Hysterie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Von Hysterie spricht man im Allgemeinen, wenn sich eine Person außerordentlich ichbezogen verhält und zu geradezu skurrilen Überreaktionen neigt. Inzwischen ist der Begriff Hysterie allerdings keine psychologische Diagnose mehr. Der Symptomkomplex wird inzwischen systematisch den dissoziativen Störungen und vor allem der histrionischen Persönlichkeitsstörung zugeordnet
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Was ist Hysterie?
Die Hysterie ist schon in ihrer Definition problematisch, da sie eine Reihe verschiedenster Symptome umfasste und über die Jahrhunderte von verschiedenen Wissenschaftlern auf verschiedenste Art und Weise gedeutet wurde.
Wo noch bei Hippokrates der skurrile Irrglaube vorherrschte, hysterisches Verhalten käme nur bei Frauen, durch eine Unterversorgung der Gebärmutter mit Sperma vor, schrieb man im Laufe des 19. Jahrhunderts die Hysterie einer krankmachenden Vorstellung zu. Somit gerieten schnell alle Arten von Krankheitssymptomen in den Blick, für welche man keinerlei organische Ursache finden konnte.
Heutzutage weiß man, dass eine Reihe psychischer Störungen körperliche Symptome verursachen können. Der Begriff der dissoziativen Störung greift die Idee der Abweichung von Vorstellung und Realität, besonders in Bezug auf Gedächtnisinhalte und körperliche Dysfunktion, auf. Die etablierte Diagnose der histrionischen Persönlichkeitsstörung hingegen widmet sich vor allem der Persönlichkeit des Hysterikers.
Ursachen
Bei der dissoziativen Störung ist zumeist ein Trauma Auslöser für psychogene Schmerzen. Bei dissoziativen Gedächtnisstörungen werden traumatische Erlebnisse durch Amnesie unzugänglich für den Gedächtnisabruf. Die Dissoziation ist hierbei ein Mechanismus, welcher helfen soll, mit dem Trauma weiter zu leben.
Bei der histrionischen Persönlichkeitsstörung hingegen geht man davon aus, dass die Entwicklung des Selbst nicht völlig abgeschlossen ist und vor allem histrionische und narzisstische Konflikte ungelöst blieben.
Wann zum Arzt?
Der Begriff Hysterie ist medizinisch veraltet und wird daher in der Form auch nicht mehr diagnostiziert. Dennoch ist ein Arztbesuch zu empfehlen, wenn die mit ihm historisch verbundenen Symptome auftreten. Handlungsbedarf besteht, sobald der Betroffene ein auffälliges Verhalten zeigt, das von den Menschen des nahen Umfeldes als normabweichend wahrgenommen wird. Zu den Verhaltensauffälligkeiten gehören mehrfache Verstöße gegen allgemeingültige Regeln im sozialen Umgang.
Aggressives Verhalten sowie ein gefährdendes Auftreten für sich selbst und andere gilt ebenfalls als besorgniserregend und sollte von einem Arzt, Psychiater oder Psychologen untersucht und begutachtet werden. In den meisten Fällen mangelt es dem Betroffenen an Krankheitseinsicht. Da das zu den Symptomen einer möglichen Erkrankung gehört, sollten die Angehörigen oder Bezugspersonen ein Beratungsgespräch in Anspruch nehmen, um sich ausreichend zu informieren. Im Anschluss kann gemeinsam mit einem Arzt oder Therapeuten erarbeitet werden, auf welchem Weg der Betroffene Hilfe bekommen kann.
Bei einem guten Vertrauensverhältnis gelingt es häufig, dass eine ärztliche Versorgung eingeleitet werden kann, sobald die Konflikte innerhalb des Umfeldes zunehmen. Kommt es zu einer Unfähigkeit, die alltäglichen Aufgaben oder beruflichen Verpflichtungen zu erfüllen, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Bei einer auffallend verminderten Leistungsfähigkeit, bei Aufmerksamkeitsdefiziten oder dem umgangssprachlich bekannten wirren Verhalten, wird ebenfalls ein Arzt benötigt.
Symptome und Verlauf
Hysterie fällt vor allem durch ihre Symptome auf - so gerieten früher vor allem körperliche Leiden in den Blickpunkt, für welche keine körperlichen Ursachen gefunden werden konnten. Diese sind heute Bestandteil der dissoziativen Störungen und beinhalten selbst psychogene Bewegungsstörungen und Krampfanfälle.
Bei der histrionischen Persönlichkeitsstörung ist das hysterische Verhalten eines der Symptome: Hier beobachtet man oftmals übertriebene emotionale Reaktionen auf nahezu alltägliche Dinge, ein extremes Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und ein egozentrisches Weltbild. Zusätzlich sind Histrioniker selbst leicht zu beeinflussen und gleichzeitig außerordentlich manipulativ. Gleichzeitig wird sich übermäßig mit der eigenen Erscheinung beschäftigt und ein attraktives Erscheinungsbild als übermäßig relevant eingeschätzt, Beziehungen zu anderen Personen werden als enger angesehen als sie sind und das Auftreten ist unangemessen verführerisch oder provokativ.
