Minderwertigkeitskomplexe

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 3. November 2018
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter Minderwertigkeitskomplexen versteht man das Gefühl, im Vergleich zu anderen Menschen nicht gut genug zu sein. Betroffene sehen sich als grundsätzlich schlechter im Vergleich zu ihren Mitmenschen an. Extreme Minderheitskomplexe können zu sozialem Rückzug bishin zur sozialen Isolation führen und sollten entsprechend professionell behandelt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Minderwertigkeitskomplexe?

Minderwertigkeitskomplexe: Das Gefühl, im Wettbewerb mit anderen Personen ständig unterlegen zu sein und dem Erwartungsdruck nicht mehr Stand zu halten.

Minderwertigkeitskomplexe sind die krankhafte Steigerung von Minderwertigkeitsgefühlen. Vermutlich jeder Mensch erlebt hin und wieder einmal die Erfahrung, dass andere auf einem bestimmten Gebiet besser abschneiden oder besser ankommen als man selbst. Diese Erfahrungen haben aber keinen Krankheitswert, sondern gehören zu einem normalen Alltag dazu und können Lernchancen beinhalten. Bei Minderwertigkeitskomplexen ist aber das Gefühl, anderen Menschen immer unterlegen zu sein, permanent vorhanden. Solche übersteigerten Gefühle können lähmen und einen normalen Alltag unmöglich machen.

Minderwertigkeitskomplexe können sich dabei auf alle Bereiche des Lebens beziehen. Manche Betroffene fühlen sich rein äußerlich minderwertig, andere glauben, im Bereich der kognitiven Leistungsfähigkeit immer schlechter dazustehen als andere. In Extremfällen gehen betroffene Menschen davon aus, in keinem Bereich des Lebens genügen zu können.

Was sind Minderwertigkeitsgefühle?

Minderwertigkeitsgefühle sind eine abgeschwächte Form von ausgeprägten Minderwertigkeitskomplexen. Betroffene erleben hin und wieder das Gefühl, sich im Vergleich zu anderen immer als schlechter zu sehen. Solange solche Gefühle aber nicht den Alltag dominieren und soziale Beziehungen erschweren, haben Minderwertigkeitsgefühle keinen Krankheitswert. Vielmehr verhält es sich so, dass gelegentliche Minderwertigkeitsgefühle neben Angstgefühlen zu den Gefühlen zählen, die wir Menschen am häufigsten im Leben verspüren. Minderwertigkeitsgefühle können also durchaus normal sein.

Ursachen

Minderwertigkeitsgefühle können verschiedene Ursachen haben. Manche Minderwertigkeitsgefühle liegen schlicht im Naturell eines betroffenen Menschen begründet, sie "sind eben so".

Problematisch können solche in der individuellen Persönlichkeit begründeten Minderwertigkeitsgefühle aber werden, wenn soziale Beziehungen und Reaktionen anderer Menschen die vermeintliche Minderwertigkeit wiederholt bestätigen. Dann erfolgen Reaktionen nach dem Muster sich selbst erfüllender Prophezeiungen.

Betroffene von Minderwertigkeitsgefühlen sehen sich selbst als so negativ, dass ihnen lediglich eine negative Reaktion ihrer Mitmenschen auf sie als normal und angemessen erscheint. Diese kann rein zufällig sein, so, wie man eben nicht immer im Leben auf ungeteilte Zustimmung treffen wird. Dieser Zufall oder die Nebensächlichkeit wird aber nicht als solche erkannt, sondern als logische Folge der vermeintlichen Minderwertigkeit interpretiert. So können aus Episoden von Minderwertigkeitsgefühlen handfeste Komplexe entstehen.

Die Minderwertigkeitsgefühle von manchen Betroffenen müssen aber auch im Zusammenhang mit ihrer Kindheit gesehen werden. Wer in der Kindheit ständig erfährt, Ansprüchen der Eltern nicht zu genügen, kann kein ausreichendes Selbstvertrauen gewinnen. Wer immer hört und spürt, falsch zu sein, Anforderungen nicht zu erfüllen, entwickelt ein pathologisches Selbstbild. Dies kann der Einstieg in Minderwertigkeitskomplexe sein, die ohne professionelle Behandlung oft ein Leben lang nicht überwunden werden können.

Wann zum Arzt?

