicardi-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Beim Aicardi-Syndrom handelt es sich um eine seltene Erbkrankheit. Sie ist durch unterschiedliche angeborene Fehlbildungen gekennzeichnet und betrifft fast ausschließlich Mädchen. Das Aicardi-Syndrom entsteht aufgrund eines Schadens am Erbgut auf dem X-Chromosom. Das ist auch die Erklärung, warum so gut wie nur Mädchen das Erkrankungsbild zeigen: Männliche Kinder verfügen nur über ein X-Chromosom. Liegt der Defekt auf dem X-Chromosom vor, sind Jungen nicht lebensfähig.
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Was ist das Aicardi-Syndrom?
Per Definition ist das Aicardi-Syndrom eine Erbkrankheit, die aufgrund einer gestörten Entwicklung in der Embryonalphase entsteht. Das Syndrom wurde erstmals im Jahr 1969 beschrieben und nach seinem Entdecker Jean Aicardi, einem französischen Neurologen, benannt. Mit etwa 400 Fällen weltweit gehört das Aicardi-Syndrom zu den seltenen Erbkrankheiten. Schon bei der Geburt lassen sich körperliche Fehlbildungen feststellen. Aufgrund der für das Aicardi-Syndrom charakteristischen Symptome ist ein normales Leben nicht möglich, betroffene Patienten sind ihr gesamtes Leben auf Hilfe angewiesen.
Ursachen
Jeder Mensch besitzt im Normalfall insgesamt 46 Chromosomen, davon 44 Autosomen und zwei Geschlechtschromosomen (XX bei Frauen, XY bei Männern). Alle Chromosomen bilden Paare, weshalb unter Umständen Schäden auf einem Chromosom durch das jeweilige Partnerchromosom ausgeglichen werden können. Bei den Geschlechtshormonen ist dieser Ausgleich nicht möglich.
Da der Gendefekt für das Aicardi-Syndrom auf dem X-Chromosom liegt, kommen Mädchen mit der Erkrankung zur Welt, während Jungen aufgrund von nur einem X-Chromosom nicht lebensfähig sind. Eine Ausnahme besteht bei Jungen nur, wenn diese das Klinefelter-Syndrom zeigen, bei dem es sich um eine besondere Chromosomenstörung handelt. Dabei ist mindestens ein weiteres X-Chromosom (z. B. XXY) vorhanden. Das männliche Kind kommt in diesem Fall mit den für das Aicardi-Syndrom typischen Fehlbildungen zur Welt. Das Aicardi-Syndrom wird dominant vererbt. Somit kommt es auch dann zum Vorschein, wenn ein gesundes X-Chromosom vorhanden ist.
Symptome und Verlauf
Eines der charakteristischsten Symptome für die Erkrankung ist die fehlerhaft ausgebildete oder gar vollständige fehlende Verbindung der beiden Gehirnhälften (Gehirnbalken – Corpus callosum). Fehlt der Gehirnbalken komplett, sprechen Mediziner von einer Agenesie des Corpus callosum. In der Folge kann zudem auch Gehirnschwund auftreten. Da der Gehirnbalken teilweise oder vollständig fehlt, treten ähnliche Symptome wie bei Epilepsie-Patienten auf: in den ersten zwei bis vier Lebensmonaten, gelegentlich auch schon in den ersten Lebenstagen, kommt es zu krampfartigen Anfällen.
Auch bei den Augen lässt sich eine Fehlbildung erkennen. In der Regel sind die Augäpfel klein oder fast gar nicht ausgebildet (Mikrophtahnie), aufgrund von Auffälligkeiten an Ader- und Netzhaut ist zudem das Sehvermögen sehr stark eingeschränkt. Beim Aicardi-Syndrom kommt es zudem zu Fehlbildungen an Wirbelsäule und Rippen, fehlende oder verschmolzene Rippen oder auch Wirbelknochen sowie Verkalkungen der Nervenwurzeln sind charakteristisch für die Erbkrankheit. Auch eine erhöhte Anzahl der weißen Blutkörperchen in der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit (Liquor) wird häufig festgestellt.
Zudem ist das Risiko für die Ausbildung von Tumoren bei Patienten mit dem Aicardi-Syndrom erhöht. JE nach Ausprägung der Erkrankung können bei Betroffenen auch kleine Hände, ein asymmetrisches Gesicht sowie Hautprobleme hinzukommen. Menschen mit dem Aicardi-Syndrom sind in der Regel sowohl geistig als auch körperlich schwer behindert, der Grad der Entwicklungsverzögerung ist aber meist sehr unterschiedlich.
