Kraniopharyngeom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Kraniopharyngeom wird ein benigner (gutartiger) langsam wachsender Hirntumor im Bereich Hypothalamus und Hypophyse bezeichnet. Er kann durch seine physische Größe Druck auf Hypothalamus und Hypophyse sowie auf benachbarte Gehirnregionen einschließlich der Sehnerven ausüben und deren Funktionen empfindlich bis lebensbedrohend beeinträchtigen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Kraniopharyngeom?

Ein Kraniopharyngeom ist ein Hirntumor. Starke Kopfschmerzen und Sehstörungen sind typische Symptome.

Benigne langsam wachsende Kraniopharyngeome entstehen aus ektodermalem Restgewebe aus der embryonalen Entwicklung. Es wird zwischen adamantinösen und papillären Kraniopharyngeomen unterschieden. Die adamantinöse Form ist die bei weitem häufigste Art. Ein erstes Häufungsmaximum besteht bei Kindern zwischen dem 5. und dem 10. Lebensjahr.

Ein zweites Maximum besteht bei Erwachsenen zwischen dem 50. und 75. Lebensjahr. Die häufigere adamantinöse Form des Tumors neigt zu Verkalkungen und Keratinisierungen (Verhornungen) und zur Bildung von Rezidiven nach operativer Entfernung. Der Tumor kann auch zystenartig ausgebildet sein.

Ursachen

Es ist bekannt, dass sich Kraniopharyngeome ausschließlich aus epithelem Restgewebe aus der sogenannten Rathke-Tasche bilden können, welche dem 3. Keimblatt, dem Ektoderm, entstammt und sich während der weiteren Embryonalphase zur Adenohypophyse (Hypophysenvorderlappen) ausdifferenziert. Die Ursachen, warum ein epitheles Restgewebe zurückbleibt und warum sich daraus ein sogenannter Fehlbildungstumor bilden kann, sind nicht abschließend geklärt.

Sehr wahrscheinlich spielen Gendefekte eine Rolle, zumindest wurde bei den eher seltenen papillären Kraniopharyngeomen in der DNA ein defektes BRAF-Gen gefunden, das die Synthetisierung des Enzyms Serin-Threonin-Kinase anregt, das die Bildung des Tumors begünstigen kann. Das Enzym kann durch ein bereits zugelassenes Medikament geblockt werden. Eine verlässliche Studie, die die Effizienz des Medikaments in diesem Zusammenhang belegen könnte, existiert (noch) nicht.

Im Verlauf der Studie, die zur Zulassung des Medikaments „Vemurafenib“ durchgeführt wurde, konnte nachgewiesen werden, dass bei vielen Patienten, die an der häufigeren adamintanösen Form des Tumors leiden, eine Mutation des Gens CTBNNB1 vorliegt. Der Gendefekt führt zu einer Inaktivierung des Proteins Beta-Catenin, das eine wichtige Rolle bei Zelladhäsionen spielt.

Symptome und Verlauf

Sekundäre Symptome eines Kraniopharyngeoms:

  • Gesichtsfeldausfall
  • Wachstumsstörungen
  • Verhaltensänderungen

Das Kraniopharyngeom selbst ist schmerzfrei und symptomlos. Mit zunehmender Größe übt der Tumor physischen Druck auf Hypothalamus und Hypophyse sowie auf die Sehnervenkreuzung und auf weitere Hirnareale aus, so dass deren Funktionen beeinträchtigt werden. Hypothalamus und Hypophyse regeln als wichtigste endokrine Drüsen über die Produktion von Steuer- und Effektorhormonen die körperlichen Grundfunktionen Wasserhaushalt, Nahrungsaufnahme, Temperaturanpassung, circadiane Rhythmik und die Fortpflanzung.

Sekundäre Symptome entstehen durch eine Beeinträchtigung einer oder mehrerer obiger Steuerfunktionen. Ein Kraniopharyngeom kann daher Beschwerden wie unspezifischer chronischer Kopfschmerz, Sehstörungen bis hin zu Gesichtsfeldausfällen, Diabetes insipidus durch ADH-Mangel, Wachstumsstörungen durch Hormonmangel und verspätete Pubertät durch mangelnde Geschlechtshormone auslösen.

Im Falle einer Gewebsverdrängung und Kompression im Bereich des dritten Gehirnventrikels kann sich ein Hydrocephalus internus (kindlicher Wasserkopf) ausbilden. Unbehandelt führt der langsam, aber ungebremst wachsende benigne Hirntumor allmählich zu einer Verstärkung der Symptome und zum Entstehen zusätzlicher Beschwerden. Im weiteren Verlauf können die irreparable Schäden und lebensbedrohliche Zustände verursacht werden, die letztlich zum Tode führen.