Es fehlt die Einsicht, dass das eigene Verhalten krankhaft oder auch nur übertrieben ist. Bei der histrionischen Persönlichkeitsstörung wird alles inszeniert, die eigene Persönlichkeit mit eingeschlossen. Aus diesem Grund suchen Histrioniker besonders die Nähe zu anderen Personen, denn nur im Kontext der Interaktion scheinen sie Zugang zu dem zu haben, was sie als ihre Persönlichkeit ansehen. Nur durch die Rückmeldung von anderen, scheinen sie sich bestätigt zu fühlen - einer der Gründe für ihre offenkundige Hysterie.
Diagnose
Hysterie sollte auf keinen Fall von einem Laien pseudodiagnostiziert werden. Wird Verhalten von Bekannten oder Verwandten wahrgenommen, das hysterisch wirkt, ist der erste Weg dennoch der zum Arzt, um organische Ursachen, die als dissoziativ fehlinterpretiert werden, auszuschließen.
Besonders bei der Persönlichkeit eines Menschen sollte man aufpassen, keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen - Laien verwechseln hier viel zu oft hohe Ausprägungen normaler Persönlichkeitseigenschaften, wie beispielsweise Extraversion, mit einer krankhaften Störung.
Die Diagnose kann schlussendlich nur, nach einem systematischen Ausschluss körperlicher Ursachen, von einem professionellen Diagnostiker gestellt werden, welcher nach den Kriterien der ICD und des DSM forscht und geeignete Diagnoseinstrumente zur Verfügung hat. Hier werden vor allem Fragebögen zur Selbst- und Fremdbeurteilung verwendet, unter anderem der Fragebogen zu dissoziativen Symptomen und das Hypochondrie-Hysterie-Inventar.
Komplikationen
Mit welchen Komplikationen zu rechnen ist, hängt stark davon ab, wie sich die Hysterie im konkreten Fall manifestiert. Bei vielen Betroffenen geht die Störung mit stark affektiertem Gebaren, manipulativem Verhalten und übertriebenem Geltungsbedürfnis sowie einem enormen Bedürfnis nach Anerkennung einher. Solche Verhaltensmuster, die auch als histrionische Persönlichkeitsstörung bezeichnet werden, irritieren und verärgern das soziale Umfeld der Betroffenen regelmäßig. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht bekannt ist, dass der Patient an einer psychischen Krankheit leidet.
Die abweisende Reaktion der Umwelt ist für die Patienten aber nicht nachvollziehbar, die ihr Verhalten darauf hin nur noch intensivieren und sich noch mehr in den Vordergrund drängen. Dieser Kreislauf kann von den Betroffenen selbst nicht durchbrochen werden. Die Verhaltensmuster führen deshalb oft bereits in jungen Jahren zu Ausgrenzung und sozialer Isolation. Stabile und gesunde soziale Beziehungen können die Betroffenen meist nicht entwickeln. Stattdessen vereinsamen die Patienten oder Umgeben sich mit Menschen, die zur Co-Abhängigkeit neigen, was eine Therapie zusätzlich erschwert.
Behandlung und Therapie
Im Falle der Dissoziation wird, vor allem im Rahmen einer Gesprächstherapie, versucht, das Trauma zu bewältigen und damit die Ursache für die Dissoziation zu beseitigen. Auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen helfen in diesem Zusammenhang, das Leid der Betroffenen zu lindern.
Gerade bei der histrionischen Persönlichkeitsstörung macht ein stationärer Aufenthalt Sinn. Begründet ist dieser Teil der Behandlung, da es schwer ist, eine therapeutische Beziehung aufzubauen, in der der Patient langsam zur Einsicht seines Verhaltens und schrittweisen Änderung gebracht werden kann.
Vorbeugung
Einer Hysterie und psychischen Störungen im allgemeinen vorbeugend, wirken sogenannte Schutzfaktoren. Dies sind Faktoren, die selbst bei Eintritt eines potentiell traumatischen Erlebnisses dafür sorgen können, dass keine Störung entwickelt wird. Hierzu zählen beispielsweise die aktive Stressbewältigung, ein positives Selbstwergefühl und soziale Unterstützung.
Quellen
- Payk, T.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013
- Dilling, H. & Freyberger, H.J.: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, Huber Verlag, 6. Auflage 2012
- Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
- Bergner, T. M. H.: Burnout-Prävention. Schattauer, Stuttgart 2012
- Tölle, R., Windgassen, K.: Psychiatrie. Springer, Berlin 2014
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
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