Cerebraler Gigantismus

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei dem cerebralen Gigantismus, auch als Sotos-Syndrom bezeichnet, handelt es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung. Charakteristisch sind das beschleunigte Körperwachstum sowie eine motorische sowie sprachliche Beeinträchtigung im Kindesalter. Im späteren Verlauf sind die charakteristischen Symptome jedoch kaum auffällig.

Inhaltsverzeichnis

Was ist cerebraler Gigantismus?

Unter dem cerebralen Gigantismus versteht man ein sporadisch auftretendes und sehr seltenes Fehlbildungssyndrom. Im Rahmen des Sotos-Syndroms kommt es bereits zu einem vorgeburtlichen beschleunigtem Wachstum, wobei vorwiegend der Schädelumfang überproportional wächst (Makrocephalus).

Die kognitive, motorische sowie auch sprachliche Entwicklung des Kindes ist deutlich verlangsamt. Im Erwachsenenalter sind die klassischen Symptome nur geringfügig vorhanden; das bedeutet, dass die körperlichen Anzeichen unauffällig sind. Der Patient verfügt im Regelfall auch über eine normale Intelligenz.

Ursachen

Bei dem cerebralen Gigantismus handelt es sich um eine Punktmutation im sogenannten NSD1-Gen auf dem Chromosom 5. Bei etwa 10 Prozent der Betroffenen handelt es sich um eine Deletion, die an diesem Gen stattgefunden hat.

Die Vererbung der Erkrankung erfolgt autosomal-dominant, wobei sie vorwiegend als Neumutation (de novo) auftritt. Dabei wird das entsprechende Gen mit einer Histon-Methyltransferase codiert, welches an der Transkription-Regulation beteiligt ist. Somit können Nachkommen von Betroffenen das Syndrom bzw. den Genfehler zu 50 Prozent erben. Jedoch liegt das Wiederholungsrisikos des Genfehlers - bei gesunden Eltern - bei unter 1 Prozent.

Symptome und Verlauf

Typische Symptome des cerebralen Gigantismus:

  • Entwicklungsverzögerungen
  • Koordinationsstörungen
  • Wutanfälle
  • Aggression

Vorwiegend ist das Syndrom durch ein exzessives Wachstum gekennzeichnet, das hauptsächlich im Kindesalter auftritt. Dabei beobachtet der Mediziner bereits ein beschleunigtes Wachstum im Körper der Mutter. Die Geburt muss daher oftmals vorzeitig eingeleitet werden. Das Gesicht des Kindes ist in fast allen Fällen lang und schmal, weist eine breite und gewölbte Stirn auf und verfügt über einen hohen Stirnhaaransatz.

Charakteristisch ist auch das spitze Kinn des Betroffenen. Der Gaumen des Kindes ist hoch und spitz, sodass es zu einem frühzeitigen Zahndurchbruch kommt. Jene Symptome sind eindeutig und lassen daher früh die Sotos-Syndrom-Diagnose erkennen. Mitunter gibt es aber auch konstante Symptome, welche individuell auftreten können. Dabei werden oftmals Skoliose, Herzfehler sowie auch Krampfanfälle, gesteigerte Sehnenreflexe sowie auch Missbildungen des Urogenialtraktes festgestellt.

Mitunter steigt auch das Risiko für Tumore. Bei vielen Patienten liegt auch eine Entwicklungsverzögerung in der Grob- wie Feinmotorik vor; oftmals stellt der Mediziner auch Probleme in der Bewegung sowie Koordination des Betroffenen fest. Selbst das Erlernen der Sprache sorgt mitunter für Schwierigkeiten und ist beeinträchtigt, obwohl das Sprachverständnis sogar größer ist als bei Personen, die nicht vom Sotos-Syndrom betroffen sind.

Auch wenn der Intelligenzquotient sehr unterschiedlich ausfällt, bedeutet das Sotos-Syndrom nicht, dass eine automatische geistige Behinderung oder Einschränkung vorliegt. Jedoch kann diese - im Rahmen des Sotos-Syndroms - nicht komplett ausgeschlossen werden. Das Verhalten der Kinder, welche vom Sotos-Syndrom betroffen sind, ist nicht auffällig. Nur in den wenigsten Fällen wurden Wutanfälle oder auch ein äußerst aggressives Verhalten dokumentiert.

Schlafprobleme, ein zwanghaftes Verhalten sowie auch geringe soziale Kontakte können mitunter ebenfalls auftreten. Ob dokumentierte Persönlichkeitsstörungen, die im Rahmen des Sotos-Syndroms aufgetreten sind, tatsächlich mit der Erkrankung einhergehen, kann jedoch nicht gesagt werden. Mitunter kann jedoch die Persönlichkeitsstörung deshalb auftreten, da jene die Folgen der Ausgrenzung sind, die auf Grund des Sotos-Syndroms entsteht.

