Muskelschwund (Muskeldystrophie)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Bezeichnung Muskelschwund bezeichnet eine schwere Erbkrankheit, die in der medizinischen Fachsprache als Muskeldystrophie bekannt ist. Diese Muskelerkrankung führt zu einem kontinuierlichen und irreversiblen Abbau von Muskelgewebe.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Muskelschwund (Muskeldystrophie)?

Charakterisiert ist der Muskelschwund (Muskeldystrophie) durch eine zunehmende Schwächung und einen fortschreitenden Verlust der Leistungsfähigkeit der Muskeln. Durch ein Fehlen von Eiweiß, welches als Grundbaustein für das Wachstum und Bildung von Muskelsubstanz notwendig ist, kommt es zu einem Muskelschwund.

Der Muskelschwund basiert grundsätzlich auf einer massiven Unterversorgung der Muskelzellen durch Dystrophin. Dieses spezielle Protein wird für die Aufbau von Muskelgewebe, insbesondere der Muskelfasern benötigt.

Der Muskelschwund wird auch als Erbkrankheit bezeichnet. Der Begriff Muskelschwund ist eine klassifizierende Bezeichnung für alle Erkrankungen der Muskelsubstanz, welche durch eine Verringerung dieser Strukturen gekennzeichnet sind. Erkrankungen mit Muskelschwund werden als Dystrinopathien bezeichnet.

Ursachen

Als Ursache für einen Muskelschwund kommen ausschließlich genetische Faktoren in Frage. Ganz spezifisch sind in diesem Zusammenhang Defekte an einigen Genen. Im Kindesalter kann dieses Ungleichgewicht der Proteinversorgung noch unbemerkt bleiben. Im Laufe des Lebens tritt jedoch in der Folge dieses Mangels der Muskelschwund auf.

Neben genetischen Ursachen sind Unterbeanspruchungen einzelner Muskelgruppen ebenfalls die Auslöser für einen Muskelschwund, der jedoch auf einzelne Körperbereiche bezogen ist. Fehlende oder fehlerhafte Nervenreize aufgrund einer Polyneuropathie, verschiedene nervale Erkrankungen sowie andere Erkrankungen des Muskels oder längere Ruhigstellungen einzelner Muskelpartien können auch zu einem partiellen oder allgemeinen Muskelschwund führen.

Unbehandelte Kinderkrankheiten wie Kinderlähmung oder eine sogenannte Synomelie, Beeinträchtigungen der Funktionstüchtigkeit des Rückenmarks durch eine unzureichende Durchblutungen sowie quetschende Rückenmarksblutungen sind weitere Ursachen für einen Muskelschwund.

Symptome und Verlauf

Klassische Symptome für einen Muskelschwund sind beidseitig auftretende Fehlstellungen an Gelenken und Verformungen von Knochen der Extremitäten sowie Verkrümmungen der Wirbelsäule. Eine Unfähigkeit für Bewegungsabläufe an den betroffenen Körperbereichen liegt bei einem Muskelschwund vor. Die involvierten Körperregionen zeigen keinerlei Muskeltätigkeit und wirken wie gelähmt.

Zu Beginn eines Muskelschwunds treten Schmerzen in den Waden auf. Die betroffenen Kinder stolpern leicht und stürzen oft. Im Kindesalter ist es unmöglich, ein beidseitiges Anheben der Arme zu realisieren. In der Regel ist der Muskelschwund schon im jungen Lebensalter durch eine Unfähigkeit zu laufen gekennzeichnet.

Die einzelnen Verlaufsformen unterscheiden sich voneinander. Neben verdickten Waden und kugelartigen Wadenformen zeichnen sich abnorme Stellungen der Schulterblätter ab. Typisch für den Muskelschwund vom Typ Duchenne sind Einschränkungen der Atem- und Herzfunktion, permanente Leistungsverluste, Kopfschmerzen und teilweise sogar schmerzhafte Symptome im fortgeschrittenen Stadium.

