Reizbarkeit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Symptome Reizbarkeit

Reizbarkeit ist ein psychischer Zustand, in dem der Mensch intensiver und heftiger auf die Reize seiner Umgebung reagiert. Meist ist damit ein Zustand gesteigerter Erregbarkeit und Aggressivität gemeint, denn insbesondere in dieser Form schlägt sich Gereiztheit nieder. Nicht selten geht Reizbarkeit mit starken Stimmungsschwankungen und depressiven Verstimmungen einher.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Reizbarkeit (Gereiztheit, Erregbarkeit)?

Reizbarkeit ist ein Zustand, in dem der Mensch stärker auf alle möglichen Reize aus seiner Umgebung reagiert. Es kann sich dabei um Licht, Lärm, psychischen Stress oder auch nur um Berührungen handeln, meist ist aber ein psychischer Trigger der stärkste Reiz.

Im Zustand erhöhter Reizbarkeit fällt die Reaktion auf den einströmenden Reiz heftiger aus als sonst, der Betroffene reagiert beispielsweise aggressiv auf eine Bemerkung, die er normalerweise lockerer genommen hätte.

Es gibt daneben aber auch die physische Reizbarkeit: Mechanische Reize lösen dann stärkere Reaktionen als gewohnt im Körper aus und führen zu Reaktionen oder Schmerzen, die den Betroffenen wissen lassen, dass etwas nicht stimmt.

Ursachen

Eine physische Reizbarkeit hängt meistens mit einer Infektion zusammen. Der entzündete Körperteil reagiert stärker oder schmerzempfindlicher auf Reize der Umgebung, die er andernfalls nicht oder nur am Rande bemerkt hätte. Beispielsweise tränen die Augen bei Licht, wenn sie entzündet sind.

Als Nebeneffekt tritt Reizbarkeit auch durch körperliche Schmerzen aller Art auf, die bei jeder Erkrankung auftreten können. Psychische Reizbarkeit hingegen kann verschiedene Ursachen haben, die von einer körperlichen Erkrankung bis hin zu leichten oder schweren psychischen Auslösern reichen.

Häufig handelt es sich dabei lediglich um sporadischen Stress, allerdings werden auch einige schwerwiegende psychische Erkrankungen mit Reizbarkeit assoziiert.

Unverarbeitete Traumata, Depressionen oder andere verdrängte Erfahrungen, die einer Aufarbeitung bedürfen, äußern sich oftmals in Reizbarkeit und heftigen Reaktionen auf alltägliche Trigger, die beim gesunden Menschen keine so starke Reaktion provozieren dürften.

Auch Schlafstörungen können eine erhöhte Reizbarkeit hervorrufen, ebenso wie unangenehme körperliche Empfindungen, wie z.B. Hunger, Hitze oder Kälte (Unterkühlung) oder .

Häufig können auch hormonelle Störungen, wie z.B. Schilddrüsenerkrankungen (Schilddrüsenunterfunktion) (Jodmangel), das prämenstruelle Syndrom oder ein niedriger Serotoninspiegel zu einem Hormon-Ungleichgewicht führen.

Wann zum Arzt?

Bei einer vorübergehenden Reizbarkeit, die sich aufgrund einer stressigen Situation oder empfundener Ungerechtigkeit einstellt, muss kein Arzt aufgesucht werden. Es handelt sich um eine Stimmung, die sich in den meisten Fällen innerhalb einiger Stunden oder Tage legt. Hält die Reizbarkeit an und wird als ein emotional belastender Zustand empfunden, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Dies geschieht häufig, wenn die Reizbarkeit über mehrere Wochen oder Monate besteht. Meist gibt es Ursachen, bei denen der Betroffene selbst Hilfe und Unterstützung benötigt, um diese zu überwinden.

Wird die Reizbarkeit von Menschen aus dem sozialen Umfeld als unangenehm und störend wahrgenommen, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Die Gründe für die Gereiztheit müssen besprochen und geklärt werden, da alternativ zwischenmenschliche Probleme drohen. Führt die Reizbarkeit zu einer schleichenden sozialen Isolation oder hat der Betroffene das Gefühl, von anderen Menschen bewusst ausgegrenzt zu werden, ist ein Arzt aufzusuchen. Eine Reflexion des eigenen Verhaltens muss schrittweise stattfinden, damit Änderungen erzielt werden. Auch ein allgemeines Unwohlsein bedingt ein Besuch beim Arzt.

Vor der Einnahme von Medikamenten, die eine Veränderung der allgemeinen Stimmung bewirken, ist die Rücksprache mit einem Arzt notwendig. Mögliche Nebenwirkungen müssen besprochen und abgeklärt werden, bevor es zu weiteren Symptomen kommt. Führt die Reizbarkeit zu einem aggressiven oder gewalttätigen Verhalten, ist die Konsultation eines Arztes ratsam.

Diagnose und Verlauf

Reizbarkeit ist nicht schwer zu diagnostizieren - gerade im physischen Bereich kann man sie jederzeit leicht nachvollziehen. Der Patient wird dazu dem Reiz ausgesetzt, auf den er übermäßig stark zu reagieren glaubt, und anschließend kann der Arzt nachvollziehen, ob tatsächlich Reizbarkeit vorliegt. Beispielsweise wird ein entzündetes Auge kurz dem Licht ausgesetzt, um zu testen, wie die körperliche Reaktion darauf ausfällt, da diese für die Diagnose ausreicht - oft ist jedoch schon dieser Schritt unnötig.

