Kapselendoskopie (Kamera-Pille)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 16. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bereits seit dem Jahre 2001 wird die Kapselendoskopie (Kamera-Pille) als hochauflösendes, bildgebendes Verfahren zur Schleimhautdiagnostik des Verdauungstraktes eingesetzt. Die Patienten schlucken eine Kamera in Kapselform, welche auf natürlichem Wege mit dem Stuhlgang wieder ausgeschieden wird.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Kapselendoskopie (Kamera-Pille)?

Auf dem Weg durch den Magen-Darm-Trakt nimmt die Kamera viele Bilder auf. Veränderungen der Schleimhäute werden dadurch sichtbar.

Bei ihrem Weg durch den gesamten Magen-Darm-Trakt zeichnet eine hochauflösende Mikrokamera automatisch Bilder von der Schleimhaut auf. Da die Kamerapille in der Regel per Funk an einen tragbaren Decoder angeschlossen ist, können bei Bedarf zusätzlich auch weitere Aufnahmen je nach medizinischer Fragestellung erfolgen. Bei Verdacht auf Magengeschwür oder Magenschleimhautentzündung wird man also versuchen, so viele Aufnahmen wie möglich von der Magenschleimhaut in unterschiedlicher Perspektive anzufertigen.

Bis zur Auswertung und Entwicklung der Bilder muss nicht abgewartet werden, diese können direkt nach ihrer Auslösung per Funksignal an den tragbaren Datenrekorder übermittelt werden. Die Kapselendoskopie ermöglicht also eine Schleimhautdiagnose in Echtzeit.

Funktion und Anwendung

Die Bilder der Kapselkamera können von einem dafür extra geschulten Gastroenterologen ausgewertet werden. In der Primärdiagnostik von Erkrankungen des Dünndarms gilt die Kapselendoskopie mittlerweile als Goldstandard. Denn die Dünndarmschleimhaut ist bisher den üblichen endoskopischen Verfahren nicht zugänglich. Mit der Kamera in Kapselform können sämtliche Dünndarmabschnitte in ihrer ganzen Länge gut beurteilt werden.

Die Diagnose der Kapselendoskopie bietet daher eine sichere Grundlage für das weitere diagnostische Vorgehen. Kapselkamerasysteme werden zurzeit von mehreren medizinischen Herstellern angeboten. Für die verschiedenen anatomischen Abschnitte des Magen-Darm-Traktes können auch speziell darauf abgestimmte Kapselkameratypen eingesetzt werden. Es gibt also nicht mehr die eine Minikamera für alle Abschnitte des Magen-Darm-Traktes wie zur Markteinführung im Jahre 2001 durch den israelischen Hersteller Given Imaging Ltd. In Europa haben sich die kapselendoskopischen Untersuchungen vor allem zur Darstellung des Dick- und Dünndarms, weniger zur Untersuchung von Magen und Speiseröhre durchgesetzt.

Die Kapsel ist winzig und daher für den Patienten leicht schluckbar. Im Magen-Darm-Trakt ist die winzige Digitalkamera frei schwimmend. Die Kapselkamera besteht neben der eigentlichen Aufnahmeeinheit noch aus Sendeelektronik und Beleuchtung mit Hochleistungsbatterien. Die Gesamtabmessung ergibt einen Durchmesser von 11 und eine Länge von etwa 26 Millimetern.

Was muss der Patient beachten?

Die Aufnahmefrequenz passt sich der Geschwindigkeit an, mit welcher sich die Minikamera durch die einzelnen Abschnitte des Magen-Darm-Traktes bewegt. Der Patient spürt von diesen Vorgängen nichts. Es treten im Zusammenhang mit der Kapselendoskopie auch keine Nebenwirkungen oder Verdauungsbeschwerden auf. Für den Körper ist die Minikamera nichts anderes als ein unverdaulicher Ballaststoff, der nach der Magen-Darm-Passage mit dem Stuhl wieder ausgeschieden wird.

Wie bei einer herkömmlichen Endoskopie auch, so muss sich der Patient vor dem Schlucken der Kapselkamera einer gründlichen Darmreinigung unterziehen. Im Falle einer geplanten Kapselendoskopie für den Dünndarm muss die Darmreinigung sogar weniger aufwendig ausfallen. Nachdem die Kapsel, möglichst mit nur wenig klarem Wasser geschluckt wurde, begibt sie sich auf die etwa vier- bis elfstündige Reise durch den Verdauungstrakt. Dabei werden insgesamt bis zu 60.000 Bilder aufgenommen und an die Speichereinheit gesandt, die der Patient direkt am Körper tragen muss.