Im weiteren Verlauf stellt das Sotos-Syndrom - vor allem im Erwachsenenalter - keine gravierende Einschränkung dar. Problematisch ist das Syndrom vorwiegend nach der Geburt, da hier oftmals Krämpfe, Neugeborenengelbsucht, Fieberkrämpfe sowie Saugschwierigkeiten (in Verbindung mit Trink- und auch Atemproblemen) auftreten können.

Diagnose

Die charakteristischen Symptome (vorwiegend handelt es sich dabei um das beschleunigte Körperwachstum) sind der Grund, weshalb der Mediziner relativ schnell eine Verdachtsdiagnose stellen kann. Jedoch müssen das Beckwith-Wiedemann-Syndrom, das Weaver-Syndrom sowie das Simpson-Golabi-Behmel-Syndrom und das Fragile-X-Syndrom als auch das Deletion-22qter-Syndrom ausgeschlossen werden. Mitunter wird das NSD1-Gen auf eine Mutation untersucht.

Komplikationen

Durch die Erkrankung kommt es zu schwerwiegenden Symptomen und Beschwerden im Kindesalter. Diese können die Lebensqualität stark verringern und den Alltag des Patienten ebenfalls einschränken. Es kommt zu Verzögerungen in der Entwicklung, die sowohl physisch als auch psychisch manifestieren können. Auch die Bewegung ist nur eingeschränkt möglich. Die meisten Patienten leiden ebenfalls an einer Wortfindungsstörung und an einer Sprachstörung. Durch die Einschränkungen der Bewegung kommt es zu Störungen der Koordination, wobei die Betroffenen einer erhöhten Unfallgefahr ausgesetzt sind.

In den meisten Fällen treten auch Wutanfälle oder aggressive Ausbrüche bei den Patienten auf. Nicht selten leiden die Patienten auch an Schlafstörungen und dadurch an einer andauernden Müdigkeit. Durch die Störungen der Entwicklung kommt es zu einer geistigen Retardierung, sodass der Betroffene im Erwachsenenalter gegebenenfalls auf die Hilfe von anderen Menschen angewiesen ist. Auch können Störungen der Persönlichkeit auftreten. Weiterhin steigt auch das Risiko einer Krebserkrankung enorm an, sodass die Lebenserwartung durch die Krankheit in den meisten Fällen eingeschränkt wird.

Behandlung und Therapie

Das Syndrom kann nicht behandelt werden. Vorwiegend wird eine multidisziplinäre Behandlung angewandt, wobei im Regelfall nur Therapien zur Anwendung gelangen, welche vorwiegend die Symptome lindern. Vor allem sind - sofern im Säuglingsalter Komplikationen auftreten – Fototherapien bei Ikterus sowie auch regelmäßige Überprüfungen des Blutzuckerspiegels (auf Grund möglicher Hypoglykämie) und eine Therapie bei Trinkschwierigkeiten notwendig.

Mittels allgemeiner pädiatrischer Kontrolluntersuchungen sollen des Weiteren Komplikationen wie Fieberkrämpfe oder auch Skoliose rechtzeitig erkannt werden, damit dahingehend Therapien beginnen können. Auf Grund der Tatsache, dass das Sotos-Syndrom für Entwicklungsverzögerungen sorgt, sollten Frühförderungen oder Musiktherapien, eine Logopädie sowie auch eine Ergotherapie in Anspruch genommen werden. Je nach Kindesalter ist es ratsam, dass die Fördermaßnahmen gewählt werden.

Die Prognose des Sotos-Syndroms ist zudem gut. In fast allen Fällen spielt das Syndrom - im Erwachsenenalter - keine Rolle mehr. Mittels Frühförderungen kann sehr wohl ein normaler Entwicklungsstand erzielt werden, sodass keine Einschränkungen gegeben sind. Selbst körperliche Symptome, welche im Kindesalter mitunter noch stark ausgeprägt waren, können im Erwachsenenalter fast zur Gänze verschwinden.


Vorbeugung

Eine Vorbeugung ist - auf Grund der genetischen Weitervererbung oder Spontanmutation - nicht möglich.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Ludwig, M.: Gynäkologische Endokrinologie. Ein Handbuch für die Praxis, 2.Auflage, optimist Fachbuchverlag, 2011
  • Kuhl, H.: Sexualhormone und Psyche: Grundlagen, Symptomatik, Erkrankungen, Therapie,1. Auflage, Georg Thieme Verlag, 2002
  • Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021

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