Adrenoleukodystrophie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Adrenoleukodystrophie, auch X-ALD , stellt eine erbliche bedingte Erkrankung dar, die mit neurologischem Verfall und Unterfunktion der Nebennierenrinde einhergeht. Der Gendefekt befindet sich auf dem X-Chromosom. Von X-ALD sind hauptsächlich Männer betroffen. Weibliche Erbträger entwickeln meist einen leichten Krankheitsverlauf. Die X-ALD ist die schwerste Form innerhalb einer größeren Krankheitsgruppe. Sie endet immer tödlich.
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Was ist Adrenoleukodystrophie?
Die Adrenoleukodystrophie wurde im Jahre 1923 erstmalig beschrieben. Synonym wird die Erkrankung auch als Addison-Schilder-Syndrom, Siemerling-Creutzfeldt-Syndrom, Fanconi-Prader-Syndrom, Adrenoleukomyeloneuropathie (ALMN) oder Adrenomyeloneuropathie (AMN) bezeichnet. Es handelt sich um eine genetisch bedingte Erkrankung, die zum völligen neurologischen Verfall und zur Zerstörung adrenaler Drüsen wie der Nebennierenrinde führt.
Der neurologische Verfall wird durch den Abbau der weißen Substanz in Gehirn und Rückenmark hervorgerufen. Ein Gendefekt des ABCD1-Gens auf dem X-Chromosom sorgt dafür, dass der Abbau übergroßer Fettsäuremoleküle nicht mehr stattfindet. Die Akkumulation dieser Fettsäuren bedingt eine Demyelinisierung der Nervenzellen, welche die genannten Abbauprozesse zur Folge hat. Allerdings kann der gleiche Gendefekt unterschiedliche Auswirkungen haben.
Die Adrenoleukodystrophie stellt die schwerste Form der Erkrankung dar. Sie beginnt bereits im frühesten Kindesalter und endet meist bis spätestens zum zehnten Lebensjahr tödlich. Später wurde erkannt, dass es auch mildere Verlaufsformen dieses genetischen Defekts gibt. Diese sogenannte Adrenomyeloneuropathie (AMN) tritt sogar in der Mehrzahl der Fälle auf. Manchmal erscheinen gar keine Symptome. Weibliche Erbträger entwickeln entweder keine oder nur milde Symptome. Nur in sehr seltenen Fällen können auch Frauen an der schweren Verlaufsform der Adrenoleukodystrophie leiden.
Ursachen
Peroxisomen sind Zellorganellen, in denen Abbaureaktionen ablaufen, die im freien Zytosol zu Zellvergiftungen führen würden. Da die übergroßen Fettsäuremoleküle bei dem Gendefekt nicht in die Peroxisomen gelangen und dementsprechend auch nicht abgebaut werden können, sammeln sie sich im Körper immer mehr an. Nach einem bisher noch nicht vollständig aufgeklärten Mechanismus führt diese Akkumulation von großen Fettsäuren zu einem Abbau von Myelin in den Nervenzellen und zur allmählichen Zerstörung von adrenalen Drüsen wie der Nebennierenrinde. Das Gen ABCD1 kann bis zu 1200 verschiedene Mutationen aufweisen, die zur Funktionsunfähigkeit oder Funktionseinschränkung des entsprechenden Transportenzyms führen.
Trotz dieser Vielzahl von Mutationen ist das Ergebnis gleich. Sehr große Fettsäuren sammeln sich im Körper an. Es gibt jedoch Abstufungen in der Enzymaktivität, sodass eine große Bandbreite von Ausprägungsformen der Erkrankung beobachtet werden kann. Ursprünglich wurde nur die besonders schwere Adrenoleukodystrophie (X-ALD) beschrieben. Ihr Verlauf ist sehr rasant und führt über den Abbau von Zentralnervensystem und adrenalen Drüsen schnell zum Tod.
Symptome und Verlauf
Typische Symptome der Adrenoleukodystrophie:
Die Adrenoleukodystrophie ist bereits nach der Geburt durch zunehmende neurologische Ausfälle und gegebenenfalls beginnende Symptome eines Addisonsyndroms gekennzeichnet. Zu den neurologischen Symptomen zählen kognitive Defizite, psychomotorische Entwicklungsstörungen, Störungen der Bewegungskoordination (Ataxie) sowie Hör-, Seh- und Sprachstörungen. Des Weiteren wird eine verminderte Grundspannung der Skelettmuskulatur beobachtet. Durch den Abbau der Nebennierenrinde kommt es zu Hormonstörungen, die der Addisonkrankheit gleichen.
