Bewegungslernen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 17. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bewegungslernen beschreibt die dauerhafte Koordination der Muskulatur sowie der Gliedmaßen zur Erreichung eines Bewegungsziels (z.B. die Schusstechnik im Fußball). Gibt es ein Lernen auf Anhieb? Kaum, so genannte Bewegungstalente sind eventuell in der Lage einfache Bewegungsabläufe schnell zu erfassen und nachzuahmen. Allerdings entspricht dies in der Regel nicht dem `normalen` Bewegungslernen. "Normal" ist, dass sich automatisierte Bewegungsabläufe (abrufbare Bewegung in Perfektion unter verschiedensten Bedingungen) erst nach vielem Üben und emsigen Training einstellen. Je nach Komplexität der Bewegung müssen zum Erreichen dieses Ziels zwischen 10.000 und 50.000 Wiederholungen notwendig sein. Aber wie werden Bewegungen überhaupt erlernt?

Bedeutung von Bewegungslernen

Bewegungslernen findet immer und überall als Reaktion auf die verschiedensten Umwelteinflüsse statt. Egal ob - Bewegungslernen während der kindlichen Entwicklung (z.B. Laufen-, Fahrradfahren lernen), beim Techniktraining in einer Sportart oder dem Wiedererlenen von Bewegungsabläufen nach schweren Unfällen oder Krankheiten (z.B. nach einem Schlaganfall) – Bewegungslernen ist in jeder Hinsicht ein wichtiger und allgegenwärtiger Prozess des menschlichen Lebens.

Sensomotorisches Lernen

Entscheidend für das Erlernen eines Bewegungsverlaufes ist das Zusammenpiel von sensorischen und motorischen Leistungen, den sensomotorischen Regulationsprozessen. Das heißt, für die unmittelbare Steuerung und Regulation der Bewegungen sind wesentliche Teile des Nervensystems verantwortlich.

Für die Aufnahme von Informationen besitzt der Mensch eine Reihe von Sinnen (Sensoren), wie das Auge, das Gehör, den Tastsinn, Gleichgewichts- und Muskelsinn (Informationsaufnahme).

Die aufgenommenen Informationen werden über Nervenbahnen (Informationsweiterleitung) in die spezifischen Gehirnareale geleitet. In diesen Gehirnbereichen und in Teilen des Rückenmarks werden die Informationen verarbeitet.

Das heißt die Bewegungsabläufe werden im Gehirn registriert und ein Abbild entworfen. Das Bewegungssignal wird als elektrischer Impuls über die motorischen Nervenbahnen im Rückenmark in die entsprechenden Muskelbereiche geleitet. Chemische, elektrische und mechanische Prozesse innerhalb des Muskels lassen die Muskelfasern kontrahieren Durch diese Muskelkontraktion in Verbindung mit den Knochen und Sehnen werden Gliedmaßen bewegt.

Über die Sinneszellen in den Muskeln erfolgt eine ständige Rückmeldung der Bewegungsausführung an die Zentrale (Gehirn). Demnach vollzieht sich die Bewegungssteuerung auf Grundlage von Sinnesrückmeldungen. Ein Bewegungsverlauf wird vom Lernenden – wie auch immer – wahrgenommen und dann – je nach eigenen motorischen Möglichkeiten ganz oder teilweise – in Bewegung umgesetzt. Dieses Bewegungsmuster wird im Gedächtnis abgespeichert, um bei entsprechender Situation abgerufen und aktualisiert zu werden. Ausgehend von diesen sensorischen Rückmeldungen (Sensomotorik) und dem geschlossenen System von Steuerung und Regelung kann das Erlernen komplexer sportlicher Bewegungen als sensomotorischer Regelkreis interpretiert werden.

Das Problem besteht nur darin, das weder der Lehrende, noch der Lernende, unmittelbaren Zugriff auf die für das Erstellen dieser Bewegungsmuster notwendigen Prozesse hat. Für den Lehrenden besteht nur die Möglichkeit, durch ein adäquates methodisches Vorgehen (methodische Reihe) und lernerleichternde Informationen (Lernhilfen) den Lerneffekt zu optimieren.

Ganzheitliches Bewegungslernen

Üblicherweise wird bei der Vermittlung von Bewegungsmustern auf den äußerlich sichtbaren Bewegungsablauf zurückgegriffen. Der Lehrer oder Trainer vergleicht die wahrgenommene Ausführung mit der erwünschten Zieltechnik. Dabei beschränkt sich eine derartige Sammlung visueller Informationen (Film-, Videoaufnahmen) häufig nur auf die Wahrnehmung kinematischer, also die äußeren Merkmalen einer Bewegung. Das heißt, die subjektiven Bewegungserlebnisse, die individuellen Sinneseindrücke, Gefühle und Empfindungen, also die "Innenansicht der Bewegung" werden bei der rein sensomotorischen Betrachtung nicht berücksichtigt. Folglich kann es zu einer erheblichen Differenz zwischen äußeren Bewegungsmerkmalen und dem Bewegungserleben des Lernenden kommen.

Für viele Wissenschaftler ist unbestreitbar, dass der Mensch selbst bzw. sein Geist (Sensus) Bewegungserlebnisse – wie auch immer – zu einem Ganzen zusammenfügt und mit der Bewegungsausführung sowie zugehörigen kognitiven Arealen im Gedächtnis abspeichert.

Sie gehen davon aus, dass der Lernprozess auch ohne äußere Anleitung - vom Menschen selbst - funktionieren kann. Dabei wird das Bewegungslernen vom Menschen und seines Körpers als Ganzes beeinflusst, wie z.B. die Bewegungsvorstellung, die Bewegungsvorerfahrung, das Bewegungsgefühl und das Bewegungsgedächtnis.

So besteht die Herausforderung des Lehrenden herauszufinden, wie die wesentlichen Aspekte der Informationsverarbeitung das Lernen beeinflussen, um eine Vereinfachung des Lernens zu erreichen und andererseits die erfolgreichen Versuche, Aspekte der subjektiven "Innensicht" der Lernenden zu optimieren.

Ein Beispiel für diesen ganzheitlichen Bewegungsansatz ist die Erlebnis-, Selbst- und Körpererfahrung von Kindern. Da die heutigen Bewegungslandschaften der Kinder sich mehrheitlich auf versiegelte Asphaltflächen von Großstadt-Hinterhöfen beschränken, fehlen die natürlichen Möglichkeiten, mit den Grundfertigkeiten wichtige Primärerfahrungen zu sammeln. Durch die erkundende und freudvolle Auseinandersetzung mit seiner natürlichen Umwelt, offenen Bewegungsangeboten oder Bewegungslandschaften kann ein Kind motorische Bewegungs- und Handlungsmuster spielerisch erlernen.

Dieser Artikel wurde unter Berücksichtigung der sportwissenschaftlichen Fachliteratur und aktueller Studien verfasst.
Qualitätssicherung durch: Dipl.-Sportwiss. Martin Romahn
Letzte Aktualisierung am: 17. November 2021

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