Platzangst (Agoraphobie)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Angst vor weiten Plätzen, vielen Menschen, Panik und Kontrollverlust wird in Fachkreisen als Agoraphobie oder auch Platzangst bezeichnet. Betroffene meiden die angstauslösenden Situationen, was bis zur völligen Isolation führen kann. Abhilfe schaffen verschiedene psychotherapeutische Behandlungen.
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Was ist Platzangst (Agoraphobie)?
Platzangst, genannt, ist die Angst vor weiten Plätzen und großen öffentlichen Menschenmengen. Betroffene fürchten solche Orte nicht schnell genug wieder verlassen zu können, wenn sie Hilfe benötigen, oder in peinliche Situationen zu geraten.
Derartige Situationen können zum Beispiel der Aufenthalt in Menschenmengen, öffentlichen Verkehrsmitteln oder an öffentlichen Plätzen sein.
Häufig tritt Platzangst in Verbindung mit einer Panikstörung auf. Starke körperliche Symptome treten in den Angst auslösenden Situationen auf. Die Betroffenen meiden dann diese angst- oder panikauslösenden Situationen - aus Angst vor der Angst. Genau genommen ist die Platzangst nur ein Teilbereich der Agoraphobie, denn ein Agoraphobiker hat nicht nur Angst vor weiten Plätzen, sondern auch vor öffentlichen und ungewohnten Begebenheiten.
Ursachen
In vielen Fällen berichten Betroffene, dass sie ohne zu wissen, was mit ihnen geschieht, in eine Notlage unter vielen Menschen kamen und danach unter dieser Angststörung litten.
Fachärzte gehen davon aus, dass Agoraphobie auch durch genetisch begünstigte Umstände auftreten kann und durch eine falsche Prägung in der Erziehung ein Auftreten der Platzangst begünstigt wird.
Außerdem wird angenommen, dass eine Angststörung in Form von Platzangst eine angelernte Fehlreaktion des Betroffenen ist. Studien zeigen, dass Platzangst fast immer erstmalig in Zeiten großer psychischer Belastung auftritt, zum Beispiel nach Trennungen, Verlusten oder bei Überforderung.
Wann zum Arzt?
Ein Unwohlsein bei einem Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen oder in Umgebungen, in denen sich viele Menschen befinden, sind bei den meisten Menschen vorübergehende Emotionen. Ein Arzt wird nicht benötigt, wenn sich das Wohlbefinden innerhalb kurzer Zeit wiedereinstellt oder es sich um eine einmalige Begebenheit handelt. In diesen Fällen ist der Betroffene aufgeregt und wird lernen, die Situation mit eigenen Ressourcen zu meistern.
Erlebt der Betroffene jedoch aufgrund aufkommender Angst einen Leidensdruck oder meidet er bewusst Situationen, in denen er von mehreren Menschen umgeben ist, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Kommt es zu einem Rückzug aus der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, werden verschiedene Orte absichtlich gemieden oder stellen sich bereits bei dem Gedanken an die Umgebungsverhältnisse Beschwerden ein, ist ein Arzt oder Therapeut zu konsultieren.
Eine akute Atemnot in einer Menschenmenge, Herzrasen, die Angst zu Sterben oder Verhaltensauffälligkeiten sollten mit einem Arzt besprochen werden. Häufig kommt es über einen längeren Zeitraum zu einer Zunahme der Angstzustände. Sie treten häufiger auf und haben eine stärkere Intensität. Ein Arzt oder Therapeut wird benötigt, sobald der Betroffene bereit ist, an den Angstzuständen zu arbeiten und eine Veränderung herbeiführen möchte.
Sinkt die Lebensqualität aufgrund der Beschwerden oder kommt es Persönlichkeitsveränderungen wird therapeutische Hilfe benötigt.