Durch die Unterfunktion der Nebennierenrinde werden nur noch wenig oder gar keine Glukokortikoidhormone wie Kortisol oder Aldosterol ausgeschüttet. Das führt zu extremer Müdigkeit, Leistungsschwäche, Abmagerung und Dunkelfärbung der Haut. Da die Nebennieren in geringem Maße auch männliche Sexualhormone bilden, kann deren Ausfall auch Hypogonadismus hervorrufen. Die Ausfallerscheinungen schreiten unaufhaltsam voran und sorgen für eine infauste Prognose im durchschnittlichen Alter von zehn Jahren. Bei den milderen Verlaufsformen können die ersten Symptome unter Umständen erst im Erwachsenenalter auftreten. Der Verlauf der Erkrankung ist zwar ebenfalls fortschreitend, aber sehr viel langsamer. In diesen Fällen kann schon Jahre oder Jahrzehnte vor dem Einsetzen der neurologischen Symptome eine Addisonkrankheit bestehen.
Diagnose
Die Diagnose der Erkrankung setzt sich aus Anamnese, Laboruntersuchungen und Untersuchungen über bildgebende Verfahren zusammen. Bei der Anamnese interessiert besonders, ob es ähnliche Krankheitsfälle in der Familie oder in der Verwandtschaft gibt. Im Rahmen der Laboruntersuchungen werden im Plasma und in den Fibroblasten übergroße Fettsäuremoleküle nachgewiesen. Über MRT-Untersuchungen werden demyelinisierte Hirnareale und Gewebeschwund im Hirn festgestellt.
Komplikationen
Bei der Adrenoleukodystrophie tritt in der Regel eine Störung des Stoffwechsels auf. Komplikationen und Beschwerden treten allerdings fast ausschließlich bei Männern auf, da diese über das X-Chromosom verfügen. Dabei kommt es bei den meisten Patienten zu einem starken Gewichtsverlust. Durch den Gewichtsverlust fühlen sich die meisten Betroffenen schwach und krank und können keine anstrengenden körperlichen Tätigkeiten mehr ausführen. Ebenso verringert sich auch der Blutdruck und es kommt zu Schwindel und Erbrechen. Falls der Blutdruck zu stark sinkt, kann es auch zu Ohnmachtsanfällen kommen. Oft kommt es vorher zu Gangstörungen und zu Koordinationsstörungen.
Die Adrenoleukodystrophie führt bei vielen Patienten auch zu Sehfehlern und zu Lähmungen beim Wasserlassen und bei der Erektion. Auch andere Körperregionen können von Lähmungen betroffen sein. Durch die Symptome kommt es oft zu Depressionen und weiteren psychischen Beschwerden. Im schlimmsten Falle ist der Patient auf einen Rollstuhl oder auf eine andere Gehhilfe angewiesen, falls die Beine gelähmt werden. Ebenso kann es zu einer Taubheit und einer vollständigen Erblindung kommen. Die Symptome beeinträchtigen den Alltag extrem und verringern die Lebensqualität. Die Lebenserwartung ist in der Regel ebenso stark verringert.
Behandlung und Therapie
Die Behandlung der Adrenoleukodystrophie kann derzeit nur symptomatisch erfolgen. Eine kurative Therapie ist noch nicht möglich. Außerdem gibt es keinen einheitlichen Therapieplan. Im Rahmen der Behandlung werden beispielsweise Medikamente gegen die Muskelkrämpfe und Steroidhormone gegen die neurologischen Ausfälle verabreicht. Bei einigen Patienten kann die Gabe von 4-Phenylbutyrat zur Erhöhung der Anzahl von Peroxisomen Linderung der Symptome bringen.
Es hat sich herausgestellt, dass Knochenmarkstransplantationen nur in wenigen Fällen befriedigende Ergebnisse bringen. Die Gründe dafür sind noch nicht vollständig bekannt. Von der Familie Odone wurde eine Diät mit Lorenzos Öl entwickelt. Der im Jahre 1978 geborenen Sohn der Familie Lorenzo Odone litt an ALD. Mithilfe eines speziell entwickelten Öls aus den Glyzerinestern bestimmter langer ungesättigter Fettsäuren versuchten die Eltern von Lorenzo, den Verlauf der Erkrankung zu verzögern. Lorenzo Odone starb im Alter von 30 Jahren. Heute werden auch viele Patienten mit Lorenzos Öl in dem Sinne erfolgreich behandelt, dass sich der Krankheitsverlauf verlangsamt. Als Wirkmechanismus wird eine Verhinderung der körpereigenen Synthese von überlangen gesättigten Fettsäuren vermutet.
Vorbeugung
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
- Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
- Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
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