Olfaktorischer Cortex (Riechhirn)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der einfache Begriff für olfaktorischer Cortex ist Riechhirn. Es handelt sich um den oberhalb der Augenhöhlen gelegenen, dreischichtigen Bereich des Großhirns, der Gerüche wahrnimmt und diese verarbeitet.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Die corticalen Eigenschaften des Menschen sind stark eingeschränkt, da sich diese Art der Sinneswahrnehmung im Verlaufe der Evolution stark vermindert hat. Dennoch ist der olfaktorische Cortex in der Lage, über eine Billion unterschiedlicher Gerüche wahrzunehmen und diese Sinneswahrnehmungen auf direktem Wege an die Gehirnareale weiterzuleiten, die für die Erinnerung und die emotionale Verarbeitung zuständig sind.

Verschiedene Krankheiten können in diesem Bereich des Gehirns zu Zellschäden führen, die die Geruchswahrnehmung stören oder sogar unmöglich machen. Zu den häufigsten Ursachen gehören degenerative Erkrankungen.

Anatomie

Der olfaktorische Cortex ist für die Wahrnehmung und Verarbeitung von Gerüchen zuständig. Dieses Sinnesorgan entspricht dem Bereich der im Großhirn angeordneten Riechbahn, die als Riechrinde bezeichnet wird. Das Gehirn ist in Schichten gegliedert. Der olfaktorische Cortex gehört zum Allocortex, der Großhirnrinde, die ihrerseits aus bis zu fünf Schichten besteht.

Das Riechhirn ist mit rezeptiven Aufgaben befasst und unterscheidet sich in seiner Anatomie von allen weiteren Gehirnbereichen, die gleichfalls mit der Verarbeitung von Sinneseindrücken beschäftigt sind. Für diese Andersartigkeit ist der Allocortex verantwortlich, denn „Allo“ bedeutet „anders“. Beim Menschen ist dieses Sinnesorgan so geringfügig ausgeprägt, dass er die Bezeichnung Riechhirn eigentlich nicht verdient.

Der gleichseitige Riechkolben und der Riechstiel weisen vergleichsweise wenige Zellen auf und haben ihre corticalen Eigenschaften fast komplett verloren. Die Interpretation hält sich dahingehend, dass es sich beim Riechhirn um den ersten Hirnnerv, den sogenannten Nervus olfactorius handelt. Das olfaktorische System ist oberhalb der Augenhöhlen angeordnet. Es ist dreischichtig aufgebaut und eng mit dem Hippocampus (ein Bestandteil des Gehirns) verbunden.

Die Anatomie unterteilt das Riechhirn in das primäre und sekundäre olfaktorische Zentrum. Der olfaktorische Cortex besteht aus Fasern, die die Sinneseindrücke auf die zuständigen Gehirnbereiche projizieren. Diese Projektion zielt auf die Amygdala (Mandelkern, paariges Kerngebiet des Gehirns), den periformen Cortex und den entorhinalen Cortex (Rindenfeld am Rand der Großhirnlappen in enger Beziehung zum Hippocampus), der für die Emotionsverarbeitung zuständig ist, ab. Auf diese Weise entsteht die emotionale Geruchsbelegung.

Innerhalb des Riechhirns verläuft die Großhirnrinde in Form eines Stranges von hinten nach vorne aus, um den Pedunculus olfactorius (Riechkolben und Riechstil) zu bilden. Das Riechhirn ist mit Leitungsbahnen versehen, die von der Peripherie zum Zentrum hin verlaufen (zentripetal).

Sie werden durch den seitlichen und mittleren Riechkolben (Tractus olfactorii lateralis und mediales) und dessen dreieckigen Verbreiterung (Trigonum olfactorium) gebildet. Über diesen Weg gelangt die Geruchsinformation über den Riechkolben direkt in das Riechhirn. Die Anatomie erinnert an von unten in den Stirnlappen einbettete Schmetterlingsfühler.

Funktion

Nimmt der Mensch Gerüche wahr, registrieren die auf der Nasenschleimhaut angeordneten Rezeptorzellen Geruchsmoleküle. Die olfaktorischen Sinnesneurone sind die einzigen, die direkt an der Körperoberfläche liegen, auch wenn sich diese tief im Inneren der Nase befinden. Sie leiten die Geruchsinformationen über ihre Axone weiter. Von allen Nervenfasern sind die Axone der Riechsinneszellen (Fila olfactoria) am geringsten ausgebildet.

Die olfaktorischen sekunddären Rindengebiete identifizieren Gerüche und überlappen sich am präfrontalen orbitalen Cortex mit den sekundären Geschmacksbereichen. Dieser Prozess kann nur auf der Grundlage der Erinnerung an bestimmte Gerüche geschehen, die entsprechend zugeordnet werden.

Geruchswahrnehmungen sind die einzigen Sinneswahrnehmungen, die ohne Zwischenschaltung des Thalamus (größte Teil des Zwischenhirns) den Cortex auf direktem Wege erreichen. Der olfaktorische Cortex und das nasal-trigeminale System für chemische und taktile Reize sind eng miteinander verbunden. In dieses Netzwerk gehört auch das für die Geschmacksreize zuständige gustatorische System.

Moleküle eins Geruchs docken an die Rezeptormoleküle der Riechschleimhaut an. Die Aktionspotentiale gelangen über Löcher des Siebbeins in das Innere des Gehirns. Mehr als eintausend Axone im olfaktorischen Cortex konvergieren zur gleichen Zeit auf das nachfolgende Neuron und lassen die Signale über verteilte Sinneszellen zusammengehen.

Neben den beiden Riechkolbenseiten besteht eine Verbindung zur Gedächtnisspeicherung, die die Erinnerung an einmal wahrgenommene Gerüchte ermöglicht, so dass der Mensch sie immer wieder zuordnen kann.


Erkrankungen

Werden die Fasern im Cortex beschädigt oder zerstört, kommt es zu Verwirrungen oder zum Untergang der Geruchswahrnehmung. Entzündungen im Hals-Nasen-Ohrenbereich oder Schlaganfälle können die Ursache für diese Schädigungen sein. Tumore in diesem Gehirnbereich sind gleichfalls in der Lage, den Riechsinn zu verändern oder auszusetzen. In diesem Fall breiten sich die Tumore aus und verändern die Raumforderungen der Cortex-Strukturen.

Die häufigsten Beschwerden sind jedoch degenerative Erkrankungen, wie Parkinson, Demenz oder Alzheimer, bei denen große Teile des Gehirns untergehen. Die Diagnose erstellt ein Hals-Nasen-Ohrenarzt in der Olfaktomie. Über dieses Riechverfahren können die zuvor genannten degenerativen Erkrankungen bereits im Frühstadium festgestellt werden. Die Patienten weisen häufig einen negativ veränderten oder nicht mehr vorhandenen Geruchssinn auf.

Da das Geschmackssystem eng mit dem Geruchssinn zusammenarbeitet, können Patienten, die an Alzheimer leiden und bei denen ein großer Teil des Gehirns bereits untergegangen ist, zwar Gerüche wahrnehmen, diese jedoch nicht mehr zuordnen. Je nach Ort der Schädigung können sie umgekehrt das Essen schmecken, aber den Geruch nicht mehr wahrnehmen.

Quellen

  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
  • Payk, T., Brüne, M.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Bewermeyer, H.: Neurologische Differenzialdiagnostik, Schattauer Verlag, 2011

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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