Aerophagie (Luftschlucken)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Aerophagie (Luftschlucken) ist gekennzeichnet durch eine verstärkte Aufnahme von Luft über den Mund in den Verdauungskanal. Dabei kommt es zur Ansammlung der Luft im Magen und Darm, was zu unangenehmen Beschwerden führen kann. Bei Babys ist eine Aerophagie jedoch physiologisch.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Aerophagie (Luftschlucken)?

Eine Aerophagie (Luftschlucken) führt zu einer erhöhten Gasansammlung im Magen-Darm-Bereich, wodurch es oft zu starken Bauchschmerzen kommt.

Der Begriff Aerophagie kommt aus dem Lateinischen und bedeutet nach strenger Übersetzung "Luftfressen". Damit wird bereits ausgesagt, dass die Luft über den Mund aufgenommen und verschluckt wird. Die dabei entstehenden Gasansammlungen im Magen-/Darmkanal vermitteln oft ein Gefühl des Aufgeblähtseins und des Völlegefühls.

Luftschlucken ist eigentlich ein ganz normaler Vorgang, der beim Essen und Sprechen immer auftritt. Meist gleichen sich Luftaufnahme und Luftabgabe miteinander aus. Findet jedoch eine überproportionale Luftzufuhr ohne eine ausreichende Luftabgabe statt, kommt es zu Blähungen und Völlegefühl. Bei Neugeborenen ist eine Aerophagie jedoch in den ersten Lebensmonaten immer anzutreffen.

Ursachen

In ihrer normalen Ausprägung besitzt die Aerophagie (Luftschlucken) keinen Krankheitswert. Das Verschlucken von Luft kann man nicht verhindern. Eine über das normale Maß hinausgehende Aerophagie erzeugt infolge der auftretenden unangenehmen Symptome, wie Blähungen, Völlegefühl und häufiges Aufstoßen einen gewissen Leidensdruck. Andererseits wird die verstärkte Aufnahme von Luft auch durch psychologische Prozesse hervorgerufen, die häufig aus einer inneren Unzufriedenheit resultieren.

So ist ein Mensch, der im wahrsten Sinne des Wortes alles in sich hineinfrisst, besonders gefährdet, eine ausgeprägte Aerophagie zu entwickeln. Die auftretenden Symptome des Luftverschluckens verstärken wiederum die innere Unzufriedenheit und Reizbarkeit, sodass sich ein Teufelskreis herausbilden kann. Dazu gehört auch das schnelle Verschlingen großer Mengen von Nahrungsmitteln, wobei immer auch Luft mit verschluckt wird.

Auch bei falscher Atemtechnik, beim schnellen Sprechen und in der Folge eines angespannten Zustandes werden unbemerkt größere Mengen an Luft aufgenommen. Kohlensäurehaltige Getränke können ebenfalls zur Ansammlung von Gas im Magen-/Darmbereich führen. Durch Aufstoßen, Abgang von Darmwinden und Aufnahme der Gase im Blut wird die zu viel aufgenommene Luft in der Regel wieder abgeführt. Wenn jedoch diese Prozesse durch ein Zuviel der Aufnahme von Luft nicht mehr ausreichen, erhält die Aerophagie einen gewissen Krankheitswert.

Wann zum Arzt?

Das Luftschlucken kommt bei allen Menschen vor. In den meisten Fällen muss dafür kein Arzt aufgesucht werden. Bei Neugeborenen und Babys ist dieser Vorgang physiologisch, da sich der Organismus umstellen muss.

Bei der Aerophagie gelangt durch eine falsche Atemtechnik bei der Nahrungsaufnahme oder Bewegung zu viel Luft in den Körper. Häufiges Aufstoßen und Blähungen sind die Folge. Dies führt zu Anspannungen im Körper und einem Druckgefühl insbesondere im Unterleib. Sobald sich ein Leidensdruck oder eine Beeinträchtigung der eigenen Lebensführung durch das Aufstoßen oder die Blähungen einstellen, ist ein Arzt aufzusuchen.

