Myelin

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei Myelin handelt es sich um eine Biomembran, die reich an Lipiden ist. Von ihr wird die biochemische Basis der Myelinscheiden gebildet.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Unter Myelin wird eine lipidreiche Biomembran verstanden. Sie umschließt die Axone beinahe sämtlicher Nervenzellen und isoliert sie elektrisch. Entdecker des Myelin war im Jahr 1854 der deutsche Pathologe Rudolf Virchow (1821-1902) durch Lichtmikroskopie. So entdeckte er innerhalb von Nervenfasern eine Markscheide, der er die Bezeichnung Myelin gab. Der Begriff Myelin stammt von dem griechischen Wort Myelos und bedeutet „Mark“.

Da die Myelinscheiden in regelmäßigen Abständen unterbrochen werden, findet die elektrische Weiterleitung der Reize von einem Ranvier-Schnürring zum anderen statt. Diese ringförmigen Aussparungen des Myelins erhielten ihre Bezeichnung nach dem französischen Pathologen Louis-Antoine Ranvier (1835-1922). Die Geschwindigkeit der Reizweiterleitung ist auf diese Weise höher als bei einer zusammenhängenden Weiterleitung.

Aufbau einer Nervenzelle. Myelin bildet die Myelinscheide, die zur elektrischen Isolation der Axone dient.

Anatomie

Das Myelin entsteht innerhalb des peripheren Nervensystems (PNS) durch die Schwann'sche Zellen. Dabei umgibt die Myelin-Membran einer einzelnen Schwann'schen Zelle stets lediglich einen Teilabschnitt des gleichen Axons in verschiedenen Schichten.

Im zentralen Nervensystem (ZNS) entwickeln sich die Myeline mithilfe von Oligodendrozyten, die erheblich verzweigt sind. Dank ihrer zahlreichen verzweigten Arme versorgen die Oligodendrozyten ihre Myeline mit bis zu 50 Axonen zur selben Zeit. Alle 0,2 bis 1,5 Millimeter kommt es zu einer Unterbrechung durch die Ranvier-Schnürringe, was eine sprunghafte Übertragung der elektrischen Reize zur Folge hat.

Zusammengesetzt wird Myelin aus rund 40 Prozent Wasser. In der Trockenmasse befinden sich ca. 80 Prozent Lipide. Dazu gehören in erster Linie Zerebroside, Phospholipide und Cholesterin. Bei den restlichen 20 Prozent der Trockenmasse handelt es sich um Proteine. Es sind aber auch prozentuale Differenzen möglich. Proteine wie das Myelin-assoziierte Glykoprotein sowie das Basische Myelinprotein sind für die Stabilität des Myelins von entscheidender Bedeutung.

Struktur und Zusammensetzung der Biomembran fallen in PNS und ZNS verschieden aus. Für die Myelinisierung des zentralen Nervensystems ist das Oligodendrozyten-Glykoprotein überaus wichtig. In den Schwann'sche Zellen, von denen Myeline des PNS produziert werden, steht es dagegen nicht zur Verfügung.

Ein weiteres Merkmal der Myeline stellen die Schmidt-Lantermann-Einkerbungen dar. Sie tragen auch die Bezeichnung Myelininzisuren. Gemeint sind damit Reste des Zytoplasmas aus den Schwann'sche Zellen oder den Oligodendrozyten. Als schmale Streifen kommen sie in sämtlichen Myelinschichten vor. Dabei sind sie für den Austausch von Stoffen zwischen den einzelnen Zellen zuständig.

Funktion

Bedeutendste Tätigkeit der Myeline bildet das elektrische Isolieren der Axone sowie der elektrischen Signalübertragung. Durch die elektrische Isolation wird der Schutz vor Signalen von Nerven gewährleist, die nicht myelinisert sind. Darüber hinaus kommt es beim raschen Übermitteln der Nervenreize nur zu geringfügigen Einbußen.

Die Myelinisierung ist überaus wichtig, weil sie erst eine komplexe Leistung des Gehirns auf engem Raum ermöglicht. So müsste zum Beispiel der Sehnerv, in dem rund zwei Millionen myelinisierte Nervenfasern vorkommen, ohne Myelinschutz über einen Durchmesser von über einem Meter verfügen.

Im Laufe der Evolution wurde das Nervensystem des Menschen verkleinert. Mit der evolutionären Einführung des Myelins konnten leistungsstärkere Gehirne entstehen, die über deutlich mehr Nervenzellen und synaptische Verschaltungen verfügten. Rund 50 Prozent der Gehirnmasse werden von weißer Substanz gebildet. Dabei handelt es sich um myeliniserte Axonen.

Zusammen mit der Myelinisierung bildete sich auch die saltatorische (sprunghafte) Weiterleitung der Reize, die deutlich schneller abläuft als die kontinuierliche Reizweiterleitung. Über eine Depolarisation öffnen und schließen sich Ionenkanäle, damit das Aktionspotential zum nächsten Bereich weitertransportiert werden kann. Dabei baut sich das Potential in gleicher Potenz wieder auf und aktiviert im Endbereich die Ionenpumpe. Auf diese Weise gelangt das Aktionspotential in den anschließenden Abschnitt.



Erkrankungen

  • Guillain-Barre-Syndrom
  • Morbus Krabbe
  • Adrenoleukodystrophie
  • Perlizaeus-Merzbacher-Krankheit

Auch das Myelin kann durch Erkrankungen negativ beeinträchtigt werden. Dazu gehört in erster Linie die Multiple Sklerose (MS), bei der das Myelin der Axone vom körpereigenen Abwehrsystem reduziert wird. So gilt die Multiple Sklerose als neurodegenerative Autoimmunerkrankung.

Das Myelin, welches durch die Krankheit degeneriert, lässt sich nicht mehr ersetzen. Die genauen Ursachen von Multipler Sklerose konnten bislang noch nicht ermittelt werden. Da jedoch familiäre Zusammenhänge bestehen, gehen Mediziner von genetischen Einflüssen aus.

Eine weitere neurodegenerative Autoimmunkrankheit stellt das Guillain-Barre-Syndrom dar. Dabei durchdringt das Immunsystem die Myelinschicht und führt zu Schädigungen der Nervenzellen. Sie können sogar durchtrennt werden. Allerdings sind die Zellen im Unterschied zur Multiplen Sklerose in der Lage, sich selbst wieder zu reparieren.

Ebenfalls zu den Erkrankungen, die das Myelin in Mitleidenschaft ziehen, gehören Leukodystrophien wie Morbus Krabbe, die Adrenoleukodystrophie oder die Perlizaeus-Merzbacher-Krankheit. Die Krankheiten werden genetisch vererbt und treten beim Myelin des zentralen Nervensystems auf.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Masuhr K., Masuhr, F., Neumann, M.: Duale Reihe Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
  • Bewermeyer, H.: Neurologische Differenzialdiagnostik, Schattauer Verlag, 2011

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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