Zum Arzt gehen wegen Minderwertigkeitsgefühlen sollten Betroffene, wenn sie spüren, ihren Alltag nicht mehr meistern zu können. Dazu zählen auch Gefühle von ständiger Traurigkeit wegen des Gefühls, niemals genügen zu können. Der Hausarzt kann hier ein erster Ansprechpartner sein. Er kann weiter zu den Symptomen und Ängsten befragen und gegebenenfalls weiter zu Fachärzten vermitteln. Zum Arzt zu gehen wegen Minderwertigkeitskomplexen fällt vielen Betroffen nicht leicht. Deswegen können auch Außenstehende mit dem Verdacht auf starke Minderwertigkeitskomplexe dies ansprechen und so eventuell die Einsicht vermitteln, dass es sich um ein Krankheitsbild handelt, welches man behandeln kann und sollte.

Komplikationen

Die häufigste Komplikation im Zusammenhang mit Minderwertigkeitskomplexen ist der soziale Rückzug und die damit drohende soziale Isolation. Wer immer glaubt, nicht genügen zu können, möchte sich solch belastenden Situationen meist irgendwann nicht mehr aussetzen und meidet Kontakte. Zum einen, weil man das Gefühl der Minderwertigkeit, was man vor allem in sozialen Situationen deutlich zu verspüren glaubt, nicht mehr erleben möchte. Zum anderen aber auch, weil viele Betroffene der Meinung sind, dass sie anderen nur zur Last fallen würden. Menschen als soziale Wesen brauchen aber Kontakte und Austausch mit anderen. Nur die wenigsten Menschen leben freiwillig und glücklich sozial isoliert. Aus sozialer Isolation heraus können Depressionen entstehen bishin zur Suizidalität.

Minderwertigkeitskomplexe überwinden

Minderwertigkeitskomplexe können sowohl durch den Bereich der Selbsthilfe als auch durch professionelle Behandlung beseitigt werden. Im Bereich der Selbsthilfe ist es wichtig, dass das eigene negative Bild durch ein realistisches Bild korrigiert wird.

Positives und Stärken hervorheben

Ein Einstieg kann hier zum Beispiel sein, dass man alles Positive aufschreibt, was man mit der eigenen Person verbindet- und auch alles Negative. Meist wird die Liste des Negativen zunächst deutlich länger sein. Nun wird versucht, sämtliche Aussagen einer realistischen Prüfung zu unterziehen. Dies kann dadurch geschehen, dass Betroffene ausgewählte Menschen um eine dezidierte Rückmeldung bitten. Entscheidend für den Erfolg ist aber, dass die Betroffenen auch bereit sind, eine ehrlich-positive Rückmeldung auch anzunehmen.

Gerade bei leichteren Fällen von Minderwertigkeitsgefühlen kann es auch hilfreich sein, sich alles an positiven Rückmeldungen in ein kleines Büchlein zu notieren und dieses immer wieder zur Hand zu nehmen. So soll mehr und mehr verinnerlicht werden, dass andere Menschen durchaus viel Positives an einem sehen und die eigene Wahrnehmung nicht zutreffend ist. Damit solche Verfahren der Selbsthilfe Erfolg haben können, bedarf es aber zunächst des Eingeständnisses, dass man ein Problem mit dem eigenen Selbstbild hat, was wiederum auf unrealistischen Annahmen gründet.

Wenn die Minderwertigkeitskomplexe sehr stark sind, fehlt aber oft diese so genannte Krankheitseinsicht. Hier sollte professionelle Hilfe durch erfahrene Psychologen und Psychiater in Anspruch genommen werden.

Gerade wenn die Ursachen von Minderwertigkeitskomplexen in der frühen Kindheit zu suchen sind, können Betroffe dies meist nicht mehr selbst ergründen und schon gar nicht therapieren. Hierzu bedarf es spezieller psychotherapeutischer Verfahren.

Mittels dieser Verfahren können ungünstige Muster der Kindheit und entsprechende seelische Reaktionen deutlich gemacht werden. So entsteht eine Einsicht in Verhaltensmuster, die Minderwertigkeitsgefühle fördern. Betroffene müssen dies verstehen und in einem nächsten Schritt dann bereit sein, falsche Muster zu durchbrechen und mithilfe des Therapeuten neue Verhaltensweisen und Gedankenspiele zu erlernen. Die Dauer einer solchen Psychotherapie ist unterschiedlich. Bei guter Mitarbeit der Betroffenen und dem echten Willen nach Veränderung ist aber durchaus mit guten Erfolgen zu rechnen.

Quellen

  • Faller, H. & Lang, H.: Medizinische Psychologie und Soziologie, Springer Verlag, 2010
  • Janssen, P.L.: Leitfaden Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Deutscher Ärzteverlag, 2006
  • Payk, T., Brüne, M.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Dilling, H. & Freyberger, H.J.: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, Huber Verlag, 6. Auflage 2012

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 3. November 2018

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