Menschen, die aufgrund anderer Erkrankungen eine lange Zeit im Liegen verbringen müssen, zeigen häufiger Luftansammlungen im Körper. Durch das Liegen kann die Luft schwerer entweichen, als im aufrechten Zustand. Ein Sodbrennen ist die Folge, das bei einem regelmäßigen Auftreten von einem Arzt untersucht werden muss. Es besteht das Risiko, dass die Beschwerden zunehmen oder sich weitere Erkrankungen ausbilden. In schweren Fällen können ernste Störungen der Verdauung eintreten, denen rechtzeitig durch einen Arztbesuch vorzubeugen ist.

Hält die Aerophagie über einen langen Zeitraum an, ist es hilfreich einen Arzt um Rat zu bitten. Er gibt Tipps für die richtige Atemtechnik in unterschiedlichen Lebenssituationen.

Diagnose und Verlauf

Die Aerophagie zeichnet sich häufig durch starke Blähungen, Bauchschmerzen, Reizbarkeit, Aufstoßen und häufigen Abgang von Darmwinden aus. Die Erkrankung ist harmlos, aber oft sehr unangenehm. Die starken Blähungen können auch auf die Lunge drücken und damit Atembeschwerden auslösen. In seltenen Fällen kann die Luftansammlung jedoch so stark sein, dass es zum Reißen der Speiseröhre kommt. Bei Kleinkindern ist bei einer stark ausgeprägten Aerophagie auch ein Darmverschluss möglich.

Die Diagnose einer erhöhten Gasansammlung im Darm (Blähung) ist schnell gestellt. Um ihre Ursache festzustellen, sind jedoch häufig vielfältige differenzialdiagnostische Schritte notwendig. Blähungen sind ja nicht nur die Folge erhöhter Luftzufuhr, sondern auch durch eine verstärkte Gasbildung im Darm möglich. Sie können durch Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Gärungs- und Fäulnisprozesse und auch schwerwiegende Grunderkrankungen hervorgerufen werden.

Um eine zielführende Therapie beginnen zu können, müssen die Ursachen differenzialdiagnostisch ermittelt werden. Dabei beginnt eine Diagnose immer mit einer Anamnese der Krankengeschichte. Es folgen labortechnische Untersuchungen und bei Bedarf werden bildgebende Verfahren eingesetzt. Wird bei diesen Untersuchungen eine nennenswerte Gasbildung im Darm ausgeschlossen, deutet dies auf eine Aerophagie hin.

Komplikationen

Die Aerophagie führt bei den Betroffenen zu einem Gefühl des Aufgeblähtseins. Ebenso ist ein Völlegfühl im Körper möglich. Zu den Komplikationen gehören in den meisten Fällen unangenehme Blähungen. Diese werden insbesondere im sozialen Umgang mit anderen Menschen als belastend erlebt. Am Arbeitsplatz oder an öffentlichen Orten kann der wahrgenommene Druck im Körper ansteigen, da aufgrund sozialer Konventionen der Austritt von Blähungen krampfhaft verhindert wird. Das kann Spannungen und eine gedrückte Stimmung verursachen.

Ein Anstieg des Blutdrucks, Schweißbildung und eine krampfartige Körperhaltung sind möglich. Wird den Blähungen in einer ungestörten Atmosphäre nachgegeben, empfinden die meisten Menschen ein tiefes Gefühl von Erleichterung. Das Luftschlucken kann zu einem häufigen Aufstoßen führen. Dieses wird im zwischenmenschlichen Umgang ebenso unangenehm empfunden wie Blähungen. Es entsteht ein Leidensdruck, der oftmals mit einem Rückzugsverhalten verbunden ist.

Das Luftschlucken kann mit einer falschen Atem- oder Sprachtechnik verbunden sein. Dauert die Aerophagie an, empfiehlt sich eine Therapie in Form der Logopädie. Grund der falschen Technik kann ein zu schnelles Sprechen sein. Dies geschieht vorwiegend in hektischen Situationen oder bei Überforderung. Damit verbunden sind Unruhe oder eine gereizte Grundstimmung. Bei einer sehr starken Luftansammlung kann die Gefäßwand der Speiseröhre Risse erleiden. Als Folgeerscheinungen können Schmerzen eintreten oder eine Entzündung entstehen.