Diagnose

Muskelschwund (Muskeldystrophie) kann sich bereits im Kindesalter ankündigen – nämlich dann, wenn eine auffällige Schwäche der Muskulatur beobachtet wird. Eine fundierte Diagnose kann hier näheren Aufschluss geben – sie kann beim Kinderarzt genauso wie beim Hausarzt oder Facharzt erfolgen. Nach einer allgemeinen körperlichen Untersuchung mit Befragung des Patienten oder der Eltern hinsichtlich einzelner Symptome stehen diverse Laboruntersuchungen des Bluts und des Urins im Zentrum der Diagnose.

Bereits vor Auftreten der ersten Auffälligkeiten, welche auf Muskelschwund hindeuten, sind nämlich bestimmte für die Muskulatur spezifische Enzyme im Blut erhöht: Dies betrifft die Creatinkinase (CK) genauso wie die Laktatdehydrogenase (LDH), welche in den Zellen der Muskulatur des Skeletts und im Herzmuskel lokalisiert sind. Im Fall von Muskelschwund, d. h. bei Zerstörung dieser Muskelzellen, werden diese Enzyme (CK und LDH) freigesetzt und sind mittels spezieller Laboruntersuchungen im Blut nachweisbar. Eine erste Diagnose ist in der Regel bereits unmittelbar nach der Geburt möglich. Typisch für Muskelschwund ist auch der reduzierte Wert von Creatinin im Harn.

Muskelschwund kann sowohl die Skelettmuskulatur als auch den Herzmuskel schwächen, weshalb auch Elektromyogramm (EMG) und Elektrokardiogramm (EKG) zur Diagnose von Muskeldystrophie im Einsatz sind. Darüber hinaus führt der Arzt in der Regel auch eine Ultraschalluntersuchung durch. Mitunter kommt es auch zu einer Magnetresonanztomographie. Gewebeprobe (Muskelbiopsie) sowie Gentest bieten sich an, um die spezifischen Formen des Muskelschwunds letztendlich zu differenzieren.

Komplikationen

Der Verlust der Muskelkraft führt zu einer Abnahme der inneren Kräfte. In vielen Fällen kann bei einem fortgeschrittenen Stadium der Alltag des Betroffenen nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden. Emotionale und seelische Probleme treten durch die Hilflosigkeit auf, die zu einer weiteren Verschlechterung der Gesundheit beitragen. In schweren Fällen entwickeln sich psychische Störungen, die zu einer deutlichen Abnahme der Lebensqualität beitragen.

Die verringerte Muskelkraft verantwortet eine Abnahme der natürlichen Stabilisierung des Skelettsystems. Es kommt dadurch mit zunehmendem Muskelschwund zu Deformierungen der Knochen. Eine verkrümmte Wirbelsäule, Rückenschmerzen oder eine veränderte Optik des Nackens sind die Folgen. Fehlstellungen oder Probleme der Gelenktätigkeit entwickeln sich. Der gesamte Bewegungsapparat ist stark beeinträchtigt.

Bei einer Bettlägerigkeit des Patienten können sich aufgrund der geringen Mobilität Druckstellen auf der Haut ausbilden. Geschwüre der aufliegenden Haut entstehen und es bilden sich offene Wunden. Es droht eine Sepsis, da Krankheitserreger in das Körperinnere gelangen können.

Charakteristisch für die Erkrankung ist eine Verdickung des Herzmuskels. Dieser ist in seiner Arbeitsweise eingeschränkt und versorgt den Organismus nicht mehr ausreichend. Störungen der Herztätigkeit sowie Beeinträchtigungen der Atmung sind die Folgen. Die meisten Patienten sterben nicht an dem diagnostizierten Muskelschwund sondern an den Komplikationen bzw. den Folgesymptomen der Erkrankung.

Behandlung und Therapie

Als Therapie beim Muskelschwund kommen insbesondere symptomatisch solche Behandlungen in Frage, die sich auf die Linderung und Reduzierung von einzelnen Symptomen beziehen. Neben der Verschreibung spezieller medizinischer Hilfsmittel zur Fortbewegung und für die Bewältigung alltäglicher Verrichtungen stehen einige Medikamente ebenfalls im Mittelpunkt der Behandlung. Leider ist es so, dass ein Muskelschwund gegenwärtig nicht direkt und erfolgreich therapiert werden kann.

