Visueller Cortex (Sehrinde)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Der medizinische Fachbegriff „Visueller Cortex“ bezeichnet die Sehrinde des menschlichen Gehirns, die Teil der Großhirnrinde ist. Diese versetzt die Menschen in die Lage, zu sehen. Der Visuelle Cortex befindet sich im Occipitallappen des Gehirns.
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Definition
Menschen, die an einer Läsion (Schädigung) in der Sehrinde aufweisen, leiden unter visuellen Störungen, die zur einer fehlerhaften Bildverarbeitung und als Folge davon zu Gesichtsfeldausfällen führen.
Der Bezeichnung der Sehrinde beschreibt ihre Funktion, denn sie ist der Teil der Großhirnrinde, der die im Auge eingehenden visuellen Reize verarbeitet. Die Sehrinde ist demzufolge für die komplexe Bildverarbeitung bis zur endgültigen Abbildung des Gesehenen zuständig. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass das menschliche Gehirn diese visuellen Reize so verarbeiten kann, dass die Menschen sie bewusst wahrnehmen, um entsprechend auf ihre Umwelt zu reagieren.
Der Visuelle Cortex in der Großhirnrinde nimmt das größte Areal des Occipitallappens im Gehirn ein. Der deutsche Psychiater und Experte der Neuroanatomie Korbinian Brodmann hat eine „Landschaftskarte“ des Gehirns erstellt, wo dieser Bereich die Hirnareale 17, 18 und 19 einnimmt.
Anatomie
Die Primäre Sehrinde befindet sich im Hirnareal 17 und agiert im Gesichtsfeld als gegenteilige Hälfte. Sie ist ritinotop aufgebaut, so dass die auf der Retina (Netzhaut) abgebildeten Punkte auch in der Sehrinde nach dem gleichen Muster angeordnet sind. Der Primäre Visuelle Cortex im Hirnareal 17 weist eine streifige Struktur auf, weshalb sie auch als Area striata bezeichnet wird.
Die Primäre Sehrinde nimmt die über Retina und Thalamus (größter Teil des Zwischenhirns) weitergeleiteten visuellen Reize auf. In diesem Teil der Sehrinde besteht der Cortex aus sechs Schichten. Die ersten zwei Schichten enthalten Magno-Zellen, die als große Zellen für die Wahrnehmung von Bewegungen zuständig sind.
Die folgenden vier Schichten repräsentieren die Parvo-Zellen. Diese kleinen Zellen steuern die Objektwahrnehmung, indem sie diese in Farben und Strukturen darstellen. Die Ganglienzellen der Primären Sehrinde sind analog der Zellen in der Netzhaut (Retina) angeordnet. Die Zellen im Primären Cortex repräsentieren die Sehgrube (Fovea). Sie sind in der Überzahl.
Die Fovea innerhalb der Retina (Netzhaut) bildet den Bereich des schärfsten Sehens und enthält deshalb die meisten optischen Rezeptoren. Neben der Einteilung in Schichten gibt es gleichfalls eine Einteilung in Säulen. Es gibt Dominanzsäulen, Hyperkolumnen und Orientierungssäulen. Jede Säule verfügt über nachgeschaltete Zellen, die analog der in der Netzhaut abgebildeten Punkte angeordnet sind. So reagiert jede Orientierungssäule ausschließlich auf eine Linie eines entsprechenden Punktes in der Retina.
Das Liniensystem bildet die Umwelt in Konturen ab. Eine Dominanzsäule besteht aus mehreren Orientierungssäulen mit unterschiedlich ausgerichteten Linien, ausgehend von derselben Stelle der Netzhaut. Ferner bestehen die Dominanzsäulen aus sogenannten Blobs, die ihrerseits Säulen darstellen, die auf Farbreize reagieren.
Die Hyperkolumnen bestehen wiederum aus Dominanzsäulen der beiden Augen des gleichen Gesichtsfeldes. Sie setzen sich aus je einer Säule pro Auge zusammen. Der Primäre Visuelle Cortex leitet die eingehenden Bildinformationen über zwei verschiedene Sehpfade an die Sekundäre und Primäre Sehrinde weiter, wo die Weiterverarbeitung stattfindet.
Funktion
Die Aufgabe des Visuellen Cortexes ist die Aufnahme von visuellen Reizen, um diese im nächsten Schritt weiterzuverarbeiten und die Umwelt darzustellen. Die optischen Informationen werden analysiert, zerlegt und abstrahiert, um sie anschließend in dieser geordneten Form an die nachfolgende Verarbeitungsstufe weiterzuleiten.
Der partielle Verarbeitungsstrom nimmt Positionen und Bewegungen wahr und wird daher auch als Wo-Strom bezeichnet. Der temporale Strom nimmt Farben, Muster und Formen als Objekte wahr und wird als Was-Strom bezeichnet.
Die nachgeschalteten Weiterverarbeitungsprozesse verlaufen immer komplexer, da eine Verknüpfung von Reaktion, Bilddarstellung und Verhalten erfolgt. Dabei werden nicht nur die aktuellen Bilder einbezogen, sondern auch gespeicherte Bilder aus der Erinnerung abgerufen.
Erkrankungen
- Rindenblindheit (Blindsehen)
Läsionen des Visuellen Cortexes sind die Ursache für Sehstörungen. Die Ausfallerscheinungen variieren je nachdem welcher Teil der Sehrinde betroffen ist. Eine Schädigung der Primären Sehrinde führt zu Gesichtsfeldausfällen. Im schlimmsten Fall erblindet der Patient.
Diese Erkrankung wird als Rindenblindheit bezeichnet. Der Sehpfad ist intakt, jedoch findet keine geordnete Bildverarbeitung mehr statt. Der Patient reagiert nur noch unbewusst auf visuelle Reize, ohne sie bewusst wahrzunehmen. Er ist jedoch in der Lage, Objekte zu benennen und diese bei Aufforderung zu greifen. Die Umgangssprache bezeichnet diesen Vorgang als Blindsehen.
Auch Synästhesien (trughafte Wahrnehmung, z. B. Halluzinationen) können auftreten, wobei der Patient eine Vielzahl an zusätzlichen und unterschiedlichen visuellen Reizen subjektiv empfindet und sie entsprechend dieses Wahrnehmungsmusters verknüpft. Menschen, die diese Art der Wahrnehmung verzeichnen, die nicht als Krankheit eingestuft wird, werden als Synästheten bezeichnet. Sie weichen von dem normalen Zuordnungsmuster ab.
Quellen
- Grehn F.: Augenheilkunde. Springer Verlag. 30. Auflage 2008
- Wutta, H.P., Brucker, K.: Theorie und Praxis der Augen-Akupunktur. Hippokrates Verlag, Stuttgart 2014
- Zervos-Koop, J.: Anatomie, Biologie und Physiologie: Ergotherapie Prüfungswissen. Thieme Verlag, Stuttgart 2013
- Faller, A. et al.: Der Körper des Menschen. Thieme, Stuttgart 2012
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 16. November 2021
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