Behandlung und Therapie

Steht die Diagnose Aerophagie (Luftschlucken) fest, ist als nächster Schritt die Ermittlung der Gründe für das verstärkte Luftschlucken notwendig. Die Behandlung erfolgt zweigleisig. Zunächst werden gegebenenfalls durch eine medikamentöse Therapie die akuten Beschwerden der starken Blähungen gelindert. Dabei wird zwar die Luft aus dem Verdauungstrakt entfernt, wobei die Ursachen der Aerophagie aber noch nicht verschwinden.

Wichtiger ist es jedoch für den Betroffenen, mithilfe des Arztes eine Strategie zu entwickeln, bestimmte Verhaltensweisen in Bezug auf Nahrungsaufnahme, Atemtechnik oder Stressreaktion zu verändern. Oftmals ist es auch wichtig, im Rahmen einer Psychoanalyse die wahren Gründe für die allgemeine Nervosität des Betroffenen zu ermitteln.

Logopädische Übungen können helfen, die übermäßige Aufnahme von Luft beim Sprechen zu reduzieren. Verhaltenstherapeutische Maßnahmen unterstützen Betroffene häufig bei notwendigen Verhaltensänderungen. Da die Ursachen für eine Aerophagie vielfältig sind, müssen die Maßnahmen zu deren Behandlung individuell abgestimmt werden.


Aussicht und Prognose

Ein sporadisches Auftreten der Symptomatik Luftschlucken beim Essen und Trinken ist normalerweise harmlos. Besteht jedoch mehr als drei Monate im Jahr ein Problem mit Blähungen und Magenkrämpfen, kann es sich durchaus um eine ernst zu nehmende Aerophagie handeln.

Weil viele durch die Folgen des Luftschluckens (Aufstoßen, Schluckauf, geruchsarme oder geruchsintensive Blähungen (Flatulenzen)) gestresst sind, kommt es zu einer Verkrampfung auch der Bauch- und Darmmuskulatur. Dies wiederum führt zu mehr oder weniger starken Schmerzen, weil die entstandenen Gase nicht entweichen können.

Die logische Schlussfolgerung ist, dass es zu Durchfall kommt. Hält dieser an und wird nicht behandelt, kommt es nicht nur zu einem Gewichtsverlust, sondern auch zu einem Nährstoff- und Vitaminmangel.

Seltener kommt es zu rheumaähnlichen Gelenkentzündungen (häufiger, wenn Allergien vorliegen) sowie Hauterkrankungen. Ist die Aerophagie bereits weit fortgeschritten, kann es durch den Nährstoff- und Vitaminmangel zu Nervenfunktionsstörungen kommen. Bei Kindern sind im Extremfall und fehlender medizinischer Versorgung Gedeihstörungen möglich.

Entsteht bei lange anhaltenden Beschwerden zum Beispiel ein erhöhter Luftdruck im Magen, kann dadurch die Speiseröhre reißen.

Vorbeugung

Es gibt einige Maßnahmen, um eine Aerophagie zu vermeiden. Beim Essen sollte man darauf achten, die Portionen nicht zu schnell und zu hastig zu verschlingen.

Das Trinken von großen Mengen an kohlesäurehaltigen Getränken sollte eingeschränkt werden. Diese führen nämlich zu einer verstärkten Freisetzung von Kohlendioxid im Magen.

Da Stress häufig ein Faktor für verstärktes Luftschlucken ist, werden Stress reduzierende Maßnahmen, wie körperliche Bewegung, ausgewogene Ernährung und Entspannungsübungen empfohlen. Um neben einer Aerophagie andere Ursachen ausschließen zu können, sollte jedoch bei hartnäckigen Blähungen immer ein Arzt aufgesucht werden.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2011
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart
  • Siegenthaler, W. (Hrsg.): Siegenthalers Differenzialdiagnose Innere Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose. Thieme, Stuttgart 2005
  • Koop, I.: Gastroenterologie compact. Thieme, Stuttgart 2013
  • Siewert, J., Rothmund, M., Schumpelick, V.: Praxis der Viszeralchirurgie: Gastroenterologische Chirurgie. Springer, Berlin 2011

Dieser Artikel wurde unter Maßgabe der aktuellen medizinischen Fachliteratur und fundierter wissenschaftlicher Quellen verfasst.
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