Symptome und Verlauf
Bei einer Platzangst kann die Summe der Symptome in drei Gruppen unterteilt werden: physische Symptome, die von Betroffenen häufig sehr stark wahrgenommen werden und die Angst noch verstärken, psychische Symptome, die häufig nur dem Umfeld der Betroffenen auffallen, und Symptome, die sich im Verhalten der betroffenen Personen ausdrücken und als starke Einschränkung der Lebensqualität empfunden werden.
Zu den physischen Symptomen einer Agoraphobie gehören Schweißausbrüche, Herzrasen, Übelkeit und Schwindel, Taubheitsgefühl oder Kribbeln in Armen und Beinen oder ein trockener Mund. Die psychischen Symptome einer Agoraphobie drücken sich durch permanente Gedanken über die möglichen Gefahren, Depressionen, Hilflosigkeit und mangelndes Selbstwertgefühl aus. Am deutlichsten wird Platzangst jedoch im Verhalten der Betroffenen ersichtlich. Sie vermeiden Situationen, die Angst auslösen oder verlassen solche fluchtartig und setzen sich ungerne ohne Begleitung solchen Situationen aus. Das kann so weit führen, dass die Betroffenen ihre Wohnung nicht mehr verlassen können.
Diagnose
Die Diagnose von Platzangst sollte immer durch einen Facharzt erfolgen. Kompetent sind Fachärzte aus dem Bereich der Psychiatrie und Psychotherapie. Nur diese können andere Erkrankungen ausschließen, die ein ähnliches Krankheitsbild aufweisen. Zur Diagnose von Agoraphobie wird der ICD (Krankheiten-Klassifikation) herangezogen.
Vereinfacht erklärt lösen bei einem Betroffenen mindestens zwei der folgenden vier Punkte Angst aus: Reisen ohne Begleitung, Reisen in weite Ferne, Menschenansammlungen und öffentliche, weite Plätze. In den meisten Fällen tritt Agoraphobie erstmals zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr auf. Im Verlauf der Erkrankung treten die Symptome immer häufiger auf und ein Vermeidungsverhalten und die Angst vor der Angst tritt deutlicher hervor. Im schlimmsten Fall endet Platzangst in der völligen sozialen Isolation der Betroffenen.
Behandlung und Therapie
Fachärzte sehen die Chancen auf eine Heilung von Platzangst als sehr günstig an. Grundlage hierfür sind jedoch eine genaue Diagnose und eine meist langwierige Therapie, die in einigen Fällen mit der Einnahme von Medikamenten unterstützt wird.
Bevorzugt wird eine Konfrontationstherapie zur Behandlung von Agoraphobie eingesetzt. Dabei werden zwei Varianten unterschieden: die systematische Desensibilisierung und das Flooting.
Bei der systematischen Desensibilisierung wird zunächst eine Angstskala festgelegt, um eine Kommunikation zwischen Therapeut und Patient zu ermöglichen. Danach setzt sich der Betroffene in Begleitung seines Therapeuten bewusst den Angst auslösenden Situationen aus und wendet erlernte Entspannungstechniken an.
Beim Flooting wird der Patient direkt der von ihm als am schlimmsten empfundenen Situation ausgesetzt und soll diese, wieder in Begleitung seines Therapeuten, aushalten. Bei beiden Verfahren lernt ein Betroffener, dass seine Platzangst keine rationalen Gründe hat.
Vorbeugung
Platzangst, wie auch Angst im allgemeinen, ist eine sehr stark lernbedingte Angst. Deshalb ist es ratsam, die auslösenden Momente nicht zu meiden, wie es bei Betroffenen oft der erste Reflex ist, sondern sich dieser Situation zu stellen. Wenn erste Anzeichen einer Agoraphobie auftreten, hilft die Konsultation eines Psychotherapeuten. Dieser kann die Platzangst schon im Ansatz behandeln.
Quellen
- Payk, T.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013
- Dilling, H. & Freyberger, H.J.: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, Huber Verlag, 6. Auflage 2012
- Tölle, R., Windgassen, K.: Psychiatrie. Springer, Berlin 2014
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
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