Psychische Reizbarkeit dagegen ist bereits schwieriger zu diagnostizieren, hierfür sind die Angaben der Menschen wichtig, die den Patienten gut kennen und wissen, wie er früher war. Einige Menschen sind ohne krankhafte Ursache leicht reizbar, andere hingegen entwickeln sich im Laufe mehrerer Monate und Jahre so, obwohl sie vormals ganz anders waren. Ein Psychologe kann aber auch eine Befragung durchführen, um festzustellen, ob der Verlauf schleichend oder akut gestaltet ist und ob es sich um eine erhöhte Reizbarkeit handelt oder nicht.

Komplikationen

Reizbarkeit ist eine vorübergehende Stimmungslage, eine verständliche Veränderung des Wesens bei chronischen Schmerzen oder Erkrankungen, eine dauerhafte Wesensänderung als Anzeichen einer Erkrankung... vor allem aber ist Reizbarkeit für die Mitmenschen des Betroffenen ein Problem. Während der Betroffene selbst oft gar nicht bemerkt, wie gereizt er auf Familie, Freunde oder Kollegen reagiert, leiden darunter die ihm nahe stehenden Menschen.

Aus medizinischer Sicht kennt Reizbarkeit an sich keine Komplikationen. Allerdings ist das im gesellschaftlichen Bereich anders. Der Betroffene wird zunächst in der Familie und unter Freunden durch die Reizbarkeit auffallen, denn diese Menschen verbringen die meiste Zeit mit ihm. Allerdings hören Betroffene oft am wenigsten auf die Menschen, die eine neue Reizbarkeit zuerst bemerken.

Weiterhin können Betroffene im Arbeitsleben negativ durch Reizbarkeit auffallen, denn im Umgang mit den Kollegen ist ein anderes Auftreten normal und akzeptiert. Gesteigerte Reizbarkeit kann zu Reaktionen führen, die problematisch werden und dem Betroffenen selbst vor Augen führen, dass ein durchaus reelles Problem besteht.

Vorübergehende Reizbarkeit, die sich auf einen Grund zuruckführen lässt, ist meistens nicht weiter problematisch, da sich der Mensch in diesen Fällen trotzdem gut beherrschen kann. Liegt sie allerdings an einem körperlichen oder psychischen Leiden, so führt sie langfristig dazu, dass diese überhaupt entdeckt wird, denn in diesen Fällen ist sie meistens keine vorübergehende Veränderung der Stimmlage, sondern dauerhaft.

Behandlung und Therapie

Eine physisch erhöhte Reizbarkeit wird meistens nicht gesondert behandelt, da es sich hierbei um ein Symptom und nicht um eine eigenständige Erkrankung handelt. Je nachdem, wie unangenehm die Auswirkungen einer solchen Reizbarkeit sind, besteht allerdings die Möglichkeit, symptomatisch zu behandeln und zu versuchen, die Auswirkungen der Ursache in Grenzen zu halten.

Entspannungsübungen wie z.B. Autogenes Training, Yoga oder Progressive Muskelentspannung sowie die Einnahme von pflanzlichen Beruhigungsmitteln (z.B. Baldrian) können helfen das Reizniveau zu senken.

Bei einer hormonell bedingten Störung (z.B. Erkrankungen der Schilddrüse, prämenstruelles Syndrom) kann die Verabreichung von Hormonen (Progesteron) oder der Ausgleich eines bestehenden Jodmangels (bei Schilddrüsenunterfunktion) die Symptome lindern.

Ohne eine Behandlung der Ursache sind die Erfolgschancen eher gering und es handelt sich nur um eine Unterdrückung eines Symptoms. Bessere Therapiemöglichkeiten gibt es bei der psychischen Reizbarkeit - die Behandlung beginnt mit der Erkennung der konkreten Ursache.

Der Psychologe wird sich hierfür mit dem Patienten befassen und ihn zu seiner aktuellen Situation befragen. Es geht darum, herauszufinden, woher die Reizbarkeit kommt und welche Therapie dementsprechend zur Besserung führen könnte.

Wenn es sich um Reizbarkeit durch alte, tief verwurzelte psychische Wunden handelt, müssen diese tiefenpsychologisch wieder aktuell gemacht, hervorgeholt und ausgeheilt werden.

Akute Ursachen hingegen sind leichter greifbar und man kann versuchen, als Patient selbst aktiv etwas an den aktuellen Lebensumständen zu ändern und dafür zu sorgen, dass die Ursache der erhöhten Reizbarkeit von alleine wieder verschwindet. Dadurch verschafft man sich in Zusammenarbeit mit dem psychisch geschulten Therapeuten ebenfalls Linderung und die Reizbarkeit wird sich langfristig minimieren.


Vorbeugung

Reizbarkeit durch eine infektiöse Ursache kann man kaum verhindern. Man sollte sich in dieser Zeit von der Quelle des Reizes fern halten, um körperliche Reaktionen zu verhindern. Psychische Reizbarkeit kann man verhindern, indem man darauf achtet, sich genug Entspannung und Erholung zu gönnen, da andernfalls der Stress des Alltags dafür sorgt, dass man gereizt reagiert. Schlimmere psychische Wunden bedürfen der Hilfe eines Fachmanns, die man lieber jetzt als in vielen Jahren annimmt, wenn sich das Problem festgefahren hat und nicht mehr so leicht zu behandeln ist.

Quellen

  • Payk, T.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Dilling, H. & Freyberger, H.J.: Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, Huber Verlag, 6. Auflage 2012
  • Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
  • Bergner, T. M. H.: Burnout-Prävention. Schattauer, Stuttgart 2012
  • Tölle, R., Windgassen, K.: Psychiatrie. Springer, Berlin 2014

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
Qualitätssicherung durch: Dr. med. Nonnenmacher
Letzte Aktualisierung am: 14. November 2021

Sie sind hier: Startseite Symptome Reizbarkeit

Das könnte Sie auch interessieren