Typisch für das Aicardi-Syndrom ist ein fortschreitender Verlauf: so geht die Motorik mit der Zeit verloren, die Betroffenen erblinden zudem. Eine Heilung ist nicht möglich, das Nachlassen der Motorik kann jedoch verlangsamt werden. Die Lebenserwartung ist bei Aicardi-Syndrom deutlich verringert, aber vor allem von der Ausprägung der Erkrankung abhängig. Etwa drei Viertel der erkrankten Kinder erreichen das 6. Lebensjahr, nur etwa 40 Prozent das 15. Lebensjahr. Es sind allerdings auch Fälle bekannt, in denen Betroffene das 50. Lebensjahr erreicht haben. Infektionen der Atemwege gelten bei den meisten Patienten als Todesursache.
Diagnose
Anhand der vorliegenden Symptome kann das Aicardi-Syndrom diagnostiziert werden. Oft liegt der Verdacht der Erkrankung nahe, wenn Eltern mit ihrem Kind aufgrund von Sehstörungen einen Arzt aufsuchen. Bildgebende Verfahren wie CT (Computertomographie) und MRT (Magnetresonanztomographie) des Kopfes sind für eine sichere Diagnose unumgänglich. Durch das MRT kann das teilweise oder vollständige Fehlen des Gehirnbalkens festgestellt werden, mittels CT lassen sich Verkalkungen im Gehirn sowie Gehirnschwund darstellen.
Auch ein EEG, mit welchem die Gehirnströme gemessen werden, kann aufschlussreich sein. Beim Aicardi-Syndrom zeigen die Gehirnströme der beiden Gehirnhälften ein asymmetrisches und asynchrones Muster. Mittels Liquorpunktion kann der Arzt zudem die Anzahl der weißen Blutkörperchen ermitteln. Ein so genanntes Burst-Suppression-Muster ist ebenfalls aufschlussreich: dabei kommt es zu einer Abwechslung kurzzeitig starker Hirnaktivität mit Phasen ohne messbare Hirnströme. Das Aicardi-Syndrom ist gänzlich vom Aicardi-Goutiéres-Syndrom abzugrenzen, bei dem es sich um eine völlig andere erblich bedingte Hirnentwicklungsstörung handelt.
Komplikationen
In den meisten Fällen sind nur weibliche Personen vom Aicardi-Syndrom betroffen. Durch das Syndrom kommt es zu extrem starken Komplikationen und Einschränkungen im Leben des Patienten. Das Gehirn leidet an starken Fehlbildungen, wodurch sowohl geistige als auch physische Beschwerden und Behinderungen auftreten. Die motorischen und kognitiven Fähigkeiten sind extrem eingeschränkt und das Kind leidet an einer verzögerten Entwicklung. Auch im Erwachsenenalter kommt es zu einer verringerten Intelligenz. Durch Muskelkrämpfe und Epilepsie ist der Alltag des Patienten ebenfalls eingeschränkt.
Auch die Augen sind von Sehstörungen betroffen, wobei es in der Regel nicht zu einem kompletten Sehverlust kommt. Das Immunsystem des Kindes ist meistens geschwächt, sodass es öfter und einfacher an Infekten und Entzündungen erkrankt. Falls es zu Fehlbildungen und Verkalkungen kommt, kann dies auch zum Tod des Kindes führen. Die Lebenserwartung ist meistens auf 50 Jahre eingeschränkt, wobei viele Patienten schon früher versterben. Auch die Eltern sind durch eine psychische Belastung betroffen und können dabei an Depressionen erkranken. Eine kausale Behandlung des Aicardi-Syndroms ist nicht möglich, wobei nur die Symptome eingeschränkt werden können. Epileptische Anfälle werden mit Hilfe von Medikamenten behandelt. In den meisten Fällen ist der Patient auf die Hilfe von anderen Menschen im Alltag angewiesen.
Behandlung und Therapie
Die Behandlung zielt beim Aircardi-Syndrom vor allem auf die Linderung der Symptome ab. Die Ursache selbst, also der Gendefekt, lässt sich nicht beheben. Gegen Krämpfe werden so genannte Antikonvulsiva verordnet. Zudem sind begleitende Maßnahmen wie Ergo- und Physiotherapie sowie Sehtraining zur Förderung der Entwicklung betroffener Kinder sinnvoll.
Vorbeugung
Da es sich beim Aicardi-Syndrom um eine vererbbare Erkrankung handelt, können keine vorbeugenden Maßnahmen zur Vermeidung ergriffen werden. Auch Gentests sind nicht hilfreich, denn die Erbkrankheit tritt aufgrund von neu entstandenen Veränderungen am Erbgut auf. Das Aicardi-Syndrom ist jedoch so selten, dass die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung nicht sehr hoch ist.
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Ludwig, M.: Gynäkologische Endokrinologie. Ein Handbuch für die Praxis, 2.Auflage, optimist Fachbuchverlag, 2011
- Kuhl, H.: Sexualhormone und Psyche: Grundlagen, Symptomatik, Erkrankungen, Therapie,1. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2002
- Weyerstahl, T., Stauber, M. (Hrsg.): Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart 2013
- Kirschbaum, M., et al.: Checkliste Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart 2005
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
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