Die Bilder werden nach der Untersuchung im Videostream von einem Arzt ausgewertet. Während der Untersuchung ist der Patient nicht eingeschränkt und kann sich völlig frei bewegen. Damit die Kapsel schneller in den Dünndarm gelangt, wird der Patient angehalten, zweimal zu bestimmten Zeiten eine spezielle Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Es müssen keine Sedativa verabreicht werden, die Fahrtüchtigkeit wird also nicht beeinflusst. Eine Hygieneproblematik besteht ebenfalls nicht, denn jede Kapselkamera wird nur einmal verwendet.

Wie läuft die Untersuchung ab?

Medizinische Kapselkameras sind steril verpackte technische Artikel für den Einmalgebrauch. Es stimmt also schlichtweg nicht, dass Kapselendoskope mehrfach verwendet würden. Nach der Untersuchung und dem Ausscheiden der Kapsel kann diese vom Patienten entweder aus dem Stuhl entfernt oder aber mit der Toilettenspülung in die Kanalisation befördert werden. In Japan ist die Kapselendoskopie seit 2014 für alle Indikationsspektren zugelassen, bei denen Patienten nicht bereit oder nicht in der Lage sind, sich einer herkömmlichen Endoskopie zu unterziehen.

Trotz des technischen Fortschritts ist die Kapselendoskopie kein vollständiger Ersatz für das herkömmliche Endoskop. Denn während einer laufenden Untersuchung können weder Gewebeproben entnommen, noch Polypen abgetragen werden. Die Videobilder können auch nach einer Untersuchung zeitlich unbefristet archiviert werden, beispielsweise für eine medizinische Zweitmeinung. Befinden sich Stenosen im Verdauungstrakt, so kann die Kapselendoskopie nicht durchgeführt werden.

Werden vom Arzt Engstellen im Darm vermutet, so kann vor der eigentlichen Untersuchung zunächst eine Testkapsel, auch Patency-Kapsel genannt, eingenommen werden. Die in Form und Größe identische Testkapsel löst sich nach etwa 30 Stunden von selbst in kleinste Einzelteile auf, sollte sie im Magen-Darm-Trakt hängen bleiben. Die Einzelteile sind dabei so klein, dass diese auch problemlos Engstellen passieren könnten. Das vom Patienten zu beobachtende Ausscheiden der Testkapsel zeigt die völlige Durchgängigkeit des Magen-Darm-Traktes an, sodass der eigentlichen Kapselendoskopie nun nichts mehr im Wege steht.

Wer übernimmt die Kosten?

Bei der Erstattungssituation durch die Krankenkassen muss zwischen der Kapselendoskopie des Dick- und Dünndarms unterschieden werden. Im ambulanten Bereich übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für eine Dickdarm Kapselendoskopie nur in begründeten medizinischen Ausnahmefällen. Bei stationären Patienten wird die Kapselendoskopie für den Dick- und Dünndarm ohne Probleme durch das DRG-System erstattet. Bei unklaren Magen-Darm-Blutungen übernehmen Privatkassen die Kosten seit dem Jahre 2005.


Risiken und Komplikationen

Größtes Risiko bei einer Kapselendoskopie sind vor der Untersuchung nicht bekannte Engstellen, die eine Passage der Kapsel unmöglich machen. Bei somatischen Schluckbeschwerden oder Schwangerschaft darf keine kapselendoskopische Untersuchung durchgeführt werden. Wegen der Metallteile in der Kapsel darf auf keinen Fall, während sich die Kapselkamera im Körper befindet, gleichzeitig eine Kernspinuntersuchung durchgeführt werden.

Insgesamt gilt der Einsatz der Kamera-Pille als äußerst risiko- und nebenwirkungsarm. In der medizinischen Literatur sind weder schwere Nebenwirkungen, Komplikationen oder Todesfälle beschrieben, die mit dem Einsatz von Kamerakapseln in direktem Zusammenhang stehen.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart
  • Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Siewert, J., Rothmund, M., Schumpelick, V.: Praxis der Viszeralchirurgie: Gastroenterologische Chirurgie. Springer, Berlin 2011

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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Letzte Aktualisierung am: 16. November 2021

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