Um eine Aufrechterhaltung der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit der Muskulatur aufrecht zu erhalten und einen Muskelaufbau anzuregen, stehen krankengymnastische Übungen ebenfalls im Mittelpunkt der Therapien.

Da die Krankengymnastik eigene körperliche Bewegungen durch die Betroffenen kaum beinhalten kann, werden lediglich passive Bewegungsformen ausgewählt. Darüber hinaus stellen spezifische krankengymnastische Verfahren wie eine sogenannte Klopftechnik sinnvolle Behandlungsmöglichkeiten dar.

Neben der medikamentösen und krankengymnastischen Therapie kommen operative Eingriffe teilweise zur Anwendung. Diese sind dann indiziert, wenn starke Fehlstellungen und Knochenverformungen ersichtlich sind, welche die Betroffenen enorm einschränken und schmerzhaft werden.

Durch Operationen kann eine Skoliose durch Muskelschwund ebenfalls behandelt werden. Das Ziel der chirurgischen Eingriffe besteht darin, ein weitgehendes Gehvermögen zu bewahren.

Eine Vorbeugung gegen Muskelschwund ist nicht möglich. Eine frühzeitige Genschädigung und ein damit möglicherweise zu erwartender Muskelschwund kann durch gentechnische Untersuchungen sowie durch eine Beachtung der familiären Häufung vorzeitig erkannt werden.


Aussicht und Prognose

Die Prognose des Muskelschwunds ist ungünstig. Der Krankheitsverlauf ist fortschreitend und eine Heilungsaussicht der genetisch bedingten Erkrankung gibt es mit den derzeitigen Möglichkeiten nicht. Da aus rechtlichen Gründen keine Veränderungen der Genetik des Menschen erfolgen dürfen, kann eine Behandlung nur symptomatisch erfolgen.

Bei einer Muskeldystrophie konzentrieren sich die Ärzte auf die Verzögerung des Krankheitsfortschritts. Dieser soll so lange wie möglich verhindert oder in seinem Ausmaß minimiert werden. Entscheidend für den Erfolg dieses Ansatzes ist die rechtzeitige und umfangreiche Inanspruchnahme einer medizinischen Versorgung. In gezielten Übungen und Trainings wird die Muskelkraft gefördert und unterstützt. Wichtig ist dafür die Mitarbeit des Betroffenen. Die krankengymnastischen Übungen sollten dafür neben den festgelegten Therapieterminen eigenverantwortlich durchgeführt werden.

Dennoch ist bei der Erkrankung der Krankheitsfortschritt nicht vollständig aufzuhalten. Mit einer Zunahme der Beschwerden steigt die Hilflosigkeit des Patienten. Seelische und emotionale Unregelmäßigkeiten nehmen meist zu. Kommt es aufgrund der Beschwerden und Entwicklungen zusätzlich zu einer psychischen Folgeerkrankung, nimmt die Lebensqualität weiter ab. Darüber hinaus kommt es bei vielen Patienten zu Beeinträchtigung der Atemtätigkeit und einer Schwächung des Herzkreislaufs.

Als Besonderheit der Muskeldystrophie sind häufig als Todesursache die Komplikationen des Muskelschwunds aufgeführt und weniger die Erkrankung selbst. Die Unterversorgung des Organismus führt oftmals zu einem Herzstillstand.

Quellen

  • Heisel, J.: Physikalische Medizin - Praxiswissen Halte- und Bewegungsorgane, Georg Thieme Verlag, 1.Auflage, 2005
  • Wülker N. Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme Verlag. 2. Auflage 2010.
  • Mayer, C. et Siems, W.: 100 Krankheitsbilder in der Physiotherapie, Springer Medizin Verlag, 1.Auflage, 2011
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2012
  • Imhoff, A.B. et al.: Checkliste Orthopädie, Georg Thieme Verlag, 3. Auflage, 2014

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021

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