Diagnose

Bei Kindern können Wachstumsstörungen, auffällige und unerklärliche psychische Verhaltensänderungen oder eine rapide Gewichtsänderung und Ausbleiben der Pubertät erste Verdachtsmomente auf Vorliegen eines Kraniopharyngeoms liefern. Bei Erwachsenen stellen sich erst bei deutlich ausgebildeter Geschwulst Symptome wie Kopfschmerzen, Sehstörungen, morgendliche Übelkeit und Erbrechen sowie eine allgemeine Leistungsschwäche ein.

Eine endokrinologische Funktionsanalyse gibt Aufschluss über eine gestörte Hormonproduktion. Als bildgebendes Diagnoseverfahren ist das MRT besser geeignet als das CT-Verfahren. Augenärztliche Überprüfungen des Gesichtsfeldes und des Augenhintergrundes sowie neurologische Untersuchungen runden die Diagnose ab und geben Hinweise über das Ausmaß spezifischer Schäden.

Komplikationen

Ein Kraniopharyngeom kann bei den Patienten verschiedene Störungen und Beschwerden hervorrufen. Ernste Komplikationen treten vor allem bei Kindern auf, die durch den Erdheim-Tumor an Wachstumsstörungen leiden und somit häufig unterentwickelt sind. Durch das häufige Wasserlassen und den starken Durst kann es zu einer Dehydration und den daraus resultierenden Mangelerscheinungen kommen. Es ist nicht auszuschließen, dass das betroffene Kind Depressionen und Angststörungen entwickelt, die ihrerseits mit ernsten Komplikationen verbunden sind.

Bei fehlender Behandlung kann der Tumor in andere Körperregionen streuen und im schlimmsten Fall tödlich verlaufen. In weniger schwerwiegenden Fällen treten Sehstörungen, chronische Kopfschmerzen und Druckschmerzen im Bereich des Kraniopharyngeoms auf. Die operative Entfernung des Tumors gestaltet sich aufgrund seiner Lage zwischen Sehnerv und Hypothalamus als schwierig. Bei dem Eingriff können Verletzungen an den entsprechenden Körperregionen sowie Infektionen und Blutungen auftreten. Eingesetzte Schmerzmittel bergen die Gefahr von ernsten Neben- und Wechselwirkungen. Der Erdheim-Tumor hat eine hohe Rezidivrate und tritt nach der Behandlung häufig erneut auf.

Behandlung und Therapie

Es gibt derzeit noch keine Medikamente, die das Wachstum eines Kraniopharyngeoms aufhalten oder sogar zu einer Rückbildung des Tumors führen kann. Medikamentös können lediglich fehlende Hormone teilweise ausgeglichen werden, so dass zumindest eine Behandlung der Sekundärsymptome möglich ist. Es können z. B. bei Vorliegen entsprechender Indikation die Hormone L-Thyroxin, Hydrocortison und Antidiuretika (bei Diabetes insipidus) verabreicht werden. Es besteht daher in der Regel die Notwendigkeit, den Tumor operativ zu entfernen, was wegen der Verletzungsgefahr des umgebenden Hirngewebes mit Risiken behaftet ist.

Vorzugsweise sollte die Operation von einem erfahrenen Neurochirugen transnaseal, also durch die Nase durchgeführt werden. Nach einer Operation – unabhängig davon ob das Tumorgewebe vollständig entfernt werden konnte oder nicht, ist eine anschließende gezielte Strahlentherapie wichtig, um die Gefahr der Rezidivbildung zu verringern.

Die langzeitmäßigen Erfolgsaussichten der Kombination Operation mit Strahlentherapie sind relativ gut, allerdings kann die Strahlentherapie langfristig zu einem Totalausfall der Hypophyse führen, was die lebenslange Einnahme von Ersatzhormonen bedingt. Im Falle eines zystischen Tumors kann die Einbringung radioaktiv markierter Substanzen vor der Operation zu einer Verkleinerung der Geschwulst führen, was das Risiko der anschließenden Operation vermindert.

Als Nachsorge nach Operation und Strahlentherapie werden regelmäßige endokrinologische Untersuchungen zur Abklärung und Dosierung des Ersatzhormonhaushaltes sowie die Anwendung von MRTs in etwa jährlichen Abständen notwendig. Trotz optimaler Versorgung durch eine totale Entfernung des Tumors bilden sich Sehstörungen und Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, die bereits vor der Operation bestanden, nur selten zurück.


Vorbeugung

Vorbeugende Maßnahmen, die die Ausbildung eines Kraniopharyngeoms verhindern könnte, gibt es nicht. Die wichtigste Maßnahme kann derzeit nur in einer aufmerksamen und frühzeitigen Erkennung entsprechender Symptome bestehen, um im Zweifelsfall eine ärztliche Untersuchung durchführen zu lassen. Möglicherweise kann in Zukunft eine Genanalyse Aufschluss darüber geben, ob die Gefahr einer Erkrankung an dem Hirntumor besteht.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2011
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart
  • Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
  • Arastéh, K., et al.: Duale Reihe. Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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Letzte Aktualisierung am: 15. November 2021

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